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der Hüterechte der zugehörigen Inseln 1764 an Friedrich Ernst von Holwede begann eine stürmische Periode für die Insel. Bereits ein Jahr später starb von Holwede, seine Witwe und Erbin Marie Elisabeth, geb. Colomb, heiratete 1766 den Obristenwachtmeister von Humboldt. Somit kamen die Hüterechte Scharfenbergs in den Besitz der Humboldtfamilie. Bereits 1777 erhielten sie auch die Erbpacht, und 1822 ging das Gut gemeinsam mit den Inseln in den Besitz der Humboldtfamilie über.
     Scharfenberg wurde in der Folge verpachtet, wobei beim Verkauf der Pachtrechte ein Anteil an die Gutsbesitzer zu zahlen war. Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die in Berlin bereits grassierende Bodenspekulation auch Scharfenberg, und in einer raschen Folge von Verkäufen der Pachtrechte stieg deren Wert immer stärker, bis 1867 Carl Bolle die Insel erwarb und der Spekulation ein Ende bereitete. Der am Leipziger Platz wohnende Brauereibesitzer und Aktionär Carl Bolle wurde am 21. November 1821 geboren. Sein Vater war Besitzer einer der größten Weißbierbrauereien Berlins. Nach dem Abitur und Studium der Medizin unternahm Carl Bolle auf eigene Kosten von 1851 bis 1853 und von 1855 bis 1857 wissenschaftliche Reisen zu den Kapverdischen und den Kanarischen Inseln. Die ornithologischen und botanischen Ergebnisse dieser Reisen machten ihn mit einem Schlag in wissenschaftlichen
Susanne Salinger/ Harro Strehlow
Granaten auf Scharfenberg

»Scharfenberg? wird mancher unserer Leser erstaunt ausrufen. Ist das nicht, nachdem es lange ein Anglerheim gewesen, jener zum berüchtigten Kugelfang des Tegeler Schießplatzes degradirte Ort, wo nach den Bildern eines früheren Kladderadatsch die 24 pfündigen Granaten in die Suppenschüssel des Sommergastes oder in das Tintenfaß des friedlichen Dichters schlagen; – das eine Idylle?«1)
     Die Insel Scharfenberg liegt im Tegeler See. Der neun Meter über den Tegeler See aufragende namengebende Scharfe Berg bildet den östlichen Ausläufer der Reiherberge. Erst seit im 13. Jahrhundert der Spandauer Mühlenstau errichtet wurde, erhielt der Tegeler See seine jetzige Gestalt. Scharfenberg, bis dahin mit dem Festland verbunden, wurde durch das aufgestaute Wasser zu einer Insel.
     Die Geschichte Scharfenbergs blieb lange ruhig. Eicheneinschlag und Hütewirtschaft waren die kennzeichnenden Nutzungen der Inseln im Tegeler See. Mit der Übereignung der Pachtrechte des Gutes Tegel und

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Kreisen bekannt. Er wurde Mitglied vieler bedeutender wissenschaftlicher Vereine wie der »Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin« oder der »Kaiserlich- Leopoldino- Carolinischen Akademie der Naturforscher«, des »Botanischen Vereins für die Provinz Brandenburg und die angrenzenden Länder« oder der »Deutschen ornithologischen Gesellschaft zu Berlin«. Aber auch im »Verein für die Geschichte Berlins« war Bolle aktives Mitglied.
     Neben der Auswertung seiner Reisen betätigte sich Carl Bolle als unermüdlicher Erforscher der Flora und Ornis der Mark Brandenburg. Als Beirat des Märkischen Provinzialmuseums gab er zwei noch heute bedeutende Schriften heraus: »Die Wirbeltiere der Provinz Brandenburg. Die Vögel« (1885) und »Die freiwillige Baum und Strauchvegetation«.
     Durch den Erwerb Scharfenbergs erhielt Carl Bolle die Möglichkeit, seine Vorstellungen von gärtnerischer Pflege und Akklimatisation von Pflanzen in die Tat umzusetzen. Viele vor allem nordamerikanische Baumarten, Sträucher und Krautpflanzen siedelte er auf der Insel unter naturnahen Bedingungen an. Noch heute ist sein Wirken auf Scharfenberg zu erkennen. Als Carl Bolle am 12. Februar 1909 starb, erbte sein Neffe die Insel, der sie später an das Land Berlin verkaufte.
     Scharfenberg wurde nicht nur zu einem Mittelpunkt der botanischen und ornitholo-
gischen Gesellschaften Berlins und der Mark Brandenburg, sondern inspirierte auch volkstümliche Berliner Schriftsteller wie Julius Bierbaum:
     Ich Faulpelz liege auf der Insel der Seeligen und lasse Verse steigen, wie die Kinder bunte Drachen steigen lassen und verlustiere mich zwischen den blühenden Herrlichkeiten aller Breiten, die ein sorgsam guter und wissender Freund der Natur mit Herbergsvatertreue hier heimisch gemacht hat auf einer stillen Havelinsel inmitten der Mark. – Das ist so wundersam hier, dass das Fremde im Heimischen wie Heimisches steht, nicht etikettenbehangen und in Studierbeeten als Museumskuriosität, sondern wildschlicht unter dem, was uns gewöhnlich scheint und doch auch Wunder ist: Der Japandornbusch neben dem Johannisbeerstrauch, das Bambusbäumchen neben der Königskerze, der Lorbeer am Stamm der Eiche. Und kein Wildling wird hier ausgerauft, nichts Lebendiges wird als Unkraut bekriegt, keine Gartenschulmeisterei schwingt den Bakel über der Natur. Mich dünkt das hier ein guter Ort zu sein ...2)

