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zent) waren betriebsfähig. Bis Ende Juli konnte diese Zahl auf 956 erhöht werden. Ein besonderes Problem ergab sich mit 51 Trieb- und Beiwagen, die vor dem Krieg von der Warschauer Straßenbahn bei deutschen Lieferfirmen bestellt und des Krieges wegen nicht mehr ausgeliefert worden waren. Die BVG war in die Lieferverträge eingetreten und hatte die Wagen für den eigenen Betrieb übernommen. Anfang August 1945 verlangte die polnische Delegation die Herausgabe, welche auf Anweisung der Stadtkommandantur gegen den Willen der BVG zwischen dem 13. September und 7. November erfolgte.
     Da die Zerstörungen im Innenstadtbereich am stärksten waren, wurde die Wiederherstellung in den Außenbezirken begonnen und nach innen vorgetrieben. Hierbei kam der BVG die schnelle Wiederinbetriebnahme der U-Bahn zugute, wodurch Verknüpfungspunkte zwischen beiden Systemen möglich wurden. Am 25. Mai konnten erste Straßenbahnlinien in der Tegeler Gegend und im Südosten Berlins – von Treptow nach Schöneweide und Karlshorst – ihren Betrieb aufnehmen. Ende Mai waren es bereits 49 Kilometer Linienlänge, Ende Juli 142,2 und Ende Oktober 311 Kilometer; die Streckenlänge betrug im Oktober 210 Kilometer, das entsprach 36 Prozent der Strekkenlänge von 1938. Etwa 500 Kilometer Straßenbahngleis waren betriebsfertig hergerichtet, ohne daß die Betriebsaufnahme
Heiko Schützler
Schienentransport auf Handkarren

Der Zustand des öffentlichen Personennahverkehrs 1945 (Teil 2)

Daß ein funktionierendes Verkehrssystem für eine Großstadt überlebenswichtig ist, zeigt eine Betrachtung der Ausgangssituation am Ende des Zweiten Weltkrieges.
     Schwierig gestaltete sich der Wiederaufbau des Straßenbahnnetzes. Bomben und Granattreffer sowie Sprengungen hatten zahlreiche Schadensstellen am Gleiskörper hervorgerufen. Schäden an Brücken zerrissen das Gleisnetz. Die Oberleitung war bei den Straßenkämpfen zu 95 Prozent zerstört worden, was zunächst eine provisorische Neuanlage notwendig machte. Es war nicht nur der Fahrdraht heruntergerissen worden, vielmehr wurden auch das Tragwerk und die Masten sowie die Halterungen an den Häusern zerstört. Von den 17 Betriebshöfen waren Treptow zu 57, Spandau zu 61,2 sowie Kreuzberg zu 87,5 Prozent zerstört; Reinickendorf, Niederschönhausen, Tempelhof und Schöneberg zu über 20 Prozent. Auch die übrigen wiesen Beschädigungen auf. Die Hauptwerkstatt war zu 80 Prozent zerstört. Nur noch 662 Trieb- und Beiwagen (22 Pro-

