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Rede, auf denen dargestellt wird, wie Merkur aus Ostindien »dergl. Güter«, also Porzellan, nach Europa holt, aber auch von Fenstern, die man »in der helffte in die höhe schieben (kann), daß sie stehen blieben denn in der mauer wahren sie an der seite herund mit einem gegengewichte« befestigt. Es wird von grün gestrichenen und vergoldeten Balkongittern gesprochen, doch auch angemerkt, das ganze Haus sei »von schlechtem mauerwerk und bedüncht«.
     Der Berliner Restaurator Gottfried Grafe kennt die Beschreibungen und Skizzen und nutzt sie bei seinen bauarchäologischen Forschungen. Ziel sei es, den Bestand an Räumen und Strukturen zu erkennen und anhand von Befunden die Baugeschichte zu belegen, um historische Situationen wiederherzustellen. Da und dort seien bereits alte Farbfassungen und Wölbungen freigelegt, und es könnten auch Säulen etwa im ehemaligen Porzellankabinett aufgerichtet werden, die heute verloren sind, so daß Schloßbesucher schon ab kommendem Jahr einen »ziemlich guten« Eindruck von der ursprünglichen Gestalt dieser ältesten barocken Schloßanlage Brandenburgs erhalten, erbaut bald nach dem Dreißigjährigen Krieg für die junge Kurfürstin Luise Henriette.
     Im Sommer 1999 wird der schon 1667 verstorbenen Gemahlin des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in der Ausstellung
Helmut Caspar
Lusthaus, Kaserne und Museum

Das Schloß Oranienburg

Vor 300 Jahren besuchte der herzoglich sachsenweißenfelsische Architekt Christoph Pitzler verschiedene europäische Staaten. Seine über 1 000 Seiten umfassende »Reysebeschreibung durch Teutschland, Holland, Spanische Niederlande, Franck-Reich und Italien«, die 1998 im Berliner Nicolai Verlag veröffentlicht wurde, enthält auch Zeichnungen und Hinweise auf das damals kurfürstliche Schloß Oranienburg. Es muß ein eleganter Bau gewesen sein, umgeben von einem figurenbestückten Lustgarten, angefüllt mit Silbersachen, chinesischem Porzellan, kostbaren Gobelins und Gemälden. Zur Stadt hin ziert noch heute eine lange lateinische Inschrift die Schloßfassade, lobt die Bauherrin Luise Henriette von Oranien, die erste Gemahlin des Großen Kurfürsten und Namensgeberin von Oranienburg, das bis 1653 Bötzow hieß.
     In Pitzlers Notizen über das »feine Landhaus« von Oranienburg ist von einem kostbar ausgestatteten Porzellankabinett und von allegorischen Deckengemälden die