     Doch die Idylle war nur unter großen Schwierigkeiten zu erschaffen und zu erhalten. Abgesehen von dem großen finanziellen Aufwand, den Carl Bolle trieb, um Scharfenberg zu einem einzigartigen botanischen Kleinod und dem für ihn schönsten Stückchen Erde zu machen, drohten von ganz anderer und unerwarteter Seite Gefahren.
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Die Ursachen der Bedrohung lagen in den Jahren 1828 bis 1830. In dieser Zeit entstand der Tegeler Artillerieschießplatz. Der Platz war so angelegt, daß er den Ansprüchen des Militärs und der Sicherheit der Bevölkerung genüge leisten sollte, was in den ersten Jahrzehnten sicher auch der Fall war. Doch die Technik machte auch im Kriegswesen enorme Fortschritte, und so brachte die Entwicklung weitreichender Kanonen unerwartete Gefahren. Immer häufiger geschah es, daß sich Granaten durch ungenaue Einstellung der Kanonen verirrten und ganz woanders einschlugen als geplant. Eines der Opfer dieser fehlgeleiteten Granaten war Scharfenberg.
     Schon bald nach dem Erwerb muß es Auseinandersetzungen um den Granatbeschuß Scharfenbergs

Carl Bolle im Jahre 1874

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   32   Probleme/Projekte/Prozesse Granaten auf Scharfenberg  Vorige SeiteNächste Seite
gegeben haben. Ein früher Hinweis ist das Fragment eines Briefentwurfes vom 3. Mai 1874 auf der Rückseite eines Spottgedichtes »Bongoweib und Dinkaweib«:

Leipziger Platz 13
Einem hohen K. Kriegsministerium nehme ich mir
Freiheit mitzutheilen, daß über die Entschädigung
ge wegen der Beschiessung von Scharfenberg und baum
der, in Betref welcher dem Herrn Major Matthias der
trag erteilt wurde, mit mir zu unter handeln3)

Der rechte Rand des Briefentwurfs ist abgerissen, weiteres nicht erhalten.
     Ein undatiertes Fragment Carl Bolles setzt sich ebenfalls mit dem Beschuß Scharfenbergs auseinander. Erst viele Jahre nach den Auseinandersetzungen gab er seine Einwilligung, die 24 Strophen abzudrucken. So heißt es unter anderem:

Ein See liegt nordwärts von Berlins Bannmeile,
zu dem im Sommer, grün, den Hut bekränzt,
Viel Volk sich drängt in frommer Eile.

Drei dieser Inseln, also glaubt' ich auch,
Sei'n mir zu sicherem Besitz beschieden,
Weil ich erworben sie nach Rechtes Brauch,

Mir war's Asyl. In seinen schlichten Räumen
Zehn jahrlang' lebt' ich, als des Eilands Gast,
Dem Pflanzen hingegeben und dem Träumen;

Das war's, was du mein Scharfenberg, mir bist.
Zu viel der Freude dünkt's wohl dem Geschicke,
Das Wermuth gern in Nektarschalen giesst.

Wohl schien die Insel nachbarlos dem Blicke,
So hatte anfangs selber ich geglaubt
und fast gefreuet mich an diesem Stücke.

