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sich das Bild im Westteil der Stadt. Nun standen die Westberliner vor den Bankinstituten, um auch eine allerdings mit einem »B« abgestempelte »Deutsche Mark« in Empfang zu nehmen. Ihre Kopfquote betrug 60 »Deutsche Mark«, die sie gegen Abgabe von alter Reichsmark im Verhältnis 1 : 1 erhielten.
     Das Umtauschverhältnis für alle anderen Beträge und Konten lautete einheitlich 1 : 10, d. h. eine neue Mark für zehn alte.

Jede Währung stand für
eine andere Deutschlandpolitik

Von nun an gab es also in Berlin zwei »Deutsche Mark«. Die eine gab die »Deutsche Notenbank« der sowjetischen Besatzungszone heraus, die andere die »Bank deutscher Länder« der drei Westzonen. Um sie leichter voneinander zu unterscheiden, hieß die eine »DM (Ost)« oder einfach Ostmark, die andere »DM (West)« oder Westmark bzw. »B«-Mark. Sie unterschieden sich auch in der Form. Die Ostmark bestand zunächst – neugedruckte Geldscheine kamen erst ab Ende Juli 1948 zur Ausgabe – aus den »beklebten« großen Scheinen der alten Reichsmark. Die Westmark glich, weil in den USA gedruckt, einer Dollarnote.
     Das Hauptunterscheidungsmerkmal war aber ein politisches. Jede Währung stand für eine andere Deutschlandpolitik der Siegermächte und für ein anderes gesellschaftliches System. Wie der Klammerzu-

Gerhard Keiderling
»Herr Schimpf und Frau Schande ...«

1948 in Berlin: Währungsdualismus

Am Morgen des 24. Juni 1948 bildeten sich dichte Menschentrauben vor Banken und Sparkassen im sowjetischen Sektor von Berlin. Die Morgenzeitungen meldeten den Beginn der Währungsreform. Nach langem Warten traten die Ostberliner an die Schalter, legten 70 Reichsmark hin und erhielten dafür 70 »Deutsche Mark« als sogenannte Kopfquote. Der Umtausch der Konten erfolgte Tage später in gestaffelter Form: Beträge bis 100 RM im Verhältnis 1 : 1, bis zu 1 000 RM 1 : 5 und darüber bis zu 5 000 RM 1 : 10. Höhere Beträge waren vorerst gesperrt, um ihren rechtmäßigen Erwerb nachzuprüfen. Einkünfte von »Kriegsverbrechern und Naziaktivisten« sowie von anderen »Kriegsgewinnlern« wurden beschlagnahmt. Die neue Währung war praktisch die alte: Reichsmark-Banknoten mit aufgeklebten, entsprechend ihren Nennwerten farblich verschiedenen Kupons, die Briefmarken ähnelten. Sie hatte daher gleich ihren Namen weg: »Kupon-« oder »Klebemark«. Die alten Münzen blieben vorerst gültig.
     Am Morgen des 25. Juni 1948 wiederholte

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satz verdeutlichte, waren die beiden Währungen Ausdruck des offen ausgebrochenen Ost-West-Gegensatzes. Wie war es dazu gekommen?
Die Verhandlungen der vier Mächte über eine gesamtdeutsche Währungsreform versandeten in dem Maße, wie ihre Zielvorstellungen über Deutschland auseinandergingen. Die drei Westmächte bereiteten zusammen mit den Benelux-Staaten auf einer Geheimkonferenz in London seit Anfang 1948 die Schaffung eines westdeutschen Staates vor, der in den Marshallplan und andere westeuropäische Organisationen integriert werden sollte. Das Abschlußdokument dieser Konferenz, die »Londoner Empfehlungen« vom 2. Juni 1948, sahen vor, die Weststaatbildung mit einer Währungsreform zu beginnen. Diese wurde am 18. Juni 1948 für die drei Westzonen angekündigt und zwei Tage später durchgeführt.
     Die Sowjetunion wurde am 18. Juni erst drei Stunden vor der Verkündung im Rundfunk offiziell informiert. Sie wußte aber über ihre Top-Agenten seit längerem Bescheid und hatte auch Vorbereitungen für eine eigene Währungsreform getroffen.
     Daß neue Banknoten für den »Tag X« in der Ostzone nicht zur Verfügung standen, lag wohl an mangelnder Druckkapazität bzw. fehlendem Spezialpapier. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) ordnete noch in der Nacht zum 19. Juni die Einstellung des gesamten Eisen-
bahn-, Auto-, Schiffs- und Personenverkehrs von und nach den Westzonen an, um ein Einströmen der im Westen entwerteten Reichsmark in ihre Zone zu verhindern.
     Die Durchführung der Währungsreformen in West und Ost wäre ohne Schwierigkeiten über die Bühne gegangen, hätte es nicht die Viermächtestadt Berlin gegeben. Seit Jahresbeginn hatte die Sowjetunion immer wieder zu erkennen gegeben, daß sie im Falle der Bildung des Weststaates auf einem Abzug der Westmächte aus Berlin bestünde. Sie begründete ihre Forderung damit, daß die Viermächteregelung 1944/45 nur erfolgte, weil die Hauptstadt als Sitz alliierter Organe ihre gesamtdeutsche Rolle behalten sollte.

