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Harry Nehls
»Heitere Kinder des Augenblickes«

Ein Soldat und dilettierender Zeichenkünstler

Franz Xaver Eugen Karl von Garnier, das drittälteste Kind des Karl Friedrich Theodor von Garnier (1811–1894) und seiner Frau Emilie (1814–1904), wurde am 28. April 1842 im schlesischen Nieder-Rosen geboren. Über seine vier Geschwister, Anna (1838–1908), Emil (1840–1847), Eugen (1845–1903) und Maria (1850–1919), ist nichts näheres bekannt. Die Familie Garnier stammt aus Savoyen und läßt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.1)
     Mit 17 Jahren, am 1. Juli 1859, trat Franz Xaver von Garnier in die preußische Armee, in das 8. Infanterieregiment, ein. Am 23.März 1860 wurde er zum Fähnrich und am 22. Januar 1861 zum Leutnant befördert. Er war Teilnehmer der Feldzüge gegen Österreich (1866) und Frankreich (1870/71). Nachdem er schon 1867 zum Oberleutnant und 1871 zum Hauptmann befördert worden war, erfolgte im Dezember 1882 seine Ernennung zum Major. 1889 wurde er Oberstleutnant. 1891 Oberst und 1895 Generalmajor. 1897 nahm er seinen Abschied. Späterhin

Franz Xaver v. Garnier,
Atelierphotographie, 1889

war ihm noch der Charakter (Verleihung des Rangs ohne die entsprechenden Bezüge) als Generalleutnant verliehen worden.2)
     Am 14. Juli 1877 heiratete der damalige königlich preußische Hauptmann die bildschöne und sehr lebenslustige Gertrud Baath, die Tochter des Oberamtmanns Eduard Baath
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und seiner Frau Anna, geborene von Gansauge. Aus dieser Ehe ging ein bemerkenswerter Sohn hervor, der spätere Kunstmaler Hans Egon von Garnier (1894–1948). 1910 siedelte die Familie von Frankfurt an der Oder nach Berlin-Grunewald über, wo sie die westliche Hälfte der noch heute existierenden Doppelvilla in der Humboldtstraße 38 bezog. In dieser Villa starb Franz Xaver von Garnier am 14. März 1916. Nach der Trauerfeier, die drei Tage später in der Grunewald-Villa stattfand, »wurde der kostbare Eichensarg, den der Generalshelm und viele Kränze schmückten, auf einem vierspännigen Leichenwagen nach dem Schlesischen Bahnhof übergeführt, um mit der Eisenbahn nach Eckersdorf in Schlesien, der Besitzung des Verstorbenen, gebracht zu werden, wo am Sonntag die Beisetzung erfolgt«.3)
     Als bewährter Offizier und Kriegsteilnehmer, aber auch als Musik- und Zeichentalent war Franz Xaver von Garnier ein gerngesehener Gast der berühmtberüchtigten Tafelrunde im Jagdschloß von Dreilinden, die auch Fontane so lebensvoll erlebte und schilderte. Hier verkündete der mit Garnier befreundete Friedrich Karl Prinz von Preußen (1828–1885) im Dezember 1882, daß er eine Reise in den Orient (Ägypten, Sinai-Halbinsel, Palästina, Syrien, Griechenland, Italien) unternehmen wolle. An dieser Orientreise sollten ein Zivilist und drei Militärs teilnehmen: der Ägyptologe Heinrich Brugsch-Pascha (BM 6 und 9/98), Oberst
Gertrud v. Garnier,
Atelierphotographie, 1889

