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Herbert Mayer Gestapoagent oder englischer Spion? Im Münchener Bürgerbräukeller hielt Hitler
am 8.November 1939 wie alljährlich die übliche
Rede zum Jahrestag des Putsches von 1923. Dieses
Mal jedoch sprach er wesentlich kürzer als in den
Jahren zuvor und verließ mit anderen NS-Größen
kurz nach 21 Uhr den Saal, um nach Berlin
zurückzufahren. Nur wenige Minuten später, um 21.20 Uhr,
erschütterte eine Detonation den Saal, die
Decke stürzte herab, die Säule hinter Hitlers Redepult
war zerstört, das Pult nur noch Schutt. Acht Tote
und etwa 60 Verletzte waren die Folge der
Explosion. Die Ursache: ein »hochbrisanter Stoff in
Verbindung mit einem Zeitzünder«. Eine
Sonderkommission (»Zentralkommission Anschlag
München«) unter Leitung des Gestapochefs Heydrich begann eine
fieberhafte Suche nach dem Attentäter, eine hohe
Belohnung wurde ausgesetzt.
| händler, heiratete Georgs Mutter Maria erst ein
Jahr später, als die Familie nach Königsbronn
umzog. Dort schloß Georg Elser nach acht Jahren die
Volksschule ab und begann 1917 eine Lehre als
Eisendreher. Gesundheitlich nicht der Stabilste, mußte
er sie 1919 abbrechen und wurde Tischler. Seine
Gesellenprüfung legte Elser im Frühjahr 1922 als
Bester in der Gewerbeschule Heidenheim ab. Seit 1923
im süddeutschen Raum auf Wanderschaft, kehrte
er 1932 nach Königsbronn zurück, um den Eltern
zu helfen und eine eigene kleine Schreinerei zu
eröffnen. Haupterwerb blieb die Tischlerei, ab 1935
übernahm er zusätzlich Gelegenheitsarbeiten, um
den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern.
Trotz seiner Mitgliedschaft im Holzarbeiterverband und im Roten Frontkämpferbund (RFB) blieb er auch politisch ein Einzelgänger. Die NSDAP lehnte er prinzipiell, ja radikal ab, ihre Machtübernahme sollte mit allen Mitteln verhindert werden. Elser weigerte sich, mit »Heil Hitler« zu grüßen, nahm auch nicht an Nazi-Kundgebungen oder dem gemeinschaftlichen Empfang der Hitlerreden im Radio teil. Im Herbst 1938 schien ihm klar, daß mit Hitler ein Krieg unvermeidlich war. Er entschloß sich deshalb, die »Führung« zu beseitigen. Da er wußte, daß Hitlers Auftritt im Bürgerbräukeller anläßlich des Putsches von 1923 zum alljährlichen Ritual geworden war, wählte Elser das Lokal als Ort des Attentats. Nachdem er 1938 Hitlers Rede einschließlich der gesamten Zeremonie im Münchener Bürgerbräukeller miterlebt hatte, war der Weg für ihn klar. Er verschaffte sich genaue Ortskenntnis. Allerdings mißlang sein Versuch, eine Anstellung im Bürgerbräukeller zu erhalten. Über ein Jahr, seit dem Herbst 1938, bereitete er das Attentat gründlich vor. Das schloß auch Vorkehrungen für eine illegale Flucht an der Grenze bei Konstanz ein. Monatelang arbeitete er an einem Sprengkörper mit mechanischer Zündvorrichtung. Sprengstoff beschaffte er sich in seiner Arbeitsstelle in einem Königsbronner | |||
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Steinbruch. Durch einen Arbeitsunfall
bedingt, konnte er sich ab Mai 1939 ganz der
Vorbereitung des Attentats widmen. Im August mietete er sich
in München ein Zimmer. Von nun an bis
November versteckte sich Elser im Bürgerbräukeller
nach Schließung des Lokals, insgesamt über 30
Nächte. Er machte sich an jener tragenden Säule zu
schaffen, die über Hitlers Rednerpult stand. In der
Nacht vom 2. zum 3. November 1939 brachte er den Sprengkörper in die vorbereitete Säule ein und
füllte den übrigen Hohlraum ebenfalls mit
Sprengstoff sowie Pulver aus. Erst in der Nacht vom 5. zum
6. November gelang es ihm, den Zünder mit
seinen beiden Uhrwerken anzubringen und die
Uhrwerke auf den Abend des 8. Novembers zu regulieren.