Die drei Militärgouverneure
boten Verhandlungen an

Inzwischen hatten am 20. März 1948 der Alliierte Kontrollrat für Deutschland und am 16. Juni 1948 die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin ihre Arbeit eingestellt. Das sowjetische Hauptziel war klar: Es sollte keinen westlichen Außenposten inmitten ihrer Zone geben, von dem Störungen bei der weiteren Sowjetisierung der SBZ ausgehen könnten.
     Auf seiten der drei Westalliierten meinten einflußreiche Kreise, es sei vorteilhafter, Berlin zu verlassen, um militärische Verwicklungen mit den Sowjets zu vermeiden. Doch in den drei Hauptstädten

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fielen klare Entscheidungen: Wir bleiben!
     Um sich mit der SMAD in der Berliner Währungsfrage zu arrangieren, boten die drei Militärgouverneure neue Verhandlungen an. Sie begannen am 22. Juni 1948 um 14 Uhr im ehemaligen Kontrollratsgebäude und dauerten mit Unterbrechungen bis gegen Mitternacht. Die westliche Seite schlug zwei Varianten vor: entweder eine eigene Währung für Berlin, eine sogenannte »Bärenmark«, oder die Eingliederung ganz Berlins in eine ostzonale Währungsreform unter der Bedingung, daß die Westmächte über eine zu schaffende Institution Ausgabe und Umlauf dieser Währung überwachen und kontrollieren können. Das lehnte die östliche Seite schroff ab. Die Westmächte hätten auf diese Weise einen Einfluß auf das gesamte Finanz- und Wirtschaftsleben der Ostzone, was umgekehrt der Sowjetunion gegenüber den Westzonen nicht zugestanden wurde. Nach stundenlanger ermüdender Diskussion setzte der sowjetische Vertreter gegen 22.30 Uhr mit einem russischen Sprichwort den Schlußpunkt: »Wenn du den Kopf abgetrennt hast, kannst du nicht um die Haare trauern.« Nun nahmen die Dinge gemäß den auf beiden Seiten seit Wochen vorbereiteten Szenarien ihren Lauf.
     Am 23. Juni 1948, 0.45 Uhr, überreichte der sowjetische Verbindungsoffizier dem ins Neue Stadthaus in der Parochialstraße nahe dem Alexanderplatz einbestellten Bürger-
meister Ferdinand Friedensburg (CDU) den SMAD-Befehl Nr. 111 über die Einführung der Ostwährung in ganz Berlin mit der Order, ihn um 6.00 Uhr bekanntzugeben. Friedensburg rief noch in der Nacht die westlichen Kommandanten an. Von ihnen erhielt er die Order, den SMAD-Befehl in den Westsektoren nicht zu verbreiten. In den Mittagstunden kündigten die drei Kommandanten eigene Regelungen an.

Rufe vor dem Neuen Stadthaus:
»Eine Stadt – eine Währung«

Für 16 Uhr war eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordnetenversammlung angesetzt. Seit Stunden versammelten sich vor dem Neuen Stadthaus sogenannte Betriebsdelegationen, die die SED und der von ihr gelenkte FDGB in den Betrieben und Einrichtungen mobilisiert hatten. Viele trugen Transparente mit Losungen wie »Eine Stadt – eine Währung«. Die Menge, inzwischen auf einige tausend angeschwollen, verschaffte sich Einlaß ins Stadthaus. Unbehelligt von den Polizisten des Ostsektors stürmten viele zum Sitzungssaal, wo sie ihre Parolen riefen. Der Stadtverordnetenvorsteher Otto Suhr (SPD) forderte sie vergebens auf, den Saal zu verlassen, und verschob die Eröffnung der Sitzung. Erst als SED-Abgeordnete zu ihren Demonstranten sprachen, zogen diese unter dem Gesang der »Internationale« ab.

