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(1896–1990). Wendland, einer der Großen des deutschen Naturschutzes, führte die Kontinuität der Naturschutzbewegung ihrer Gründerväter Ernst Rudorff (1840–1916), Wilhelm Wetekamp (1859–1945), Hugo Conwentz (1855–1922) und Hans Klose (1880–1963) bis in die achtziger Jahre fort und gab dem Berliner Naturschutz bedeutende Impulse.
     Wendland wurde am 2. Juli 1896 in Judopönen im damaligen Ostpreußen geboren. Seine Schulbildung bis zum Abitur absolvierte er in Danzig. Schon in diesen frühen Jahren entwickelte sich Wendlands Liebe zur Natur, insbesondere zu freilebenden Wildtieren und Vögeln. Beobachtungen der Seevögel, aber auch des Wanderfalken, des Auer- und Haselhuhns in Danzigs unmittelbarer Umgebung gehörten zu seinen schönsten Jugenderinnerungen.
     Während seiner Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg in Sibirien erlernte er die russische Sprache. Wieder in Deutschland, studierte er in Berlin slawische Sprachen und Volkswirtschaft. Nach Diplomprüfung und Promotion trat Wendland in Staatsdienste ein und brachte es bis zum Ministerialrat. Von 1946 bis zu seiner Pensionierung 1961 war er Dozent und Lektor für Russisch und Serbokroatisch an der Berliner Humboldt-Universität.
     Vom Berliner Professor und Vogelschützer Stresemann angeregt, erforschte Wendland in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg
Hainer Weißpflug
Das grüne
Verdienstkreuz

Der Victor-Wendland-Ring der Stiftung Naturschutz

Der Victor-Wendland-Ring ist Berlins bekannteste und bedeutendste Auszeichnung für Verdienste auf dem Gebiet des Naturschutzes. Der Ring wurde 1988 aus Anlaß des fünfjährigen Bestehens der Stiftung Naturschutz Berlin erstmalig verliehen.
     Die Auszeichnung, ein Weißgoldring und ein Preisgeld in Höhe von 5 000 DM, wird ähnlich einem Wanderpokal jedes Jahr neu verliehen. Bei den Preisträgern verbleibt eine Kopie aus massivem Silber. Der Stiftungsrat entscheidet über die Vergabe der Auszeichnung, und der vorjährige Preisträger hat das Vorschlagsrecht.
     Die Ausschreibung des Preises folgt einem gesetzlichen Auftrag, wonach richtungweisende Leistungen auf dem Gebiet von Natur- und Umweltschutz, insbesondere solche, die sich durch eine enge Verbindung von Wissenschaft, praktischem Naturschutz und Landschaftspflege auszeichnen, angemessen gewürdigt werden sollen.
     Die Auszeichnung trägt den Namen des Berliner Naturschützers Victor Wendland