Der Wahn ward leider mir zu bald geraubt,
Als drübenher, fern aus der Jungfernhaide
Die mächt'gen Kugeln mir gesaust um's Haupt,

Die Schiffsgeschosse in dem Gussstahlkleide,
Blitzschwangere Bolzen, die vom Schiessplatz aus
Durch Luft und Wasser kamen, mir zum Leide.

Jetzt hatt' ich Krupp zum Nachbarn, der, o Graus!
Thor und Vulkan, mir den erhitzten Hammer
Vernichtend schmetterte auf Flur und Haus.
      * * *
Seitdem floss viel des Wassers hin zum Meere.4)

Ging es 1874 noch um eine Entschädigung für die durch das Militär verursachten Schäden, so spitzte sich die Situation am Anfang der achtziger Jahre dramatisch zu. Am 15. Dezember 1880 schrieb Carl Bolle unter anderem an einen Freund:

Werther Freund,
Das Jahr geht traurig, in Angst u. Nöthen, für mich zu Ende ... Beifolgend die Abschrift des mir zugemutheten Servituten (Servitut = Nutzungsrecht, d. V.). Vielleicht zeigen Sie dieselben mal Hrn. Regierungsrath Haertel oder sonst einem Juristen.
     Mir sagte neulich ein Rechtsanwalt ein hübsches Wort:

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Fiscus non erubescit, – der wird nicht roth.
     N.N. darf auf dem Terrain x keine Gebäude oder sonstige zur Aufnahme von Menschen u. Vieh geeignete Anlage errichten, ist auch gehalten, die jetzt bereits vorhandenen Gebäude während der Schießzeit, die, ausnahmsweise Fälle vorbehaltend, vom 15 Mai bis 15 Septb. jedes Jahres u. in dieser Zeit durchschnittlich 10 Stunden bei Tage u. 1 – 3mal (in der Woche) 5 Stunden in der Nacht dauert, von Menschen u. Vieh zu räumen.
     Während derselben Schießzeit darf das Terrain weder von N.N. noch von dessen Leuten oder Viehstande betreten resp. benutzt werden. Desgleichen hat N.N. während der qualit. Schießzeit das Einfallen von Geschossen u. deren Explosion auf dem Terrain zu dulden, sowie das Absuchen desselben nach liegengebliebenen Geschossen durch Militairpersonen zu gestatten.
     Vorstehende Verpflichtungen lasten auf dem verpflichteten Grundstück, gehen mit demselben auf den Besitznachfolger über u. werden in das Grundbuch eingetragen. N.N. verpflichtet sich, dieser Eintragung das Vorzugsrecht, vor den bereits eingetragenen Hypotheken- und Grundschulden zu verschaffen. – Für diese Beschränkungen in der Benutzung des Terrains erhält N.N. eine einmalige Entschädigung von . . . . . . welche sofort nach Berichtigung des Grundbuches bezahlt wird.
     Sollte der Artillerie- Schießplatz eingehen oder aus sonstigen Gründen die Beschränkung der Benutzung des Terrains aufhören, so ha-
ben N.N. oder dessen Besitznachfolger die Hälfte der Entschädigung mit ---- Mark der Militair- Verwaltung zurückzuzahlen.
     Für diese Verpflichtung haftet das Terrain xx u. ist dieselbe im Grundbuch einzutragen. N.N. verpflichtet sich dieser Eintragung das Vorzugsrecht vor den bereits eingetragenen Hypotheken und Grundschulden zu verschaffen.
     Beschädigungen an Gebäuden, welche jetzt auf dem Terrain x bereits vorhanden sind, werden dem N.N. oder dessen Besitznachfolger in jedem einzelnen Falle auf Grund sachverständiger Schätzung besonders vergütet.
     Dagegen ist die Vergütung für sonstige Beschädigungen durch Geschosse, so wie die Vergütung für die jährliche Unterbrechung der Bewirthschaftung des verpflichteten bereits enthalten und findet daher insbesonders auch eine jährliche Entschädigung für Wirthschaftserschwerniss nicht statt.
     Kriegsministerium
     Militair- Ökonomie- Departement

So etwas wagt man einem Bürger der deutschen Reiches vorzuschlagen.5)

Es ging dem Militär um diese Zeit bereits nicht nur darum, eine günstige Regelung für versehentlich außerhalb des Schießplatzes einschlagende Granaten zu finden. Da der Schießplatz für die modernen Waffen zu klein war, plante das Militär die Erweiterung des Geländes, und das von Carl Bolle zitierte Schreiben war offensichtlich nur ein