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Um 17.40 Uhr konnte die Sitzung beginnen. Die amtierende Oberbürgermeisterin Louise Schroeder (SPD) trug eine am Mittag mehrheitlich angenommene Magistratserklärung vor. Darin bedauerte der Magistrat, daß keine Währungsregelung für ganz Berlin zustande gekommen war, und empfahl den Bezirksbürgermeistern in den vier Sektoren, den Befehlen der jeweiligen Kommandanten Folge zu leisten. Im Klartext hieß das: Ostmark im Ostsektor und Westmark in den Westsektoren. Als die Stadtverordneten gegen 20 Uhr das Gebäude verließen, wurden sie von erbosten Demonstrantengruppen empfangen. Es gab Buhrufe und Pfiffe, Steinwürfe und sogar Tätlichkeiten gegenüber Abgeordneten der nichtkommunistischen Parteien.
     Die SED, hinter der die Sowjets standen, wollte den Magistrat durch Demonstrationen und Tumulte zur Ablehnung der »B«-Mark zwingen und die Westberliner von der Entgegennahme der »Spaltermark« abhalten. Sie fand keine Gefolgschaft.
     Die meisten Berliner versprachen sich von der »B«-Mark den Anschluß an die Bizone, an den Marshallplan und an den in Westdeutschland zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwung.
     Viele waren mit persönlichen Problemen, mit der Sorge um das tägliche Brot und um ein Dach über dem Kopf so beschäftigt, daß sie sich um politische Dinge keine Gedanken machten. »Der Tagesspiegel« vom 24. Juni
1948 machte sich zum Sprecher solcher Sorglosigkeit: »Und was schadet es schon, wenn es zwei Währungen nebeneinander gibt. Berlin ist nicht die erste Stadt, in der dieses System angewandt wird. Das bißchen Umrechnen lernen wir schnell.«
Das Umrechnen war nicht das Schlimmste, was auf die Berliner zukam. Der Währungsdualismus untergrub das Finanzwesen, die Wirtschaft und die Verwaltung. Am Jahresende war Berlin in eine West- und in eine Oststadt gespalten. Die Sowjetunion machte aus den anfänglichen Verkehrssperren einen Dauerzustand: die Blockade.

Bei Preisen ein Drittel West,
zwei Drittel Ost

Die Währungsreform vom 24. Juni 1948 in den Westsektoren wies noch eine Sonderheit auf: die »Doppelwährung«. Neben der »B«-Mark, die nur in begrenztem Umfang zur Auszahlung kam und deshalb gleich gehortet wurde, war auch die Ostmark als gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen.
     Mit ihr – geringschätzig »Tapetenmark« genannt – konnte man Steuern und Mieten, Lebens- und Verkehrsmittel, Post-, Strom-, Wasser- und Gasgebühren und sogar Medikamente bezahlen. Mit der »guten« Westmark hingegen ließen sich lange entbehrte Köstlichkeiten erwerben. Sie war daher auf dem Markt gefragt. Anfangs gab es sogar

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Gemischtpreise: ein Drittel West und zwei Drittel Ost.
     Die Doppelwährung versetzte Hunderttausende in Nöte. Wer im Westen wohnte und im Osten arbeitete, kam nur mit Ostgeld nach Hause. Denn die »B«-Mark war im Sowjetsektor verboten. Umgekehrt erhielten die »Westgrenzgänger« nur einen kleinen Anteil ihrer Löhne und Gehälter in West ausgezahlt. Durch die Einrichtung einer »Lohnausgleichskasse« in Westberlin suchte man das Problem in den Griff zu bekommen.
     Die Zulassung von privaten Wechselstuben in Westberlin seit August 1948 machte den Umtausch für viele einfacher. Der Tageskurs schwankte nach Angebot und Nachfrage zwischen 1 : 5 bis 1 : 7. Viele Ostbewohner kamen dennoch in die Wechselstuben, weil sie Waren, die es bei ihnen nicht gab, gern erstehen wollten.
     Andererseits konnten Westberliner schon mit wenigen umgetauschten Mark im Ostsektor in den »Freien Läden« der HO, die es ab November 1948 gab, preiswert einkaufen oder Dienstleistungen bei Friseuren usw. billig in Anspruch nehmen. Die benachteiligten Westberliner Handwerker und Gewerbetreibenden protestierten vor dem Rathaus Schöneberg. Der RIAS und die Westpresse zogen darum gegen »Herrn Schimpf und Frau Schande« zu Felde, die das gute Westgeld in den kommunistischen Osten trugen.
     Die »Doppelwährung« in Westberlin, von
den Westmächten als eine Interimsform gedacht, um den Währungskonflikt mit den Sowjets nicht auf die Spitze zu treiben, wurde als ein großer Nachteil empfunden. Am 20. März 1949 führten die Westmächte eine »Neuordnung des Geldwesens« durch, indem sie die DM (West) als alleingültiges Zahlungsmittel in Westberlin deklarierten. Der Währungsdualismus von Ost- und Westmark mit Wechselstuben, Grenzgängerei usw. bestand fort. DM-Noten mit dem aufgedruckten oder perforierten »B« für Berlin liefen noch lange in Westberlin um und wurden erst Anfang der fünfziger Jahre aus dem Verkehr gezogen.
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© Edition Luisenstadt, 1998
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