Gneomar von Natzmer, Kommandeur des 28. Infanterieregiments zu Koblenz, Hauptmann Georg von Kalckstein, persönlicher Adjutant des Prinzen, und Franz Xaver von Garnier, damals Major im Infanterie-Regiment Nr.8 (Leibgrenadiere) in Frankfurt an der Oder.
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Vignette aus der Reisepublikation
Wer sich mit dieser Reise, die vom 27. Dezember 1882 bis zum 11.März 1883 dauerte, näher beschäftigt, wird immer wieder auf den Namen Garnier aufmerksam. Denn von ihm stammen die 68 Illustrationen, die das über 240 Seiten zählende, 1885 in Frankfurt an der Oder erschienene großformatige Prachtwerk »Prinz Friedrich Karl im Morgenlande« schmücken. Der Verfasser des Buches war Heinrich Brugsch. Zu den Garnierschen Zeichnungen bemerkt er im Vorwort:
     Ein treuer Freund und Reisegefährte, Major von Garnier, ging freudig auf die Bitte ein, aus seinen Mappen die Blumen in das Wortlaub
zu streuen. Kein Meister von Beruf und als Kriegsmann der ungetheilten Pflege der schönsten aller Künste entzogen, hat seine unbegrenzte Liebe zu ihr nur die Mussestunden ihrem friedlichen Dienste weihen können, um das Schwert mit dem Griffel zu vertauschen und der Natur die Farbendichtung abzulauschen. Die Bilder, welche als der werthvollste Schmuck des Werkes gelten dürfen, sind heitere Kinder des Augenblickes und der unmittelbarsten Anschauung während eines flüchtigen, unstäten Reiselebens. Häufig im Sattel entstanden, geben sie die ernsten und fröhlichen Eindrücke der Wandernden ohne die Vorbereitung skizzierender Studien in ihren Umrissen
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Garniers Titelblattzeichnung für »Prinz Friedrich Karl im Morgenlande«

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wieder. Wie sie dem Schriftsteller selbst durch die Wahrheitsfrische der Auffassung die Erinnerung an das Erlebte in ungeschminkter Treue zurückrufen, so werden sie dem Kenner des Orients den gleichen Genuss nicht versagen und dem Nichtkenner wie eine neue Quelle der Sehnsucht nach dem wunderreichen Morgenlande und seinen wunderlichen Bewohnern in munterer Fülle sprudeln.
     Ein vergleichbares Urteil über den dilettierenden Zeichenkünstler lieferte Prinz Friedrich Karl in einem Brief vom 15.Januar 1883, geschrieben auf dem Nil zwischen Siut und Keneh:
     Ein Matrose sieht dem Rittmeister Dido von Krosigk der 91. Ulanen täuschend ähnlich, aber natürlich in Schwarz, einer etwas dem Egon Ratibor (Egon Prinz v. Ratibor, Major und Flügeladjutant des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha, d. V.), den ersteren wird Garnier zeichnen, wie er denn schon eine Menge kleiner Gruppen und Dinge aufs Papier gebracht hat, die, wenn auch keinen großen künstlerischen, doch einen hohen Wert als liebe Reiseerinnerungen haben werden.4)
     In der Tat gehört Franz Xaver von Garnier nicht zu den großen Zeichenkünstlern wie beispielsweise die Brüder Ernst (1818–1882) und Max Weidenbach (um 1823–1892), die Karl Richard Lepsius als akademisch geschulte Expeditionszeichner von 1842 bis 1845 nach Ägypten begleitet hatten. Als ein solcher hat sich Garnier denn auch nie verstanden. Er war ein zeichnerisch talentierter
Reisebegleiter eines begüterten Prinzen und Weltenbummlers, der sich seiner als Sehhilfe für pittoreske Anblicke bediente.5) Obwohl etliche der Garnierschen Zeichnungen durchaus dokumentarisch- archäologiegeschichtlichen Wert besitzen, bleiben sie primär – wie Brugsch es so trefflich formulierte – »heitere Kinder des Augenblickes«. Und genau das macht auch heute noch ihren Charme aus.

Quellen und Anmerkungen:
1     Vgl. Genealogisches Handbuch des Adels. Adlige Häuser B. Bd. 7, Limburg 1965, S. 75. Für die großzügige Unterstützung mit Bild- und Schriftmaterial danke ich den Herren Ingo und Rolf-Erdmann von Garnier
2     Sämtliche Angaben basieren auf einem Artikel in der Berliner »Kreuz-Zeitung« vom 30. 6. 1909
3     Zitiert nach einem Berliner Zeitungsartikel vom 18. 3. 1916
4     Zitiert nach Helmut Luther, Friedrich Karl von Preußen. Berlin 1995, S. 222
5     Vgl. Michael Freitag, Expeditionszeichnungen der Kunst und Wissenschaft, in: Karl Richard Lepsius (1810–1884), hrsg. von Elke Freier u. a. Berlin 1988, S. 167 ff.

Bildquellen
Familienarchiv von Garnier, Aufnahmen des Verfassers; Heinrich Brugsch, Prinz Friedrich Karl im Morgenlande. Frankfurt/Oder 1885, Titelblatt und Abb. auf S. 240

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