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das Leben der Eulen und ihrer Beutetiere. Wendland war als Zoologe und Naturschützer, wie viele vor und nach ihm, Autodidakt und Praktiker. Er gehörte zum Kreis um Oskar Heinroth (1871–1945), dem Begründer der Verhaltensforschung. Wendland war ein sorgfältiger und genauer Beobachter des Verhaltens von Wildtieren und vor allem der Greifvögel. Schon 1937 erregte er mit der Veröffentlichung einer Analyse über die Beziehung zwischen Seeadler und Bleßralle Aufsehen in der Fachwelt.
     Arbeiten über den Habicht, den Wespenbussard und den Bestandswechsel der Gelbhalsmaus (Beutetiere der Eulen) ragen aus der Vielzahl seiner Veröffentlichungen heraus. Jede freie Stunde nutzte Wendland für seine Beobachtungen in der Natur. Neben seiner Publikationstätigkeit hielt er zahlreiche Vorträge, und in seinem Element war er bei Exkursionen und Führungen durch die Wälder, insbesondere den Grunewald. Vielen Berlinern vermittelte er so tiefe Einblicke in das Leben einheimischer Tiere, besonders eindrucksvoll waren auch seine naturgetreuen Nachahmungen der Rufe vieler Vogelarten.
     Anläßlich seines 92. Geburtstages schrieb Heinrich Weiß, damaliger Vorsitzender der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), im »Grünstift«: »Der kundige Ornithologe, Greifvogel- und Eulenexperte, repräsentiert ... wie kein zweiter Berliner subtile Kenntnis der Vogelwelt unserer Hei-
mat, Berlins und der umliegenden Mark.«
      Wendlands Liebe zur Natur, insbesondere zur Tierwelt des Berliner Raums, führte ihn auch zum organisierten Naturschutz. Von 1959 bis 1980 war er Schriftleiter der »Berliner Naturschutzblätter«, die seit 1922 vom »Volksbund Naturschutz e. V.« herausgegeben werden und in dem er über 50 Jahre Mitglied, in den letzten Jahre Ehrenmitglied war. In dieser Zeit erlebte er nicht nur, sondern gestaltete den Umbruch in der Naturschutzbewegung mit, hatte Anteil an ihrer Hinwendung zur aktiven politischen Einflußnahme im Interesse der Erhaltung und des Schutzes von Natur und Umwelt. Herausragend sein Artikel »Ernste Worte und Vorschläge zum Naturschutz in Westberlin«, der 1969 in den Berliner Naturschutzblättern erschien und mit dem er diese Wende entscheidend mitbestimmt hat. »Wer ein Vorstellungsvermögen hat, sieht ein schauerliches Zukunftsbild Westberlins vor sich: eine mit gewaltigen Steinburgen aber auch winzigen Einfamilienhäusern bedeckte Riesenfläche, ein gewaltiges steinernes Meer, aber keine freien Flächen mehr! Keine Felder, nicht einmal mehr Rieselfelder, die wenigstens einen Blick in die Weite gestatten ... Es mag sein, daß diejenigen, die dieses Stadtgebilde schaffen, keinen weiten Horizont brauchen, wir kleinen Leute brauchen ihn ... Naturschutz ist kein Luxus, sondern auch eine soziale Angelegenheit!« Wenn man die Bebauung des Potsdamer Platzes
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oder anderer Gebiete im heutigen vereinten Berlin betrachtet, dann kann man diesen Worten nur zustimmen. Wendland forderte in seinem Artikel die Erhaltung der Reste einer noch ursprünglichen Natur in Berlin; es sollte verhindert werden, daß Pfuhle, Gräben, Waldreste usw. in künstlich angelegte und langweilige Grünanlagen ohne ursprüngliche vielfältige Tier- und Pflanzenwelt verwandelt werden. Wendland forderte, daß sich die Naturschutzstellen in den Bezirksämtern von erfahrenen Naturschützern vor Ort beraten lassen. Es genüge nicht, Naturschutzgebiete festzulegen, man müsse sie auch überwachen und vor Veränderungen schützen, schrieb er. Er warnte vor den Folgen der Absenkung des Grundwasserspiegels im Gefolge der zahlreichen Baumaßnahmen für Berlins Wälder, seine Feuchtgebiete, Seen und Flüsse. Wendland gehörte damit zu jenen, die frühzeitig auf die Gefährdung der natürlichen Lebensumwelt durch die moderne Zivilisation aufmerksam machten und eine aktive Natur- und Umweltschutzpolitik forderten.