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   39   Probleme/Projekte/Prozesse Schienentransport auf Handkarren  Vorige SeiteNächste Seite
erfolgen konnte. Insbesondere Brückenschäden zwangen zur Improvisation: An beiden Seiten einer zerstörten Brücke mußten provisorische Endstellen eingerichtet werden.
     Die Wiederherstellungsarbeiten wurden dadurch erschwert, daß Lagerräume, Unterkünfte, Werkzeug und Transportmöglichkeiten fehlten. Da die meisten Oberleitungen zerstört waren, konnten Arbeitswagen kein Material heranschaffen. Lastkraftwagen aber waren nicht verfügbar. So wurden zum Transport von Schienen, Werkzeugen oder Steinen Handkarren benutzt. Zudem fehlte für elektrisch betriebene Baumaschinen oftmals der Strom.
     Ebenso fehlte der Strom auch für den allgemeinen Fahrbetrieb. Da die von der BEWAG betriebenen Umformwerke mitsamt von den Werken zu den Oberleitungsspeisepunkten verlaufenden Speisekabeln größtenteils zerstört waren, mußte zunächst in Zusammenarbeit mit der BEWAG ein Programm zur Koordinierung der Bauarbeiten erstellt werden.
     Zur Wiederherstellung der Oberleitungen wurden zunächst alle verwendbaren Teile des Fahrdrahtes und des Tragwerkes gesammelt. In Abstimmung mit den Gleisarbeiten erfolgte dann die schrittweise Wiederherstellung des Fahrdrahtes. Die vorhandenen Masten mußten auf ihre Verwendbarkeit geprüft und nötigenfalls ausgetauscht werden. Als Ersatz für zerstörte Masten wurden aus den Berliner Forsten Fichtenstämme ge-
schlagen. Solcher Ersatz war auch dort zu leisten, wo das Haus, welches ursprünglich den Fahrdraht gehalten hatte, zerstört worden war.
     Omnibusse fuhren zunächst nur als Ersatz für die Straßenbahn. Ein eigentliches Omnibusnetz konnte nur langsam aufgebaut werden, da kaum noch Wagen vorhanden waren. Gemäß Befehl Nr. 8 des sowjetischen Stadtkommandanten vom 30. Mai 1945 waren 80 Omnibusse instand zu setzen und das Liniennetz auf 250 Kilometer auszudehnen. Hierbei sollte der sowjetische Sektor bevorzugt bedient werden. Als einziger Betriebshof war Treptow vorgesehen. Die BVG- Direktion sah sich unlösbaren Problemen gegenüber. Eine erste Bestandsaufnahme ergab, daß von 908 Bussen, die bei Kriegsbeginn den Gesamtwagenbestand gebildet hatten, 60 total zerstört, 341 schwer und sieben leicht beschädigt waren. 382 waren an die Wehrmacht abgegeben worden, und 100 hatte man zum Schutz vor Luftangriffen in den Wald bei Dannenberg verlagert. Die 18 in der Stadt verbliebenen Busse waren in ihrer Einsatzfähigkeit stark eingeschränkt, da es an Treibstoff, Reifen sowie Ersatzteilen mangelte. Es kam noch hinzu, daß von den fünf Betriebshöfen die in der Usedomer und in der Helmholtzstraße je zu etwa 50 Prozent zerstört worden waren. Da der Hof in Weißensee zunächst als Getreidespeicher und später als Werkstatt diente und der Zehlendorfer Hof von den Amerikanern be-
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   40   Probleme/Projekte/Prozesse Schienentransport auf Handkarren  Vorige SeiteNächste Seite
schlagnahmt und zum OMGUS- Motor- Pool umfunktioniert worden war, von wo aus die amerikanische Besatzungsmacht bis 1951 ihren eigenen Linienverkehr abwickelte, blieb für den Betrieb nur der Hof in Treptow übrig. Die dortige Hauptwerkstatt war zu 50 Prozent kriegszerstört. Ihre Funktion wurde durch Demontagen weiter eingeschränkt.
     Trotz allem wurde es noch im Mai möglich, sieben Linien zu eröffnen:
–     am 13. 5. die Linie T: U-Bahnhof Onkel Toms Hütte – Schönow;
–     am 16. 5. die Linie A 5: Rathaus Zehlendorf;
–     Schöneberg, Kaiser- Wilhelm- Platz, sowie die Linie 60: Weißensee, Rennbahnstraße;
–     Königstor;
–     am 20. 5. die Linie 76: Zoologischer Garten;
–     Potsdamer Platz, die Linie 77: Zoologischer Garten – Kaiserplatz sowie die Linie 87: Treptow, Elsenstraße – Spittelmarkt;
–     am 22. 5. die Linie A 17: Rathaus Zehlendorf – Wannsee.

     Da es nicht gelang, den Treibstoff- und insbesondere den Reifenmangel zu beheben, kam es in der Folgezeit immer wieder zu Betriebseinstellungen. Die Linie T war so nur zwei Tage in Betrieb. Im Juli verkehrten in ganz Berlin nur noch sechs bis neun Omnibusse. Es nützte nichts, daß die Zahl der einsatzfähigen Busse mittlerweile auf 87 gestiegen war, es fehlten die Reifen. Da die BVG nicht in der Lage war, mit eigenen Mitteln den Verkehrsbedarf der unmittelbaren

