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weitere Memorials auf ehemals Ostberliner Gebiet.
     Das 1949 fertiggestellte Treptower Ehrenmal zeigt sich, oberflächlich betrachtet, in gutem Zustand. Doch schaut man genauer hin, so sieht man in den Steinaufbauten, Reliefs, Stufen und Mosaiken gefährliche Risse, die sich durch Wasser und Frostaufbrüche vergrößern. Gehwegplatten wackeln, Erde hat sich da und dort abgesenkt. Ähnlich ist es mit dem Memorial in der Schönholzer Heide bestellt. Hier erhebt sich ein riesiger Obelisk mit der in Bronze gegossenen »Mutter Erde« davor, die ihren toten Sohn bewacht. Da die nötigen Millionen fehlen, könne man nur durch Notmaßnahmen akute Gefahr abwenden, sagt der für Grünflächen zuständige Referatsleiter in der auch für den Denkmalschutz zuständigen Senatsumweltverwaltung, Heinz Wiegand. Man wolle es nicht so weit kommen lassen, daß die Gedenkstätten wegen Gefahr für Leib und Leben geschlossen werden.
     Zur Zeit wird im Treptower Park die Standfestigkeit des Rotarmisten geprüft. Ein hohes Gerüst umschließt die riesige Figur. Die Stufen zum Mausoleum sind schon abgesperrt. Niemand will einen Unfall riskieren. Das Ehrenmal in Treptow war in DDR-Zeiten nach festem Ritual Zielpunkt von Aufmärschen und Gedenkveranstaltungen mit dem SED-Politbüro an der Spitze.
     Heute kommen nur wenige Reisebusse hier-
Hans Hauser
Sorgen mit den russischen Ehrenmalen

Die russischen Ehrenmale in Berlin sind ins Gerede gekommen. Der Bund will die auf rund 30 Millionen Mark geschätzten Sanierungskosten unter Hinweis auf eigene Geldnöte auf das Land abwälzen. Der Senat lehnt ab und verweist auf Vereinbarungen mit der früheren Sowjetunion, nach denen der Bund per Gesetz und durch Vertrag für Schutz und Unterhalt verantwortlich ist. Das Hin- und Hergeschiebe der Zuständigkeiten hilft zu allerletzt den Objekten, etwa dem Ehrenmal in Treptow, wo zur Zeit nur Notreparaturen möglich sind. Laut »Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« stehen diese und andere Anlagen unter staatlichem Schutz. Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden. Der Nachbarschaftsvertrag, 1990 zwischen Deutschland und der Sowjetunion abgeschlossen, legt die Zuständigkeit des Bundes für die Mahnmale fest. In der Hauptstadt sind das neben dem Ehrenmal in Treptow die Gedenkstätten im Tiergarten und in der Schönholzer Heide sowie

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her. Da und dort sieht man zum Gedenken abgelegte Blumensträuße. Spaziergänger und Jogger ziehen ihre Kreise in dem gespenstisch stillen Rund.
     In einem Aufruf von 1946 zur Errichtung des Sowjetischen Ehrenmals in Treptow heißt es, es soll »die Idee der Unsterblichkeit, des lichten Gedenkens an die gefallenen sowjetischen Soldaten und die Größe der internationalen Befreiungsmission der Sowjetarmee« widerspiegeln, in deren Namen die Soldaten ihr Leben hingegeben haben. Mit großem Aufwand entstanden in den Jahren von 1946 bis 1949 Ehrenmal und die großzügige Gartenanlage. 52 Entwürfe waren damals eingereicht worden. Unter Leitung des Architekten Belopolski und des Bildhauers Wutschetitsch erfolgte die Gestaltung auf dem Gelände des 1876 bis 1888 nach Plänen von Gustav Meyer angelegten Volksparks.
     An der Schaffung des Memorials auf einer Fläche von zehn Hektar waren 1 200 meist deutsche Mitarbeiter beteiligt, darunter 200 Steinmetze und 90 Bildhauer sowie zahlreiche Maler, Gartenbauer, Steinsetzer und Glasmaler. Auf einem Granitstein im

