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Jutta Schneider
5. Juli 1813: Erste Verleihung des
Ehrenbürgerrechts

Es ist ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte des Berliner Bürgerrechts: Der Schutzverwandte und hochangesehene Propst Conrad Gottlieb Ribbeck (1757–1826) erhält an diesem Tag das Bürgerrecht Berlins, obwohl er weder über Grund und Boden noch über finanzielle Mittel für den Erwerb eines Bürgerbriefes verfügt. Durch Handschlag, nicht durch den Eid, der normalerweise auf dem Formular für die Erteilung eines Bürgerbriefes vorgeschrieben ist, verspricht er bei der Entgegennahme der Urkunde, nach der er nunmehr ein Bürger Berlins sein darf, ein guter Bürger zu sein.
     Ribbeck kam 1805 in die preußische Hauptstadt, um hier die Kirchenleitung zu übernehmen. Er führte dieses Amt mit viel Geschick und versuchte, der Berliner Bevölkerung während der schwierigen Zeit der französischen Fremdherrschaft zur Seite zu stehen. Grund genug für den Beschluß der Stadtverordneten, ihm das Bürgerrecht kostenfrei zu verleihen. Sie beschlossen zugleich, daß durch diese Ehrung keine neuen Pflichten begründet werden sollten. Auch in

Zukunft sollte Propst Ribbeck nur die Lasten eines Schutzverwandten tragen. Der Magistrat bekundete seine Absicht, »durch die Verleihung solcher Ehrenrechte dem Bürgerrecht ein höheres Gewicht zu geben«.
     Schutzverwandte waren die von den Bürgern streng geschiedenen Einwohner der Stadt, die keinen Grund und Boden oder einen Gewerbebetrieb hatten. Sie hatten auch keinen Anteil an der Verwaltung der Stadt und wurden zu den Pflichten und Abgaben nicht voll herangezogen. Zu ihnen gehörten nicht nur alle Personen in abhängiger Stellung, sondern auch Beamte und Geistliche, Künstler und Gelehrte, falls sie nicht Grund- oder Hausbesitzer waren.
     Das erklärt, warum Bürger damals nicht Ehrenbürger werden konnten. Die Steinsche Städteordnung vom 19. November 1808 beinhaltete auch einen neugefaßten Bürgerbegriff, ohne daß von Ehrenbürgern schon gesprochen wird.
     Der Begriff »Ehrenbürger« fand erst später Verwendung, zum erstenmal bei der Ehrung des Stadtkommandanten und Gouverneurs von Berlin, Ludwig Matthias Nathanael Gottlieb von Brauchitsch (1757–1827). Brauchitsch, der sich bei der Errichtung von Landwehr und Landsturm 1813 lebhaft für die Berliner eingesetzt und sich auch später der Bürgerschaft angenommen hatte, sollte anläßlich seines 50jährigen Militärjubiläums am 19. Mai 1822 »als Ehrenbürger in den hiesigen Bürgerverein« aufgenommen werden.
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Es hatte sich noch nichts an dem Grundsatz geändert, daß dies nur Nichtbürgern zuteil werden konnte, die dadurch erst mit allen Rechten in die engere Stadtgemeinde aufgenommen wurden. Auch ein Ministerialreskript aus dem Jahre 1827 änderte an diesem Grundsatz nichts. Der König bestimmte aber durch eine Kabinettsorder im gleichen Jahr, daß einige Paragraphen der Städteordnung, die im Widerspruch standen mit der Praxis der Verleihung des Bürgerrechts (z. B. über die bürgerlichen Lasten und über die Unzulässigkeit der Befreiung von ihnen), auf das Ehrenbürgerrecht nicht angewendet werden dürfen. Solche Ehrung schließe »die Teilnahme an den Lasten und Pflichten des gewöhnlichen Bürgerrechts von selbst« aus.
     Christian Daniel Rauch (1777–1857) war der erste Bürger der Stadt, der die Ehrenbürgerwürde erhielt. Den Tag der Enthüllung des Denkmals von Friedrich II. am 31.Mai 1851 nahmen Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zum Anlaß, um Rauch zu den Ehrenmännern zu zählen, deren »Gedächtnis in der Stadt ewig fortleben solle«. Drei Jahre später beschloß dann der Magistrat, daß die Urkunde für Rauch vom 31. Mai 1851 als Verleihung der Ehrenbürgerschaft aufzufassen sei. Dazwischen lagen eine neue Gemeindeordnung, die 1851 in Kraft trat (sie hob den Unterschied zwischen Bürgern und Schutzverwandten auf), und die revidierte Städteord-
nung vom 30. Mai 1853. In ihr war festgelegt, daß »das Ehrenbürgerrecht vom Magistrat in Einverständnis mit den Stadtverordneten an Männer verliehen werden könne, die sich um die Stadt verdient gemacht hätten«.
     Berlin hat in der über 180jährigen Geschichte der Berliner Ehrenbürger bisher 121Ehrenbürgerschaften verliehen; nur fünf Frauen waren darunter. Dreimal gab es Korrekturen. Am 20. Mai 1998 wurde der – nach der offiziellen Liste des Senats – 106.Ehrenbürger ausgezeichnet: Ezard Reuter. In der Begründung heißt es, daß er die internationale Ausstrahlung Berlins entscheidend gefördert habe. Dank gebühre ihm vor allem für sein Engagement beim Bau des neuen Stadtquartiers am Potsdamer Platz.
     Eine umfassende Darstellung der Geschichte des Berliner Ehrenbürgerrechts ist in der Publikation »Das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbürger Berlins« von Ernst Kaeber (1882–1961) zu finden; sie ist auch wesentliche Quelle dieses Beitrags.
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© Edition Luisenstadt, 1998
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