Nachkriegszeit zu decken, stellten private Unternehmer beim Magistrat Anträge, mit insgesamt 20 Bussen den Linienverkehr auf eigene Rechnung zu betreiben. Der Magistrat reichte diese Anträge in Verbindung mit einer Befürwortung seitens der BVG, die sich den Betrieb vorbehielt für die Zeit, da sie selbst dazu wieder in der Lage sein würde, bei der Alliierten Kommandantur ein, und so kam es, daß – ebenfalls mit Unterbrechungen aus den oben bereits erwähnten Gründen – ab Mai/Juni 1945 mehrere Linien privat betrieben wurden. So bediente die Osthavelländische Eisenbahn eine Strecke zwischen Bahnhof Johannesstift und Schönwalde. Die Spandauer Omnibusgemeinschaft richtete ab 15. Juni eine Verbindung zwischen Alt- Pichelsdorf und Kladow sowie ab 12. August zwischen Rathaus Spandau und Staaken ein. Ab 15. September betrieb der Unternehmer Erich Schnelle eine Linie zwischen Rathaus Steglitz und dem Bahnhof Lichterfelde- Ost. Noch bis 1948 wurden entsprechende Genehmigungen erteilt, und erst am 31. Dezember 1954 stellte man die letzte Privatlinie auf BVG- Betrieb um.
     Ein Problem ergab sich auch aus der am 20. September erfolgten Demontage von 52 Werkzeugmaschinen aus der Hauptwerkstatt in Treptow.
     Die folgende Aufstellung verdeutlicht den Fortschritt, der in der verhältnismäßig kurzen Zeit von Mai bis Oktober erzielt werden konnte.
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BVG: Betriebsergebnisse 1945

MonatStraßenbahnOmnibusU-Bahninsgesamt
Beförderte Personen
(Gesamtverkehr)
Mai
Oktober
698 756
34 185 467
362 272
2 194 344
1 413 918
24 593 332
2 474 946
60 973 143
Wagenkilometer
 
Mai
Oktober
89 599
3 702 159
21 692
242 570
148 608
1 824 553
259 899
5 769 282
Linienlänge
 