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»Onder den Oranje Boom« gedacht. Sie steht unter der Schirmherrschaft der niederländischen Königin Beatrix und des Bundespräsidenten Roman Herzog und soll auch die auf vielen Gebieten fruchtbaren Beziehungen zwischen den Niederlanden und deutschen Fürstentümern in der Barockzeit würdigen. Mit Kostbarkeiten der Preußischen Schlösserstiftung Berlin- Brandenburg, der Staatlichen Museen zu Berlin und anderer Leihgeber bestückt, ist die Ausstellung nacheinander in Krefeld, Oranienburg und Apeldoorn zu sehen. Oranienburg erhofft sich von der Ausstellung und einer ganzen Reihe von kulturellen Ereignissen touristischen Zulauf und betreibt Imagepflege, in deren Mittelpunkt das bis dahin in seiner alten Raumstruktur zurückgewonnene und mit barocker Kunst ausgestattete Schloß stehen soll.
     Dargestellt werden in der Ausstellung eingangs der Aufstieg des Hauses Oranien im 16. Jahrhundert unter Wilhelm von Oranien und der Kampf gegen die spanischen Besatzer, sodann werden die familiären Verbindungen durch Verheiratung oranischer Prinzessinnen nach Brandenburg, Anhalt- Dessau, Nassau- Dietz und Pfalz- Simmern und die Gründung der Schlösser Oranienburg, Oranienbaum, Oranienstein und Oranienhof dokumentiert. Der Besucher erlebt anhand eindrucksvoller Exponate die vielfältigen Einflüsse dieser Verbindungen auf den toleranten Umgang unterein-
ander, auf Kunst und Bildung, Manufakturwesen, Handel, Landwirtschaft, Deich und Kanalbauten, die Anlage von Festungen und das Militärwesen und nicht zuletzt für soziale Belange, für die sich die karitativ gesonnene Kurfürstin Luise Henriette einsetzte. In der Ausstellung sollen nach Auskunft der Preußischen Schlösserstiftung etwa 600 Exponate aus ganz Europa gezeigt werden – Gemälde, Grafiken, Erzeugnisse des Kunsthandwerks, Dokumente und Archivalien, Münzen und Medaillen.
     Im Hirmer- Verlag erscheint ein zweibändiger Katalog, der die fruchtbaren deutsch- niederländischen Beziehungen vor 300 Jahren anhand wissenschaftlicher Studien belegt.
     Zurück zum Oranienburger Schloß, dem größten Exponat der Oranier- Ausstellung. Wechselhaft wie die Geschichte Brandenburg- Preußens ist auch das Schicksal der H-förmigen Anlage, erbaut zwischen 1651 und 1710 von den Architekten Memhardt, Nehring und Eosander. Zeiten höfischer Eleganz unter den Hohenzollern folgten solche der Mißachtung und des Verfalls.
     Vom Prinzen August Wilhelm, einem Bruder Friedrichs des Großen, noch als Residenz genutzt und nach seinem frühen Tod im Jahre 1758 verwaist, erlebte das Schloß im 19. Jahrhundert, wie andere preußische Schlösser auch, einen folgenschweren »Karriereknick«. Es wurde 1802 bis 1841 als Chemiefabrik genutzt und rigoros ver-
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Die auf einem Stich von 1733 überlieferte Fassade des Oranienburger Schlosses – hier die Hofseite – blieb im wesentlichen erhalten
ändert, zwischendurch auch durch Brände beschädigt. Beim Umbau in ein Lehrerseminar ab 1858 wurden wie schon zuvor in der Fabrikzeit barocke Zimmerfluchten verändert, neue Treppen eingebaut, Tapisserien und Stukkaturen entfernt, Wandgemälde überstrichen, neue Fußböden gelegt. Fortgesetzt wurde dieses Ausschlachten, Um- und Zubauen in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts, als die Anlage in eine SS-Kaserne umgewandelt wurde (das Konzentrationslager Sachsenhausen war nicht weit!), wobei im Auftrag von Reichsführer Himmler stilecht gestaltete Anbauten hinter dem Schloß im Parkgelände hinzu- kamen, die heute für Verwaltungszwecke genutzt werden. Im Zweiten Weltkrieg von Bomben getroffen – die Stadt Oranienburg wird noch heute durch die vielen Bombenfunde in Aufregung versetzt – und danach zeitweilig leer stehend und Plünderungen ausgesetzt, war die Anlage Sitz der Kreisverwaltung beziehungsweise Polizei- und NVA-Kaserne. Ein weiteres Mal erlitt der Bau gravierende Verluste.
     Seit zwei Jahren erlebt das arg geschundene Schloß sein Comeback. Mit EU- Fördermitteln und Geldern des Bundes, des Landes Brandenburg und der Stadt Oranienburg – insgesamt 17 Millionen DM – wird es
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sorgsam instand gesetzt. Zwar ist von der ehemals reichen barocken Ausstattung kaum etwas vorhanden, von dem erwähnten Deckenbild im ehemaligen Porzellankabinett und Spuren »grotesker« Wandbemalung im Hasensaal darunter abgesehen, das wenige aber wird liebevoll restauriert. Daneben gibt es auch Unbekanntes zu entdecken und bald auch zu sehen. Im hochherrschaftlichen Corps de logis, dem Hauptbau mit Figuren auf der Attika, konnten hinter verputzten Mauern über drei Stockwerke die Reste eines Jagdschlosses des Kurfürsten Joachim II. aus dem 16. Jahrhundert nachgewiesen werden, um das herum Luise Henriette ihr Lustschloß hat bauen lassen. Im Südflügel zwischen Hauptbau und einem ehemals freistehenden Pavillon fanden sich Säulen einer Kolonnade, die um 1730 zugemauert worden war. »Einige Säulen lassen wir sichtbar, so können Besucher die Metamorphosen nacherleben, die das Schloß durchgemacht hat«, sagt Gottfried Grafe. Reste historischer Fußböden – von Marmor über Tonziegel bis zu Holzbohlen – geben das Vorbild für neue Beläge.
     Die Stiftung Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg, die neben der Stadt Oranienburg das Schloß für Ausstellungszwecke nutzen will, stattet einige Säle mit Möbeln und Bildern der Erbauungszeit aus und legt großen Wert auf authentische Wiederherstellung. Wo es allerdings keine Spuren
einstiger Innenarchitektur gibt, wird auch kein neuer Schmuck hinzu erfunden.
     Wie die elegante Außenfassade gefaßt werden soll, die gerade einen dünnen Kalkputz bekommt, der die Mauer darunter ahnen läßt, ist noch nicht entschieden. Gottfried Grafe hat mehrere Anstriche allein aus dem 18. Jahrhundert ermittelt und plädiert für die Wiederherstellung der ersten Fassung nach Befund: Beige und helles Grau. Auch die Gitter, die Pitzler beschrieben hatte, sollen analog zu winzigen Farbspuren wie vor 300 Jahren gestrichen werden – grün und vergoldet. Die damals nach neuester Technik herauf und herunter zu schiebenden Fenster indes werden aus Kostengründen nicht wiederhergestellt. Es bleibt bei Fenstern aus der Zeit des Lehrerseminars.

Bildquelle:
Repro Autor

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© Edition Luisenstadt, 1998
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