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Hainer Weißpflug
Nestor des deutschen Naturschutzes

Der Schriftsteller und Naturschützer Franz Moewes (1856–1937)

Anläßlich des achtzigsten Geburtstages von Franz Moewes schrieb der langjährige Direktor der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen, Walter Schönichen (1876–1956; BM 7/95): »Als der Hüter aller guten Tradition der Staatlichen Stelle, als der getreue Eckart der preußischen Naturdenkmalpflege hat er sich um deren weitere Entwicklung ein unauslöschliches Verdienst erworben.« Andere Zeitgenossen bezeichneten ihn als Nestor des deutschen Naturschutzes und lobten die Breite seiner wissenschaftlichen und Allgemeinbildung, seine Akribie, seine Zuverlässigkeit und Treue zur Sache.
     Seine besondere Liebe galt den stillen Straßen des alten Berlin, dem Krögel, dem Haus mit dem Nußbaum im Fischerkiez und den alten Friedhöfen. Hier besuchte Moewes regelmäßig die Grabstätten jener Naturforscher und Künstler, denen er sich verbunden fühlte und deren Werke ihm vertraut waren: so die des Naturforschers Peter Simon Pallas (1744–1811), des Botanikers

Christian Friedrich August Garcke (1819–1904), Adelbert von Chamissos (1781–1838), Naturforscher Weltumsegler und Dichter, ebenso die Gräber von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) und Georg Adolf Theodor Glaßbrenner (1810–1879) und die Grabstätten von Schauspielern und Opernsängern, die er als begeisterter Verehrer ihrer Kunst teils selbst noch erlebt hatte, Adalbert Matkowski (1857–1909), Marie Seebach (1829–1897) und des Wagnersängers Niemann. Besonders vertraut war er mit Shakespeares Werk. Moewes konnte noch im hohen Alter lange Passagen aus Shakespeares Dramen rezitieren.
     Franz Moewes wurde am 9. November 1856 in Berlin geboren. Er besuchte das Friedrich-Wilhelm-Realgymnasium in der Kochstraße und legte dort 1875 die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte er an der Berliner Universität Naturwissenschaften, hauptsächlich Biologie. 1881 bestand er die Staatsprüfung und erlangte die Lehrbefähigung für höhere Schulen. Schon 1883 promovierte er mit einer Arbeit »Über Bastarde von Mentha arvensis und M. aquatica und die sexuellen Eigenschaften hybrider und gynodiöcischer Pflanzen«. Allerdings trat er nicht in das öffentliche Schulwesen ein, sondern erteilte Privatunterricht in einem ausgesuchten Kreis. Nur in den Jahren des Ersten Weltkrieges war er vorübergehend im höheren Schuldienst tätig.
     Neben seiner Betätigung als Privatlehrer
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widmete er sich der Schriftstellerei. Hier lag sein Haupttätigkeitsfeld. Von 1886 bis 1921 gehörte er zu den aktivsten Autoren für die vom Verlag F. Vieweg in Braunschweig herausgegebene »Naturwissenschaftliche Rundschau«, zeitweise übernahm er die Schriftleitung des biologischen Teils dieser Zeitschrift. Daneben verfaßte er Beiträge für den »Globus«, den »Naturforscher« und die »Tägliche Rundschau«. In dieser Zeit entstanden auch zwei biographische Studien: eine über den französischen Naturforscher und Arzt Philibert Commerson (1727–1773) und eine über die englische Schriftstellerin Charlotte Brontë, auch als Currer Bell bekannt (1816–1855). Beide Studien stellten Moewes Beherrschung der französischen und der englischen Sprache sowie der Methodik der philologischen Forschung unter Beweis. Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte beauftragte ihn mit der Herausgabe einer bibliographischen Übersicht der deutschen Altertumsforschung, die von 1890 bis 1903 erschien.