Mai
Oktober
49,1
312,1
57,6
72,0
20,9
66,6
 
Offene Bahnhöfe U-Bahn (Gesamtanzahl der U-Bahnhöfe: 101)
Mai
Oktober
31
91
Auf Grund der schweren Schäden befand sich mit Ende der Kampfhandlungen der Berliner Nahverkehr auf dem tiefsten Stand in seiner Geschichte. Um so höher ist das Ergebnis des Wiederaufbaus in der kurzen, hier betrachteten Zeit zu werten. Mit der schrittweisen Wiederaufnahme des Betriebes der BVG erhielt die Großstadt eine ihrer wichtigsten wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zurück: ein großflächig operierendes, schnelles Verkehrssystem. Auch die S-Bahn- Anlagen waren von Zerstörungen betroffen. Den nachhaltigsten Schaden erlitt das S-Bahn- Netz durch ein Ereignis, das sich wie wohl kein anderes im allgemeinen Bewußtsein verankert hat: die Sprengung im Nordsüdbahn- Tunnel unter dem Landwehrkanal. Von Tausenden Opfern ist oftmals die Rede, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Opferzahl mit dem Abstand der Jahre stetig anstieg.
     Ebenso wild wuchert die Spekulation bei
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   42   Probleme/Projekte/Prozesse Schienentransport auf Handkarren  Vorige SeiteNächste Seite
der Suche nach den Verursachern der Sprengung. Die Russen hätten deutsche Widerstandsnester ausspülen wollen, heißt es.
     Die SS wollte den Russen den Zugang zur Reichskanzlei verwehren. Oder sie führte an dieser Stelle Hitlers Nero- Befehl aus.
     Und ebenso ungeklärt war der Zeitpunkt der Sprengung, der zwischen dem 26. April und dem 3. Mai 1945 liegt. Auch nach den heutigen Erkenntnissen läßt er sich nur im Ausschlußverfahren mit hoher, aber nicht hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ermitteln.
     Wie Karen Meyer festgestellt hat (Die Flutung des Berliner S-Bahn- Tunnels in den letzten Kriegstagen. Rekonstruktion und Legenden, Berlin 1992, Kunstamt Kreuzberg), ist die Quellenlage in diesem Fall sehr dürftig. Außer dem Ausmaß der Schäden ist nichts exakt rekonstruierbar. Akten sind für die fragliche Zeit kaum vorhanden, so daß man auf Augenzeugenberichte angewiesen ist. Diese aber sind so widersprüchlich, daß Frau Meyer sie in Gruppen einteilen konnte. Jede Gruppe steht für ein anderes Datum.
     Dank Frau Meyers Arbeit ist nunmehr zweifelsfrei die Ursache des Wassereinbruchs festgestellt. Nicht die Öffnung der Ventile bewirkte ihn, sondern eine gezielte Kammersprengung unter dem Landwehrkanal, die durch Vernichtung der Stützen die Tunneldecke zum Einsturz brachte.
     Relativ genau läßt sich auch die Zahl der Toten bestimmen. Entgegen allen Spekula-
tionen ist zweifelhaft, ob überhaupt jemand unmittelbar durch den Wassereinbruch ums Leben gekommen ist. Bei Auswertung aller Unterlagen stellt die Autorin fest, daß im Höchstfalle 200 Tote aus dem Tunnel geborgen worden sein können. Deren Mehrzahl dürfte bereits vor Eindringen des Wassers ihren Verletzungen erlegen sein; der Tunnel hatte als Notlazarett gedient. Nicht auszuschließen ist zudem, daß bereits vorher im Landwehrkanal treibende Leichen durch den Sog mit in die Tiefe gerissen wurden und so als Tunnelleichen galten.
     Die Nachkriegspresse griff dieses Thema auf. Gleich in der zweiten Ausgabe der »Neuen Berliner Illustrierten« vom Oktober 1945 gab es einen großen Bildbericht: »Die Trockenlegung des Nordsüdbahn- Tunnels. Ein gigantisches Werk unter Tage.« Auf insgesamt sechs Fotografien wurde das Ausmaß der Schäden deutlich gemacht. Zum überfluteten Stettiner S-Bahnhof hieß es: »Gondelfahrt durch ein gespenstisches Venedig?« Das Bild eines flachen Kahns im trüben Wasser des Tunnels wurde seitdem sehr oft veröffentlicht. Auf einem anderen Bild ein S-Bahn- Zug mit erheblichen Wasserschäden. Im Inneren eines Wagens befinden sich Leichen, wie ein weiteres Bild zeigt.
     Die Unterschrift ist aufschlußreich: »... Bei der Wiederaufbauarbeit im Nordsüdbahn- Tunnel wurden die letzten Opfer des Naziwahnsinns gefunden. Glücklicherweise war ihre Zahl geringer, als man zuerst annahm.«
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Die Legende von zahlreichen Toten aber muß sich Ende 1945 bereits im öffentlichen Bewußtsein verankert haben. Ihr Ursprung wird im Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 3. Mai 1945 nachvollziehbar. Es ist darin von hochgehenden Sprengungen die Rede, die Bunker und Untergrundbahnschächte zerrissen und Verteidiger wie Angreifer unter deren Trümmern begraben hätten. Da sich dieser Brief auf den 2. Mai bezieht, dürfte hier zudem eine Bestätigung jenes Tages als Datum der Sprengung vorliegen.
