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Sachverständigen, die an ihr theilnahmen, zur vollsten Zufriedenheit ausgefallen.«
     Die zu jener Zeit dienstälteste Berliner Verkehrsanstalt – die Allgemeine Berliner Omnibus-Aktiengesellschaft wurde 1868 gegründet und konnte in der Folgezeit außerordentliche Bedeutung erlangen – sieht im sogenannten elektrischen Omnibus mit Akkumulatorenantrieb eine Chance zur Ablösung der nun schon seit einem halben Jahrhundert von stampfenden Pferden durch Berlins Straßen gezogenen »Omnibusse«. Dafür ist es höchste Zeit, denn die Konkurrenz hat nicht geschlafen, ja, sie scheint sogar mit Riesenschritten davonzueilen.
     Seit 1896 stellt die Große Berliner Pferdeeisenbahn-Aktiengesellschaft (ab 1897 Große Berliner Straßenbahn-Aktiengesellschaft) ihren ganzen Betrieb konsequent auf Elektrizität um. Die neue elektrische Straßenbahn und die sich immer nachhaltiger ankündigende Hoch- und Untergrundbahn, ein ganz klein wenig vielleicht auch erste Automobile, verstärken den Druck auf die ABOAG und andere Omnibusunternehmen, der animalischen Zugkraft nun auch ein Ende zu bereiten, den »Hafermotor« durch etwas Neues zu ersetzen, das dem einsetzenden Automobilismus entspricht.
     Ein erstes greifbares Resultat dieser Bemühungen ist ebenjener elektrisch betriebene Omnibus, der am 25. Mai seine Premierenfahrt absolviert. Sein Äußeres läßt keinen Zweifel an seiner »Herkunft«: Ein großer,

Hans Aschenbrenner
25. Mai 1898:

Probefahrt des ersten Elektrobusses

Als die Allgemeine Berliner Omnibus-Aktiengesellschaft (ABOAG) am Morgen des 25. Mai 1898 den ersten Berliner Elektro-Omnibus auf »offizielle« Probefahrt schickt, ist dafür eine Tour gewählt worden, die dem Wagen gebührende Aufmerksamkeit sichern soll: vom Depot an der Kurfürstenstraße zum Bahnhof Halensee und wieder zurück. Gleich auf der Tauentzienstraße, in die man sich wagt, verliert der Fahrer bei dem Versuch, einem Fuhrwerk auszuweichen, kurzzeitig die Kontrolle über sein Fahrzeug, das erst auf der Mittelpromenade zum Stehen kommt. Ein kleiner Vorfall ohne spürbare Folgen, so daß später auch keine Scheu besteht, die eingesetzte Lenkvorrichtung sogar patentamtlich schützen zu lassen. Ohne weitere Zwischenfälle verläuft dann der Test des Wagens, dessen Fahreigenschaften durchaus zu befriedigen scheinen. Man betrachte es als erwiesen, so heißt es in der »Vossischen Zeitung« noch am gleichen Tage, daß der Wagen »auf allen Pflasterarten leicht beweglich und lenkbar ist«. Die »National-Zeitung« unterstreicht: »Diese Probefahrt ist nach dem übereinstimmenden Urtheil aller