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oder Schließung von Artillerieschießplätzen auf der Tagesordnung. Der Abgeordnete von Köller führte aus:
     Infolge der Einführung des gezogenen Geschützes und der mit diesem gemachten erhöhten Schießübungsversuchen hat sich auf fast sämmtlichen Artillerieschießplätzen darin ein Uebelstand herausgestellt, daß die Geschosse dieser gezogenen Geschütze über die Grenzen des Schießplatzes fortfliegen, daß Häuser haben verlassen und Wege gesperrt werden müssen, kurz, daß in der ganzen Nachbarschaft der Schießplätze der Verkehr mehr oder weniger gefährdet und gestört worden ist. Die Entschädigungen, welche seitens der Kriegsverwaltung infolge der Schießübungen habe gezahlt werden müssen, und die durch die Geschosse angerichteten Schäden sind von Jahr zu Jahr ge-
Bolles Haus wachsen. Während im Jahre 1877 die Gesammtentschädigung in der Nähe der Artillerieschießplätze die Summe von 93 179 Mark betrug, sind dieselben im Jahre 1881 auf 155 802 Mark gestiegen. Weiter haben die Klagen der Adjazenten (Anwohner, d. V.) der Schießplätze von Jahr zu Jahr erheblich zugenommen; man ist sogar dazu geschritten, im Wege Rechtens gegen die Militärverwaltung vorzugehen und durch richterliches Urtheil der Militärverwaltung diese gefähr-
Schritt zu diesem Ziel. Es ging auch nicht mehr nur um Scharfenberg, sondern um größere Flächen im und am Tegeler See, um Saatwinkel, Blumeshof, die Bauernhaide, einen Teil des Geländes des damaligen Wasserwerks und Baumwerder.
     Die Entscheidung brachte das Jahr 1883. Im Reichstag stand am 29. Januar die Entscheidung über die Erweiterung, Neuanlage
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Das »Bolle-Haus«, 1883/84 auf Scharfenberg errichtet und 1959 abgerissen
lichen Schießübungen verbieten zu lassen ...
     Man hat nun seitens der Militärverwaltung versucht, mit den Adjazenten Verträge zu machen, nach welchen sie die Servitute auf ihre Grundstücke nehmen sollten, daß sie sich während gewisser Monate im Jahr derartige Schießübungen auf den Schießplätzen gefallen lassen sollten. Diese Verhandlungen haben zu erfreulichen Resultaten nicht geführt.6)