     Bis in die letzten Jahre seines Lebens – auch noch nach seinem Umzug nach Wiesbaden – war Wendland mit Berlin und seinem Naturschutz verbunden. Im Alter von 95 Jahren, am 19. Oktober 1990, starb er in Espenschied bei Wiesbaden.
     Mit der jährlichen Verleihung des Victor-Wendland-Ringes erinnert die Stiftung Naturschutz an dessen Namensgeber, und zu-
Victor Wendland
gleich ehrt sie jene, die in die Fußstapfen Wendlands traten. Der erste Preisträger war 1988 Werner Wunderling, Geschäftsführer des Deutschen Bundes Vogelschutz (DBV), erfolgreicher Naturschutzpraktiker, Freund und Mitstreiter Wendlands. Er errichtete z. B. ein ehrenamtliches Helfernetz für die Pflege aufgefundener Vögel.
     1989 wurde Hilmar Klein, Revierförster aus dem Grunewald, mit dem Ring ausgezeichnet. In den frühen 80er Jahren erlebte der engagierte Forstmann die Anfänge des Waldsterbens. Seine öffentlichen Warnungen wurden von Ämtern und
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Vorgesetzten lange als übertrieben abgetan.
     1990 erhielt Heinrich Weiß, Gründer und langjähriger Vorsitzender der »Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz«, Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz Berlin und Mitbegründer des Ökowerkes Teufelssee, den Wendland-Ring. Er organisierte u. a. den Widerstand gegen ein geplantes Kernkraftwerk im Spandauer Forst, und er arbeitete am Berliner Naturschutzgesetz mit.
     1991 wurde mit Heinz Nabrowsky, Leiter des Amtes für Naturschutz und Landschaftspflege im Bezirk Hohenschönhausen, erstmals ein Ostberliner geehrt. Er leitete die Fachgruppe Feldherpetologie (Lehre von den Lurchen und Kriechtieren) beim Kulturbund Berlin und die entsprechende Bezirksgruppe Weißensee.
     1992, auf der Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung Naturschutz Berlin, erhielt Ursula Müller, Mitinitiatorin des Arbeitskreises »Grün macht Schule« und Geschäftsführerin des Freilandlabors Britz, den Preis. Ihr besonderes Augenmerk gilt der Naturerziehung: Schulhofbegrünungen, »Grüne Lektionen« für Schulklassen und Kitagruppen im Britzer Freilandlabor sowie die Erwachsenenbildung gehören dazu.
     1993 wurde Klaus Witt, Berliner Physiker und ehrenamtlicher Ornithologe, Preisträger. Er setzt sich vor allem für den Vogelschutz ein und arbeitet aktiv im Naturschutzbund Deutschland (NABU) und dem Volksbund Naturschutz e. V. mit. Witt führte
die Arbeiten Wendlands zur Bestandsaufnahme der Berliner Vogelwelt fort; die Publikation »Vögel in Berlin (West)«, 1978, und der »Brutvogelatlas Berlin (West)«, 1984, sind nur zwei der bedeutenden Arbeiten, für die er mit seinen Helfern sorgte.
     1994 wurde mit Stephan Brehme ein junger Charité-Arzt geehrt. Gewürdigt wurde u. a. seine Mitarbeit im Naturschutzaktiv Pankow, aus dem nach der Wende 1989 die Bezirksgruppe Pankow des NABU wurde und sein Einsatz für den Artenschutz oder für das Naturschutzgebiet »Karower Teiche«.
     Preisträger 1995 wurde der Chef des Naturschutzbundes, Hans-Jürgen Stork. Damit würdigte die Stiftung den jahrelangen Einsatz des Studiendirektors für Berlins Pflanzen- und Tierwelt, seinen großen Einsatz beim Zusammenführen der Landesverbände Ost und West des NABU.
     1996 bekam der Künstler und Umweltschützer Ben Wagin den Victor-Wendland-Ring. Norbert Meisner, der Vorsitzende des Stiftungsrates, nannte ihn »einen Schamanen«, der zu ganzheitlichem Denken mahnt und die Verletzung des natürlichen Gleichgewichts anklagt.
     1997 schließlich wurde Marianne Weno für ihr politisches Eintreten in Sachen Natur- und Umweltschutz ausgezeichnet. Seit 1984 ist sie aktiv an der Herausgabe und Gestaltung der »Berliner Luft-Zeitung« beteiligt.

Bildquelle: »Grünstift«

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© Edition Luisenstadt, 1998
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