Russisches Ehrenmal in Treptow

Eingangsbereich steht in russischer und deutscher Sprache: »Die Heimat wird ihre Helden nicht vergessen«. Von hier hat man den besten Blick auf den riesigen Grabhügel, der von einem Mausoleum mit dem Bronzesoldaten obenauf bekrönt wird. Der 11,60 Meter hohe und 70 Tonnen schwere Rotarmist hält ein Kind im Arm und tritt, das Schwert in der Hand, auf das zerschmetterte Hakenkreuz. Links und rechts säumen Gedenksteine die Wege, auf denen Lorbeer-
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zweige aus hellen Steinen sich vom dunkelroten Untergrund abheben.
     Die Stelen erinnern an den Überlebenskampf der Sowjetunion nach dem deutschen Überfall von 1941. Unter den Türmen des Kreml geben alte Leute ihren Besitz zur Finanzierung des Krieges her. Zivilisten arbeiten in Rüstungsfabriken, Soldaten stürmen zum Angriff, vernichten im Häuserkampf den Gegner. Zahllose Verwundete und Tote bedecken die meterhohen Steine. Dann, zum Hügel hin, glückliche Heimkehr, Ehrungen und Paraden.
     Der Besucher liest mit Verwunderung den Namen des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Seine »goldenen« Worte über die Sieghaftigkeit der »in unserem Land verankerten Ideologie der Gleichberechtigung aller Rassen und Nationen«, Aufrufe für Opfermut und Vaterlandstreue, Hinweise auf große Kriegstraditionen des russischen Volkes von Alexander Newski bis Kutusow und Lenin werden auf der gegenüberliegenden Seite in deutscher Sprache wiedergegeben. Erkenntnisse über den Massenterror unter dem Diktator haben den goldglänzenden Lettern nichts anhaben können. Es ist, als sei in dem Ehrenhain die Zeit stehengeblieben. Nichts ist in all den Jahren verändert worden. Diese Last bombastischer Stalin-Kunst, wie sie sich in riesigen Bronzefiguren und Obelisken, Pyramiden und Pylonen, Grabhügeln, Mausoleen und Mosaiken, Sternen und Lorbeerzweigen manife
stiert, will das Bundesinnenministerium in Bonn nun mit dem Hinweis loswerden, daß Denkmalschutz Ländersache ist.
     Da auf dem Gebiet der früheren DDR etwa 600 Friedhöfe und Ehrenmale betroffen sind, käme auf die östlichen Bundesländer einiges zu, sollte der Bund seinen Standpunkt durchsetzen. Wenn Berlin sich um die unter Schutz gestellten Ehrenmale kümmert und in »kleineren Fällen« wie dem pyramidenförmigen Ehrenmal im Bucher Schloßpark auch die Kosten von 60 000 DM für Sanierung und Neuaufbau übernimmt, dürfe das nicht als Anerkennung irgendwelcher Verbindlichkeiten der Landesregierung mißverstanden werden, heißt es in der Umweltverwaltung.
     Der Bund sei und bleibe in der Pflicht, ob ihm die Denkmäler gefallen oder nicht.
     Am besten erhalten ist das Erinnerungsmal im Tiergarten, nicht weit vom Reichstagsgebäude entfernt. Auch hier hatten Wind und Wetter ihr zerstörerisches Werk getan. Bei der Bronzefigur des Rotarmisten zeigte sich bedenkliche Instabilität, die 1995 durch neue Verankerungen im Rahmen der Generalsanierung behoben wurde. Die Arbeiten kosteten zwei Millionen Mark und wurden vom Bund bezahlt. Nicht anders sollte es bei den anderen Objekten sein, hoffen Berliner Denkmalschützer.

Bildquelle:
Archiv LBV

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