     Da die Militärverwaltung mit ihren Angeboten bei den Betroffenen auf Ablehnung stieß, wollte sie nun die jeweiligen Flächen erwerben. Vor allem der Vorschlag, den Schießplatz Tegel zu erweitern, stieß bei
vielen Abgeordneten auf Widerstand. Die Kosten des Ankaufs der Flächen wurden genannt, die Bedeutung des Wasserwerks für die Versorgung Berlins betont. Besonders der Abgeordnete Otto Hermes, Direktor des Berliner Aquariums, setzte sich dafür ein, die geplante Erweiterung des Schießplatzes Tegel nicht zu bewilligen. Der Abgeordnete Prinz zu Carolath ging besonders auf Scharfenberg ein:
     Meine Herren, abgesehen von den schweren Schädigungen öffentlicher Interessen, die hier jetzt zur Sprache gebracht worden sind, und die mir für meine Person die Annahme dieser
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   36   Probleme/Projekte/Prozesse Granaten auf Scharfenberg  Vorige SeiteNächste Seite
Position unmöglich machen, möchte ich mir erlauben, noch besonders auf das ebenfalls schwer geschädigte Interesse der Besitzer der beiden Inseln hinzuweisen. Die eine Insel, Scharfenberg, ist ein dendrologischer Garten, der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus sich allgemeiner Theilnahme und Bewunderung erfreut. Namentlich vom gärtnerischen Standpunkte aus möchte ich der Erhaltung dieser dendrologischen Anlage hiermit warm das Wort reden. Es ist ein tief und lange empfundenes Bedürfnis in Preußen, einen dendrologischen Garten in der Nähe der Hauptstadt Berlin anzulegen. Der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten hat, so viel ich weiß, mit dem Magistrat der Stadt Berlin seit langer Zeit darüber Verhandlungen gepflogen, die indessen wegen Mangels disponibler Mittel zu keinem Abschluß gelangt sind. Nun, meine Herren, wollen Sie, bevor dieser dendrologische Garten eingerichtet ist, auf den alle gärtnerischen Kreise mit Ungeduld warten, wollen sie den einzigen dendrologischen Garten zerstören, der augenblicklich vor den Thoren Berlins sich befindet, und der den gärtnerischen Kreisen es möglich macht, sich zu informiren?
     Dieser dendrologische Garten auf der Insel Scharfenberg vereinigt in der seltensten Weise die Pflanzen und Gewächse fremder Zonen und Länder. Ich meine, daß wir ein ganz besonderes Interesse daran haben, diesen Garten zu erhalten, wo wir nicht in der Lage sind, unserer Jugend und unseren gärtnerischen
Kreisen einen anderen Garten in der nähe Berlins oder überhaupt in Deutschland zugänglich zu machen. Ich meine, abgesehen von dem allgemeinen Interesse, das es für uns hat, diese Insel Scharfenberg und diesen dendrologischen Garten nach wie vor zu erhalten, der durch die Liberalität des Besitzers schon jetzt dem Publikum vollkommen zugänglich gemacht ist, abgesehen davon ist es eine schwere Schädigung für den Besitzer, der seit längerer Zeit mit vielem Fleiß und vieler Mühe und Liebe diese fremden Pflanzen und Bäume in diesen Boden gesetzt und gepflegt hat.
     Ich wende mich an alle diejenigen, die ein Interesse haben für die Baumkultur und für die Einführung fremder Gehölze in Deutschland. Meine Herren, es ist sehr schwer und verlangt viel Mühe und Noth, ehe eine solche Pflanze groß geworden ist, und hier haben Sie diese Pflanzen in der seltensten Schönheit, die alle bisher in unserer Nähe gezeigten bei weitem übertreffen. Sie haben hier Pflanzen und Bäume, die Sie der Jugend und den gärtnerischen Kreisen in unserem Vaterlande anderswo nicht zeigen können; und diesem Manne, der mit Lust, Liebe und Mühe diese Pflanzen und Bäume gehegt und gepflegt hat, wollen Sie sein Eigenthum zerstören! Ich glaube, das kann und wird nicht die Absicht des deutschen Reichstags sein.7)

     Nach längerer Diskussion beschließt der Reichstag:
     Zur Erweiterung der Artillerieschießplätze
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in Jüterbog und Wesel mit Einschluß für die Baulichkeiten, zur Erweiterung des Uebungswerks und Einebnung des Havelberges in Griesheim, zu Wegeverlegungen in Lockstedt, sowie zur Erwerbung und Einrichtung von neuen Artillerieschießplätzen in Hammerstein und Gruppe, erste Rate 3 581 832 Mark.8)
     Damit ist die geplante Erweiterung des Schießplatzes Tegel abgeschmettert. Zugleich dürfen dort keine weitreichenden Geschütze mehr verwendet werden. Die Gefahr für Scharfenberg ist nach langer Auseinandersetzung endlich beseitig. Der inzwischen 62jährige Carl Bolle faßt sofort neue Pläne und jubelt:

Hausbau auf Scharfenberg

1883

Ich bau ein Haus – und morgen wird gerichtet –
Am Inselbord, aus Steinen fest geschichtet,
Wohl tiefer sich versteckend zwischen Grün,
Als sonst es Brauch und Sitte in Berlin;

Ob wohl der Bau die kurze Frist noch lohnet?
Dem Spielnest gleicht er, das ein kleiner König
Gefiedert flicht sich zwischen Zaun und Hecken.9)

Auch heute noch gibt es auf Scharfenberg einige tiefere Gruben, deren Entstehen vermutlich auf Granateneinschlag vom Tegeler Schießplatz zurückzuführen ist.

Quellen:
1     L. Alfieri, Die Insel Scharfenberg. In: Der Bär Jg. 7, 1881, S. 121–123
2     Julius Bierbaum, Scharfenberg. In: Brandenburgia Jg. 3, 1994/95, S. 208–209
3     Handschriftenarchiv der Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Slg. Darmstätter
4     In: L. H. Fischer, Aus der märkischen Heimat. Natur- und Landschaftsbilder in Gedichten. Berlin, 1902, S. 92–94
5     Handschriftenarchiv der Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Slg. Darmstätter
6     In: 41. Sitzung am 29. Januar 1883. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages. V. Legislaturperiode II: Session 1882/83, 2. Bd., 1134–1145
7     Ebenda
8     Ebenda
9     In: L. H. Fischer, a. a. O., S. 92

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