     Im Jahr 1914 kam Moewes, der sich bereits mit Fragen des Naturschutzes beschäftigt hatte, zur Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege Preußens in Berlin, die 1906 gebildet worden war. Die wissenschaftlichen Hilfskräfte der Einrichtung waren zum Kriegsdienst eingezogen worden, und der Geheimrat Hugo Conwentz (1855–1922; BM 2/92) berief Franz Moewes als Mitarbeiter.
Franz Moewes
Er erwies sich bald als »der rechte Mann am rechten Platze«, wie Schönichen schrieb. Für alle Verwaltungsaufgaben der Staatlichen Stelle, für die Redaktion der Veröffentlichungen sowie den Aufbau einer Bibliographie der Naturdenkmalpflege engagierte er sich. Die Bibliographie umfaßte weit mehr als 55000 Belege (sie wurden 1944, als das Dienstgebäude durch Bomben zu 60 Prozent zerstört wurde, vernichtet).
     Franz Moewes übernahm 1923 die Schriftleitung des »Nachrichtenblattes für Naturdenkmalpflege« und 1925 der Zeitschrift »Naturschutz«. Er redigierte die ab 1923 erscheinende Zeitschrift »Beiträge zur Naturdenkmalpflege«. In diesen Jahren erarbeitete er einige größere eigenständige Schrif-
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ten, u. a. die »Monographie der Mistel« 1918 und eine Abhandlung »Zur Geschichte der Naturdenkmalpflege« 1926. Letztere ist wohl eine der ersten umfangreicheren Arbeiten über die Geschichte des Naturschutzes. Moewes schrieb: »Die Geschichte der Naturdenkmalpflege umfaßt nur eine kurze Spanne Zeit, etwa ein Vierteljahrhundert. Aber sie hat eine Vorgeschichte, deren lebende Zeugen die alten geschonten Bäume vieler Länder und selbst der Naturvölker Afrikas sind . . . « Im folgenden spannt er dann den Bogen von ersten Baumschutzregeln im frühen Mittelalter, Holzordnungen und Vogelschutzverordnungen im 16. und 17. Jahrhundert, über die Entwicklung der Vogelschutzvereine ab 1870 zu den Anfängen der Naturschutzbewegung mit Ernst Rudorff (1840–1916; BM 1/94) und der Staatlichen Naturdenkmalpflege unter Hugo Conwentz und Wilhelm Wetekamp (1859–1945; BM 2/93). Darüber hinaus schrieb er zahlreiche Beiträge und Aufsätze zur Propagierung des Naturschutzgedankens, u. a.: »Neue Literatur über Naturdenkmalpflege und Naturschutz« 1914, »Naturschutzgebiete in Neuseeland« 1914, »Naturdenkmalpflege an den Schulen« 1915, »Schulbuch und Vogelschutz« 1915, »Das Einsammeln wilder Heilpflanzen und der Naturschutz« 1917 und »Der Wert der Erhaltung lebender Moore« 1920. Weite Verbreitung fand seine »Bitte an unsere Jugend«, eine kurze Schrift zur Verbreitung des Naturschutzgedankens, die als Flugblatt zu Hunderttausenden in den Schulen ganz Deutschlands verteilt wurde.
     Als 1922 Hugo Conwentz starb, leitete Franz Moewes ein halbes Jahr die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege, bis Walter Schönichen als Leiter berufen wurde. Moewes war für diese Arbeit vermutlich schon zu alt. Aber er blieb auch danach auf seinem ursprünglichen Posten und arbeitete bis zu seiner Verabschiedung im Jahre 1935 für die Staatliche Stelle. Franz Moewes gehörte dem Volksbund Naturschutz seit seiner Gründung an und wurde anläßlich seines 70. Geburtstages zum Ehrenmitglied ernannt. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen war er auf Vorschlag von Hugo Conwentz vom Preußischen Kultusminister 1918 zum Professor ernannt worden. Moewes erhielt das goldene Doktordiplom; er erlebte den Neudruck seines Doktordiploms durch die Philosophische Fakultät der Berliner Universität, die aus diesem Anlaß in ihrem Glückwunschschreiben seine wissenschaftlichen Verdienste würdigte. 1937 verstarb er im Alter von 82 Jahren und wurde auf dem Jerusalems- und Neuen Friedhof in Neukölln beigesetzt.

Bildquelle: Archiv Autor

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