     Das Problem, wer der Verursacher der Sprengung war, hängt eng mit dem der Datierung zusammen. Wenn man vom 2. Mai als Datum für die Sprengung ausgeht, was nach Lage der Dinge die höchste Wahrscheinlichkeit besitzt, hieße das, daß sich die SS in diesem Falle in sowjetisch besetztem Gebiet hätte bewegen müssen. Daß die sowjetischen Truppen zur Ausspülung von letzten deutschen Widerstandsnestern das ganze Berliner Tunnelsystem fluteten, ist wegen der daraus für die Besatzungsmacht entstehenden Probleme unwahrscheinlich. Aufgeklärt worden ist der Tunnel durch sowjetische Truppen allerdings, wobei sich herausstellte, daß er verbarrikadiert und in regelmäßigen Abständen bemannt war, wodurch er sich nicht für ein unterirdisches Vordringen eignete. Einzelne Spähtrupps hatten dennoch versucht, auf diese Weise in den Rücken der Deutschen zu gelangen.
Allen Berichten zufolge hatte die Rote Armee bis zum 29. April die Lage oberirdisch unter Kontrolle, der Kampfbunker am und der Gefechtsstand im Anhalter Bahnhof konnten jedoch bis zum Schluß von den Deutschen gehalten werden.
     Nimmt man alle diese Angaben zusammen, bleiben nur deutsche Truppen, also die SS, als Verursacher übrig. Vorbereitungen in dieser Richtung hatte es gegeben. So wurde mit Wirkung vom 21. April 1945 jeglicher Zugverkehr gestoppt und der Tunnel verbarrikadiert, um an dieser Stelle den Vorstoß sowjetischer Truppen ins Stadtzentrum zu verhindern. Der SS-Stab der »Zitadelle« beschaffte sich entsprechende Pläne und bereitete Sprengungen vor.
     Möglicherweise aktivierten SS-Leute bei ihrem Rückzug Zeitzünder an den bereits vorbereiteten Sprengladungen, was die Frage klären würde, wieso sie sich einerseits durch den Tunnel zurückzogen und ihn andererseits sprengten.
     Gemäß Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten begann bereits am 24. Mai 1945 die Firma Siemens- Bau- Union mit Wiederherstellungsarbeiten am Tunnel.
     Erster Schritt war auch hier die Schadensermittlung, die mit Hilfe von Peilungen und durch den Einsatz von Tauchern vorgenommen wurde. Nach Fertigstellung eines Umlaufkanals konnte ab November 1945 mit dem Abpumpen des Wassers begonnen werden. Ende des Jahres war der am höchsten
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   44   Probleme/Projekte/Prozesse Schienentransport auf Handkarren  Vorige SeiteAnfang
liegende nördliche Teil des Tunnels wasserfrei, und die Station Stettiner Bahnhof konnte bereits im Januar des Folgejahres wieder in Betrieb genommen werden.
     Bahnhöfe, Oberbau, Brücken, Unterwerke, das Kabelnetz, die Stromschienen, die Betriebswerke sowie der Wagenpark der S-Bahn wiesen mit Ende der Kämpfe so umfangreiche Schäden auf, daß das S-Bahn- Netz als nicht mehr existent anzusehen war. Man mußte wieder beim Nullpunkt beginnen. Und trotzdem konnte bereits am 6. Juni 1945 der elektrische Zugbetrieb zwischen Wannsee und Schöneberg wieder aufgenommen werden. Eingleisig zunächst und mit nur je einem Zugpaar morgens und abends. Bereits einen Tag später fuhr man schon bis Großgörschenstraße.
     Nach zwischenzeitlich zweimaliger Stillegung konnte diese Strecke ab dem 21. Juli im ersten regelmäßigen S-Bahn- Betrieb nach dem Krieg mit zwölf Zugpaaren täglich bedient werden.
     Ab 18. Juni wurde der Verkehr auf einer Teilstrecke des Südrings zwischen Papestraße und Braunauer Straße (heute: Sonnenallee) wiederaufgenommen. Auch auf den Vorortstrecken wurde elektrischer Betrieb wieder möglich, nachdem dort zuvor schon Pendelverkehr mit Dampfzügen bestanden hatte. Um die Nordstrecken und die Wannseebahn bis in die Innenstadt führen zu können, wurden Provisorien errichtet. So führte man die nördlichen Vorort-
strecken über ein neu elektrifiziertes Ferngleis in den Stettiner Fernbahnhof ein und die Wannseebahn auf der ehemaligen Ringbahntrasse eingleisig in den Potsdamer Ringbahnhof. Die Stadtbahn konnte abschnittsweise erst ab 25. August wieder genutzt werden. Ab 15. November stand wieder die gesamte Strecke zur Verfügung, wenn auch nur eingleisig und mit mehreren Pendelabschnitten.
     Ende 1945 waren 216 Kilometer S-Bahn- Strecke wieder in Betrieb. Hauptsächlich wegen gesprengter Brücken fehlten noch folgende Abschnitte:
–     Heiligensee – Velten
–     Spandau – Spandau West
–     Wannsee – Potsdam
–     Dreilinden – Stahnsdorf
–     Warschauer Straße – Ostkreuz – Treptower Park – Baumschulenweg
–     Schlesischer Bahnhof – Erkner
–     Charlottenburg – Halensee
–     Kurve zwischen Nordring und Stadtbahn bei Ostkreuz
–     Nord-Süd- Bahn einschließlich der Rampenstrecken.

     Das rollende Material hatte größtenteils nur noch Schrottwert, doch für das Aufrechterhalten der Lebensfähigkeit der Stadt war es wichtig, daß die S-Bahn fuhr. Berlin hat nicht zuletzt wegen seines Verkehrsnetzes überlebt. Um so wichtiger ist ein solches Netz heute, da die Stadt neuen Aufgaben entgegensieht.
(Quellenangaben bei der Redaktion oder beim Autor)

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