In der Nacht vom 7. zum 8. November kontrollierte
Georg Elser noch einmal den Mechanismus und
stellte die vorgesehene Zeit ein. Er selbst verließ
München am 8. November und fuhr nach Konstanz, da er
gegen Abend Deutschland verlassen wollte.
Während die Großfahndung nach dem Attentäter lief, war Elser bereits verhaftet. Bei seinem Vorhaben, die Grenze zur Schweiz zu überschreiten, war er einer Zollstreife wegen verdächtiger Gegenstände aufgefallen. Er hatte eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers, ein Abzeichen des RFB, Aufzeichnungen über die deutsche Aufrüstung und Teile des Zeitzünders bei sich. Er wurde daher bald mit dem Attentat im Bürgerbräukeller in Verbindung gebracht und nach München überstellt. Nach einigen Tagen gestand er unter Folter und Schlägen in den Verhören, die in der Gestapozentrale im Wittelsbacher Palais München später in Berlin geführt wurden, die Tat. Seine Behauptung, allein gehandelt zu haben, wurde zunächst nicht geglaubt. Elser mußte genaue Skizzen über Tatort und Sprengkörper anfertigen. Die Protokolle dieser Vernehmungen, die erst in den sechziger Jahren gefunden wurden, sind, wie die Autoren betonen, bis heute die wichtigste Quelle zur Rekonstruktion des Denkens und Handelns von Elser. | Hitler und die gesamte NS-Propaganda hatten
das Attentat sofort zu einer Aktion des britischen
Geheimdienstes erklärt; eine Auffassung, die
damals und auch später noch von vielen Hitler-Gegnern
geteilt wurde. Selbst nach Elsers Geständnis
mochte die NS-Propaganda diese Mär nicht aufgeben.
Das Attentat wurde nun als Verschwörung
zwischen englischem Geheimdienst und deutschen
Emigranten dargestellt. Elser wurde zum »Werkzeug«
des britischen Geheimdienstes erklärt und in
Verbindung mit dem emigrierten Otto Straßer
gebracht. Straßer ein früherer NSDAP-Führer, der in
Opposition zu Hitler geraten war und die
»Schwarze Front« führte sollte das Attentat im Auftrag
englischer Dienste organisiert haben. In der
Öffentlichkeit blieb unklar, wer für das Attentat
verantwortlich war. Manche gingen gar davon aus, daß es
vom NS-Regime selbst organisiert worden war, um
den Mythos von Hitlers Unverletzlichkeit zu
beweisen, Elser somit ein Gestapoagent war. Auch in
Kreisen des deutschen Widerstands und der Opposition
sowie im Ausland fand die Auffassung Verbreitung, daß es sich um eine Aktion der Gestapo
handelte. Parallelen zum Reichstagsbrand waren schnell
hergestellt, ein Einzeltäter wurde für
unwahrscheinlich gehalten. Auch viele Historiker sahen lange Zeit
in Elser ein Werkzeug der NS-Führung. Erst der
Fund der Verhörprotokolle und die fast gleichzeitige
Auswertung aller damals bekannten Quellen zum Anschlag konnten eindeutig Elsers
Alleintäterschaft belegen und Unterstellungen, er habe im
Auftrag des britischen Geheimdienstes oder der
Gestapo selbst gehandelt, widerlegen.
