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Kurt Wernicke
Gouverneur und Generalfeldmarschall

Der Ehrenbürger Friedrich von Wrangel (1784–1877)

Unter den preußischen Militärs gehörte Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel zu denen, die sich einer gewissen Beliebtheit unter allen Schichten der Bevölkerung Preußens erfreuen konnten. Dies traf auch für die Berliner zu, obgleich er im November 1848 die preußische Revolution niedergeschlagen hatte. Die Berliner rechneten es ihrem Gouverneur jedoch hoch an, daß dies ohne Blutvergießen vonstatten gegangen war.
     Von Wrangel, Sohn eines preußischen Generals, begann seine auch für Preußen bemerkenswerte militärische Laufbahn nach dem Besuch des Gymnasiums in Neustettin als Gefreiterkorporal. Ein Jahr später brachte er es zum Fähnrich und 1789 zum Sekondeleutnant. Während der Kriege gegen Frankreich von 1806 und 1807 nahm er an mehreren Schlachten teil und erhielt wegen seines Mutes und seiner Umsicht in der Schlacht bei Heilsberg mit dreiundzwanzig Jahren den Orden Pour le mérite. Im Jahr darauf wurde er zum Premierleutnant, 1808 zum

Generalfeldmarschall Graf Wrangel
Stabskapitän befördert und 1811 zum Schwadronchef ernannt. Während der Befreiungskriege von 1813 und 1814 nahm er an allen Feldzügen teil. Mit erst dreißig Jahren wurde von Wrangel 1814 als Oberstleutnant Re-
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gimentskommandeur und ein Jahr später zum Oberst ernannt. 1823 wurde er Generalmajor und 1838 Generalleutnant, 1842 dann Kommandierender General des II. Armeekorps (Pommern), im April 1847 Gouverneur von Berlin, ein Jahr später Oberkommandierender der Truppen des Deutschen Bundes im Krieg gegen Dänemark. Schließlich erfolgte am 16. September 1848 seine Ernennung zum Oberbefehlshaber in den Marken, Exekutor der erneuten Besetzung Berlins durch das Militär und des anschließenden über acht Monate währenden Belagerungszustands.
     Warum hatte der König und sein Staatsrat gerade ihn mit dieser Aufgabe betraut? Von Wrangel hatte 1837 in Münster gegen protestierende katholische Gymnasiasten und Studenten und 1847 in Stettin bei Hungerunruhen militärische Entschlossenheit, aber zugleich großzügige Nachsicht gegen wehrlos Gewordene gezeigt. Damit schien er der Richtige zu sein, um der Vorherrschaft der liberalen und z.T. radikalen Demokratie in der preußischen Hauptstadt in den Monaten nach der Märzrevolution ein Ende zu bereiten. Am 16. September 1848 mit dem Befehl über alle Truppen in und um Berlin betraut, provozierte er bereits am 20. September die Berliner Demokraten mit der ersten Militärparade in der Stadt seit dem 19. März 1848 und einer mokanten Bemerkung über den traurigen Zustand, in dem er Berlin wiedersähe, in dessen Straßen ja Gras wachse. Am
10. November marschierte er mit 10000 bis an die Zähne bewaffneten Soldaten in Berlin ein und blockierte den Sitzungssaal des preußischen Parlaments. Zwei Tage später ließ er unter einem durchsichtigen Vorwand von der Regierung den Belagerungszustand über Berlin verhängen, löste die Bürgerwehr auf und vollzog sukzessive deren Entwaffnung. Sitzungen der preußischen Volksvertreter außerhalb des gesperrten Parlamentssaals, im Schauspielhaus, unterband er durch militärische Intervention. Jedoch handhabte er den Belagerungszustand gegenüber der Bevölkerung mit gewisser Nachsicht und ließ sich auch durch verbale Provokationen dabei nicht aus der Ruhe bringen. Psychologisch geschickt paßte er sich dem Berliner Umgangston an und bewies mehr als einmal, daß er die Berliner Schlagfertigkeit ebenfalls beherrschte. Zielgerichtet ließ er zudem Anekdoten über sich verbreiten. So erwarb er eine zweifellos beabsichtigte Popularität und bald den Spitznamen »Papa Wrangel«.
     Nach der Aufhebung des Belagerungszustands am 28. Juli 1849 beschloß die Berliner Stadtverordneten- Versammlung dann auch eine Dankadresse an ihn, in der die von seiner Seite geübte Milde und Schonung bei der Durchführung des Belagerungszustandes gerühmt wurde. Im November 1849 wurde er auch noch zum Kommandierenden General des III. Armeekorps (Mark Brandenburg, Sitz in Berlin) ernannt.
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Am 24. September 1850 verliehen der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung Friedrich Heinrich Ernst von Wrangel die Ehrenbürgerwürde.
     Mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den Gouverneur von Berlin bewiesen die Konservativen in der Stadtverordnetenversammlung nach den Verleihungen an den Grafen von Brandenburg und von Manteuffel (1805–1882) nicht nur, daß sie gegenüber den Liberalen endgültig das Sagen hatten, sondern nutzten die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an von Wrangel als deutliches Symbol für das Ende der Steinschen Städteordnung. Am 1. Oktober sollte die neue Gemeindeordnung in Kraft treten, die unter anderem den Unterschied von Bürgern und Schutzverwandten aufhob und somit die Verleihung des Ehrenbürgerrechts überflüssig machte. Als am 10. November 1850 von Wrangel die Ehrenbürgerurkunde überreicht wurde, machte daher der Magistrat auch öffentlich in den Zeitungen bekannt, daß damit »in würdigster Weise die Anwendung des »§ 16 der Städteordnung von 1808 geschlossen worden sei«. Doch nicht nur gegen die Liberalen zielte dieser symbolische Akt. Mit der ihm verliehenen Würde eines Ehrenbürgers sollte der leutselige Grobian von Wrangel ganz offensichtlich dem allseits verabscheuten eiskalten Verwaltungsmenschen Hinckeldey (1805– 1856) – dem Polizeipräsidenten der Reaktionsära – gegenübergestellt werden.
Doch dem 66jährigen wurde auch nach dieser Ehrung noch keine Ruhe zuteil. Im Gegenteil, im Jahre 1857 wurde er noch Generalfeldmarschall, 1864 von seinem Posten als Gouverneur verabschiedet, um erneut als Oberbefehlshaber gegen Dänemark zu streiten. Doch der inzwischen Achtzigjährige war dieser Aufgabe offensichtlich nicht mehr gewachsen. Er wurde in den Ruhestand versetzt und in den Grafenstand erhoben. Der greise Generalfeldmarschall verbrachte seinen Lebensabend in Berlin.
     Seine Privatwohnung hatte Wrangel seit 1849 am Pariser Platz 3, und dort verstarb er auch.
     Ein Denkmal Wrangels von dem Bildhauer Karl Keil stand von 1880 bis 1945 auf dem Leipziger Platz. Eine Straße wurde schon 1849 in der Luisenstadt (heute: Kreuzberg) nach ihm benannt. Nach 1850 nahm Wrangel des öfteren Sommeraufenthalt in dem in fiskalischem Besitz befindlichen Gutshaus in Steglitz, das daraufhin im Volksmund die Bezeichnung »Wrangelschlößchen« erhielt, was der angrenzenden Straße ebenfalls den Namen Wrangelstraße einbrachte.

Bildquelle:
Verein für die Geschichte Berlins

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