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zwischen totalitärem Willen« auf. Ernst
Reuter, der als der von der Stadtverordnetenversammlung im Juni 1947 zum
Oberbürgermeister Gewählte die Kundgebung
eröffnet hatte, beschloß sie auch mit einer
kurzen Rede. Unter Bezugnahme auf die Prager Februar-Ereignisse2) rief er emphatisch aus: »Wir haben erkannt, worum hier in Berlin gekämpft wird. Bang fragt sich die Welt: Was wird kommen? Prag,
Finnland? Wer kommt dann dran? Berlin wird nicht dran kommen. An unserem eisernen
Willen wird sich die Flut brechen. Und darum wird auch die Welt wissen, daß sie uns nicht
im Stich lassen darf, und sie wird uns nicht im Stich
lassen!«3)
Damit war der Ton angeschlagen, mit dem Ernst Reuter in Erwartung der bevorstehenden Ost-West-Konfrontation die Berliner Bevölkerung auf einen Widerstand gegen östliche Bedrohungen einstimmen wollte. Und er nutzte jede Gelegenheit, um diese Gedanken in die Herzen und Hirne der Menschen zu hämmern. »Eine Demonstration für die Freiheit« überschrieb er seinen Mai-Artikel für die Berliner Ausgabe der »Neuen Zeitung«. Daß am 1. Mai 1948 zum erstenmal nach dem Kriege zwei getrennte Veranstaltungen die UGO und die drei demokratischen Parteien hielten ihre Kundgebung vor dem Reichstag und der FDGB und die SED die ihrige im Lustgarten ab stattfanden, war für ihn »kein Sonderfall, das ist vielmehr an all den Schnittpunkten zweier | ||||||
Gerhard Keiderling
»Außenminister des freien Berlin« Ernst Reuter auf Massenkundgebungen im Jahre 1948 Zu den eindrucksvollsten Zeitdokumenten, die während des 50. Jahrestages der
Luftbrücke in den Medien zu sehen waren, gehörte der Filmbericht von der
Massenkundgebung am 9. September 1948. Auf der riesigen Fläche zwischen
ausgebranntem Reichstag und Kroll-Oper drängten
sich dicht die Menschen. Gegen 17 Uhr begann die Veranstaltung, die als »gewaltigste
Protestkundgebung der Nachkriegszeit« gewertet
wurde.1)
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Kundgebung am 9. September 1948 vor dem ausgebrannten Reichstag | |||||
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Welten offensichtlich unvermeidlich
geworden«. Schließlich: »Berlin ist einer der
Punkte geworden, an dem der Kampf um die wirkliche Gesundung des deutschen
Volkes mit der größten Hartnäckigkeit geführt werden kann und geführt werden
muß.«4)
Als im Juni 1948 die Währungsreform in den drei Westzonen auf der Tagesordnung stand, zögerte Ernst Reuter nicht, aus dieser Entwicklung Schlüsse für die Berliner Politik zu ziehen. Da nach seiner Meinung Deutschland vom Osten her gespalten würde, sollte Berlin notfalls auch nur die drei Westsektoren als ein »Bollwerk der Freiheit« inmitten der Ostzone fortbestehen. Das war nur durch die Präsenz der Westalliierten und eine enge Anbindung Berlins an Westdeutschland zu sichern. Unter der Losung »Wer die Währung hat, hat die Macht!«5) führte Reuter, unterstützt von einer kleinen Gruppe militanter Sozialdemokraten, eine zielbewußte Kampagne, um die maßgeblichen Kräfte bei den Alliierten und in der deutschen Politik und Wirtschaft für seine Auffassung zu gewinnen. Artikel in »Der Sozialdemokrat« und anderen Berliner Zeitungen, Ansprachen im RIAS und vor allem Reden in SPD-Versammlungen und auf öffentlichen Kundgebungen waren seine wichtigsten Sprachrohre. Unter Vernachlässigung von kommunalpolitischen Pflichten als Stadtrat für Verkehr nahm er an vielen Sitzungen des Magistrats nicht teil war er in den Krisenmonaten von 1948 | als »Sprecher des freien Berlins«
unterwegs: bei den Bizonenverwaltungen, auf den Konferenzen der westdeutschen Ministerpräsidenten, im Parlamentarischen Rat
in Bonn und bei alliierten Stellen. Reuter betrachtete sich selbst als »Außenminister
des freien Berlin« und handelte dementsprechend.