Nach der Verhaftung Elsers wurden fast alle seine Angehörigen festgenommen und nach Verhören erst einige Wochen später freigelassen, nicht aber ohne vorher ihr Schweigen zu erzwingen. Die Gestapo vernahm auch viele Königsbronner. Elsers Arbeitgeber wurde über ein Jahr in einem Konzentrationslager eingesperrt. Elser, der fünf Jahre Einzelhaft im KZ Sachsenhausen verbüßte, kam um die | |||
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Jahreswende 1944/45 ins KZ Dachau. Auch
dort wurde er isoliert im Kommandantenarrest
gefangen gehalten. Die Nationalsozialisten hatten
ursprünglich geplant, Elser nach dem »Endsieg« durch
den sogenannten Volksgerichtshof in einem
großen Schauprozeß zu verurteilen. Kurz vor
Kriegsende, am 9. April 1945, wurde er wie die Autoren
vermerken auf Weisung von »höchster Stelle« im
KZ Dachau ermordet. Seine Familie erfuhr
darüber nichts; erst 1950 wurde Georg Elser offiziell für
tot erklärt.
Mit Recht vermerken Steinbach/Tuchel, daß Elser ein Platz unter den bedeutendsten Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus gebühre. Er wurde in den letzten Kriegstagen erschossen, »weil er als erster dem Ziel, Hitler zu töten, denkbar nahe gekommen ist«.
Lutz Diesbach/Jörg Hensel
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den Zabel-Krüger-Damm (nach 1933 für
Arbeiter und Angestellte der AEG errichtet). Das
eigentliche Dorf hat in den 80er Jahren einen
Strukturwandel durchgemacht es wurde zum Reiterdorf mit
allen Konsequenzen, die dies mit sich bringt. Indem
man im wahrsten Sinne des Wortes aufs Pferd kam, ist
es aber letztendlich gelungen, Bauernhöfe und
Gehöfte sowie die dörfliche Struktur mit einigen
Familienbetrieben bis heute zu erhalten.
Um Lübars, wie es sich darbietet, und auch seine Bewohner näher kennenzulernen, dafür leistet die vorliegende Publikation einen bemerkenswerten Beitrag. Im August 1997, rechtzeitig zum 750-Jahr-Jubiläum, hat sie vorgelegen. Zwei Lübarser »aus Leidenschaft« haben alte Fotos aus der Dorfgeschichte zusammengetragen und kommentiert, bevor niemand mehr über die abgebildeten Personen und Ereignisse hinreichend Auskunft geben kann. Die Texte zu den Bildern sind ausgewogen, mitunter nicht viel länger als Bildunterschriften, bieten sie doch mehr als diese, mal sind sie historisch, mal anekdotenhaft, nicht selten beides. Hensel, in Lübars geboren, ist kritischer Chronist, der das Ortsgeschehen aktiv mitgestaltet hat, so durch die Gründung des weithin bekannten Kultur& Naturvereins mit seinem »Labsaal«, der heute im alten Dorfkrug residiert, also ideale Räume hat. Diesbach, Sproß einer Weinheimer Verlegerfamilie und gelernter Schriftsetzer, ließ sich 1980 in Lübars nieder. Beide haben im Team ein populär gemachtes »Bilder-Buch« über einstmaliges ländliches Leben und Familiengeschichten über einen langen Zeitraum hinweg erstellt Erinnerung natürlich für die einheimischen Dorfbewohner, aber auch hochinteressant für Städter. Konsequent wird beim Thema »Augenblicke vormaligen Dorflebens abseits der Stadt Berlin« geblieben. Nicht ein einziges Motiv weist auf das Reiterdorf hin, nicht einmal im Bildhintergrund erscheint das in den 60er Jahren aus dem Boden gestampfte, an das Dorf heranrückende Märkische Viertel. | ||||
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Von Sachkunde und Detailkenntnis zeugt das
gewählte Gliederungsprinzip. Mit »Annäherung«
ist der erste Abschnitt überschrieben: lokale
»Ortsbestimmung« inklusive eines Mindestmaßes an
geschichtlichem Hintergrund. In Bild und Text erscheinen dabei neben ältesten Ansichten vom
Dorf, von der Dorfaue vor allem alte Wege
Spandauer Weg durchs Nachbardorf Dalldorf, seit langem
Wittenau; Rosenthaler Weg über den Lübarser
Mühlenberg; Schildower Weg; Hermsdorfer Weg am
Fuße des Vierrutenberges, heute
Beneckendorffstraße; Weg durch das Waldgebiet »Lübarser Heide«,
die sich einst weit nach Tegel hin erstreckte und
wo später auch der Ort Waidmannslust entstand.