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alter Pferdeomnibus ist in den eigenen Werkstätten der Omnibus-Gesellschaft umgebaut worden. In Zusammenarbeit mit der Union-Elektrizitäts-Gesellschaft (später AEG) und der Gülcher-Akkumulatorenfabrik hat man ihn für Akkumulatorenbetrieb eingerichtet. Erstmals in den Unterlagen der Gesellschaft erwähnt wird das Gefährt im Bilanzbericht 1897 als »im Bau befindlicher Akkumulatoren-Wagen«. Im Bericht für 1898 erfahren die Aktionäre dann über den ersten eigenen Versuch: »Was elektrisch betriebene Omnibuswagen anbetrifft, so können wir mit Genugtuung darauf hinweisen, daß unsere Gesellschaft die erste war, die ... einen solchen Wagen mit ansprechendem Äußeren und eleganter Ausstattung für 26 Personen hergestellt hat.«
     Der Elektrobus wird in der Folgezeit immer wieder getestet. Herausstellen soll sich dabei, ob solche mittels Akkumulatoren bewegten Wagen für den Berliner Verkehr mehr bedeuten können als ein interessantes Experiment, als das sie
zweifellos empfunden werden. Immer wieder gibt es Anzeichen, daß der Versuchs-Omnibus für einen planmäßigen Linienbetrieb viel zu störanfällig und reparaturaufwendig, mithin letztlich ungeeignet ist. Dennoch werden die Tests zunächst fortgesetzt. So trifft die ABOAG 1899 mit der Gesellschaft für Verkehrsunternehmungen ein Abkommen mit dem Ziel, auf der Linie Anhalter Bahnhof – Stettiner Bahnhof (Nordbahnhof) einen geordneten Betrieb auf gemeinsame Rechnung, wie es formuliert wird, zu eröffnen. Für diese Linie hat die ABOAG eine polizeiliche Konzession erhalten. Der beteiligten Gesellschaft fällt vor allem die Aufgabe zu, Wagen in benötigter Anzahl bereitzustellen. Und auch die Stadt bekundet

Der erste Berliner Elektro-Omnibus, 1898

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Interesse; die Verkehrsdeputation erteilt die Erlaubnis, auf dem Askanischen Platz, an der Endstelle vor dem Anhalter Bahnhof, eine Ladestation zu errichten. Zum Unterstellen der Wagen und erforderlicher Maschinen baut die ABOAG auf betriebseigenem Gelände einen Schuppen. Weil die Wagen nicht rechtzeitig geliefert werden können, mißlingt der Plan, wenigstens eine Teilstrecke (vom Anhalter Bahnhof bis zur Karlstraße) schon im September 1899 in Betrieb zu nehmen, damit sie auch von Besuchern der gerade stattfindenden »Internationalen Motorwagen-Ausstellung« in Augenschein genommen werden kann.
     Am 13. März 1900 wird der fahrplanmäßige Probebetrieb eröffnet, aber schon Ende des Jahres infolge vielfältiger Störungen wieder eingestellt. Gleiche Erfahrungen machen auch andere Berliner Omnibusbetriebe. Im Verwaltungsbericht des Königlichen Polizei-Präsidiums von Berlin – Abteilung Verkehrspolizei – für die Jahre 1891 bis 1900 wird dann im Hinblick auf die nun fast drei Jahre währenden Tests der elektrischen Omnibusse mit Akkumulatorantrieb folgendes Fazit gezogen: »Das Urteil über die im Berliner Verkehrsleben bisher erschienenen elektrischen Omnibusse muß also dahin zusammengefaßt werden, daß dieselben zwar schon recht anerkennenswerte Leistungen auf dem Gebiete der elektrischen Fahrzeuge darstellen, jedoch von dem wünschenswerten Grade von Vollkommenheit noch ziem-
lich weit entfernt und bei dem jetzigen Stande der Technik zur Durchführung eines fahrplanmäßigen Omnibusbetriebes noch nicht geeignet sind.«
     Letztlich bringt – wie schon im Fall der Pferdebahn bei ihrem Übergang zur Straßenbahn – der Antrieb mittels Akkumulatoren auch für den Omnibus keine brauchbaren Lösungen. Charakteristisch hingegen bleibt das ungleiche Auf und Ab dieser beiden, stets miteinander konkurrierenden Verkehrsmittel. So auch zu jenem Zeitpunkt: Denn während bereits seit 1902 sämtliche Berliner Straßenbahnstrecken elektrifiziert sind, nimmt die ABOAG erst drei Jahre später auf der Strecke Hallesches Tor – Chausseestraße die ersten beiden Motor-Omnibusse mit knapp 40 Sitzplätzen im Wageninneren und auf dem offenen Oberdeck in fahrplanmäßigen Betrieb. Nicht ohne Malheur verläuft – wie damals bei der Probefahrt des ersten Elektrobusses – die Jungfernfahrt am 19. November 1905, aber lassen wir das ruhig Thema eines weiteren Artikels sein ... Auf jeden Fall kommt es so, daß den Berlinern ungeachtet der neuen Autoomnibusse auch Pferdeomnibusse noch geraume Zeit erhalten bleiben sollten.

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