An der »inneren Front« war Reuter zur gleichen Zeit unentwegt tätig, um das »Volk von Berlin« mit Freiheitsreden auf die Abwehrschlacht gegen den totalitären Osten einzustimmen und ihm Mut zu machen. Ein Höhepunkt war die SPD-Kundgebung zur Währungsreform auf dem Hertha-Sportplatz am Gesundbrunnen am 24. Juni 1948. Sie stand unter dem Motto: »Unsere Währung Berlin frei, nie kommunistisch!«6) Die etwa 70 000 Menschen forderte Ernst Reuter auf, »mit ganzer Leidenschaft« und »jedes Risiko« auf sich nehmend den Kampf für »ein anständiges, sauberes Leben in Freiheit« zu führen und daher nur das »gute, saubere, echte Geld« der Westzonen anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte Reuter nicht, daß eine 46wöchige Blockade der Westsektoren durch die Sowjetunion bevorstand. Allerdings wußte er, daß in den westlichen Hauptstädten eine Entkrampfung der Berliner Lage durch einen währungspolitischen Kompromiß mit Moskau erwogen wurde. Einen solchen Schritt, der Berlins Schicksal inmitten der sowjetischen Besatzungszone im ungewissen ließe, empfand er als einen | |||||
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Dolchstoß. Darum wandte sich Reuter
im Schlußteil seiner Rede deutlich an die
Westmächte:
»Währung hin, Währung her. Letzten Endes geht es gar nicht um die Währung, sondern um ganz andere Dinge. Berlin kann leben, wenn es zu leben entschlossen ist.«7) An diesem 24. Juni 1948 postulierte Ernst Reuter, der »sich in erster Linie an die Amerikaner« hielt8), unmißverständlich seine Botschaft. Mit der antikommunistischen Kampfbereitschaft der Berliner, vor allem in den Westsektoren, im Rücken, suchte er eine kombattante Phalanx gegenüber dem östlichen Totalitarismus zu formieren. Zum Abschluß der Kundgebung auf dem Hertha-Sportplatz verlas Franz Neumann, Landesvorsitzender der SPD, »Berlins Ruf an die Welt«. Die Weltöffentlichkeit so lautete die Forderung dürfe »keinen weiteren Teil Europas einem Terrorregime preisgeben«.9) Zwei Monate später war das Gespenst einer »Preisgabe Berlins« noch immer nicht gebannt. Obwohl Präsident Truman schon Ende Juni entschieden hatte: »Wir bleiben in Berlin. Punktum«,10) erwog das US-Außenministerium nach wie vor Rückzugspläne. In den Moskauer Währungsverhandlungen vom August hatten sich die Westmächte auf einen Kompromiß eingelassen, wonach die neue Ostzonenwährung unter gemeinsamer Kontrolle in ganz Berlin eingeführt werden sollte. Die Modalitäten sollten die drei Militärgouverneure mit | dem Obersten Chef der SMAD in der
ersten Septemberwoche klären. Reuter und sein Kreis sahen darin eine Gefahr für die
Früchte ihres bisherigen Kampfes. Zwar war ihnen die Unterstützung General Clays gewiß, doch es blieb die bedrückende
Ungewißheit, ob über ihre Köpfe hinweg und
zu ihren Lasten nicht doch eine Einigung mit den Sowjets zustande käme.
Außerdem war der »Kampf um das Rathaus« noch nicht entschieden. Ende August befürchtete man, daß die Kommunisten »auch versuchen würden, die Westsektoren zu überrennen«.11) Die Reuter-Gruppe rechnete am 26. August, als die Stadtverordnetenversammlung erstmals nach ihrer Sommerpause wieder zusammentrat, mit einem Putsch der SED und organisierte innerhalb weniger Stunden eine Gegenkundgebung vorm Reichstag. Über RIAS und die Betriebe alarmiert, kamen etwa 50 000 Menschen zusammen. Reuter, als Sprecher nicht vorgesehen, jedoch von der Menge ans Rednerpult gerufen, versicherte: »Wir werden den Wall bilden, an dem sich die Flut brechen wird ... Wir wissen: Die Welt wird uns, die Welt kann uns nicht im Stich lassen.«12) Am 9. September drei Tage nach dem Auszug der drei Parteien aus dem Neuen Stadthaus im sowjetischen Sektor und zwei Tage nach dem Scheitern der alliierten Währungsverhandlungen im Kontrollratsgebäude versammelten sich über 300 000 | ||||
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Berliner vor dem Reichstag. Nach den
Ansprachen der Vertreter der drei Parteien ergriff überraschend Ernst Reuter das
Wort. »Er war kein Zweifel ein Demagoge.
Und im Wissen um die Brillanz seiner Formulierungen nutzte er das auch geschickt aus.«13) Leidenschaftlich ging er mit der Blockadepolitik der Sowjets und deren deutschen Handlangern ins Gericht und versprach: »Wir kommen wieder in den Ostsektor Berlins, wir kommen auch wieder in die Ostzone Deutschlands!« Seine Rede gipfelte in den berühmt gewordenen Sätzen: »Ihr Völker der Welt ...«14) Die zeitgenössische Presse so etwa »Der Tagesspiegel« erwähnte Reuters Rede nur beiläufig. Erst der Reuter-Mythos der späteren Zeit erhob sie »in die Freiheitsgeschichte der Menschheit«.15) Der eigentliche Kern der Rede war jedoch die von Reuter seit März 1948 benutzte Beschwörungsformel, die Westmächte dürften Berlin als Symbol der »freien Welt« niemals aufgeben. Bei deren Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit Berlins spielte der nachdrücklich demonstrierte Wille des »Volkes von Berlin« zweifellos eine Rolle, wenngleich nicht die entscheidende, wie in manchen Geschichtsbüchern zu lesen steht. Für Ernst Reuter boten die großen Protestkundgebungen vor der Reichstagsruine die willkommene Gelegenheit, um sich über alle Parteigrenzen hinweg zum Volkstribun aufzuschwingen. Es waren seine Reden, die ihn populär | machten und ihn nach den
Dezemberwahlen 1948 erneut für das Amt des
Oberbürgermeisters allerdings jetzt nur in
der Weststadt prädestinierten.
Quellen und Anmerkungen:
Bildquelle:
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© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de