Auf Bild 1 (insgesamt 181 Abbildungen) ist August Zabel-Krüger (mit zwei Personen) zu sehen dazu gekonnter Text: Er »wollte Zukunft statt Vergangenheit und sagte 1894: >Lehnschulze? Mit mir nicht mehr!< Und stieg dann und wann auf den Ortsrücken südlich des Dorfes. Da konnte er nach allen Seiten über den alltäglichen Horizont schauen. Vorne Stadt, hinten Wald, rechts und links desgleichen. Und in der Mitte am flachen Fließtalhang sein Dorf Lübars, Kreis Niederbarnim, endlich von aller Fron befreit, zwar immer noch dem Amt Bernau unterstellt, aber im neuen Jahrhundert vielleicht schon bald ein Stadtteil von Berlin. Die Herren links schienen wild entschlossen.« Diesem Einstieg folgen die Abschnitte »Gehöfte am Anger«, »Handel und Wandel«, »Stadtrand-Figuren«, »Arbeit im Takt der Natur«, »Gute Partie«, »Neuland für Stadtflüchter«, »Ein Tonstich geht baden«, »Brandaktuell: Mobilität«, »Wenn alles getan ist«, »Ein Volk, ein Reich, ein Fiasko«, »Leben lernen«. Eines der letzten Fotos zeigt badende Kinder, begleitet von dem Text: »Es gab eine Zeit, und die ist noch kein Menschenalter her, da konnte die Dorfjugend noch unbesorgt und deshalb ungestüm ins Fließ springen. Vorbei. Für immer?« Ein solches »Bilder-Buch« konnte nur realisiert werden, weil Lübarser bereit waren, ihre privaten | Fotoalben (und eine wertvolle
Postkartensammlung) zu öffnen. Bei einigen erläuternden
Texten wünschte man sich genauere zeitliche
Angaben, auch wenn dem sicher Grenzen gesetzt
waren. »Neuland für Stadtflüchter« als
Kapitelüberschrift ist mißverständlich, denn gemeint sind nicht so
sehr Erholung suchende Berliner, sondern Leute, die
in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg der Not gehorchend in Lübarser Siedlungen ein neues
Zuhause gefunden haben. Genug der Krittelei. Wie
gelungen ist beispielsweise der Abschnitt »Ein Tonstich geht baden« mit Bildern von der Ziegelei
(1924 stillgelegt; sogar die Terrakotten für das »Rote
Rathaus« waren einst von hier gekommen), von
der stellenweise mitsamt Anlagen abgesoffenen
Tongrube (»Schienen und Loren können nicht
schwimmen. Aber Menschen. Bald kamen sie im Sommer
her zum Baden«; später ist hier einer der schönsten
Badeseen in und um Berlin entstanden). Es ist ein
Vorzug dieses »Bilder-Buches« gegenüber manch
anderer Publikation gleicher Art, weder in schönfärberische Nostalgie zu verfallen, noch ein düsteres
Bild steten Jammers und grauer Trostlosigkeit zu
malen. Die Originalität der Bildaussage hatte im
Arbeitsprozeß Vorrang vor der Wiedergabequalität der
ausgewählten Fotos. Keine Scheu gab es, auch
»gestellte« Aufnahmen, wie sie sich nun einmal in
privaten Fotoalben finden, zu verwenden. Manche
Bilder muten, dem familiären bzw. dörflichen
Anlaß gemäß, regelrecht feierlich an. Diesbach/Hensel
bedienen keine Klischees. Ihnen ist gelungen, was
sie von vornherein beabsichtigt haben: einen Anstoß
zu geben zum »Gespräch über Bilder und
Geschichte(n)«, Lust auf neue Entdeckerfreude zu
machen und zum Hinterfragen oberflächlicher
Ansichten anzuregen.
Hans Aschenbrenner | |||
© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de