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Fußball widmen sie sich dem Cricket, dem Schleuderball sowie dem Laufen, im Winter dem Schlittschuhsport.
     Von Anfang an waren Schüler des Askanischen Gymnasiums unter denjenigen, die, inspiriert von in Berlin weilenden jungen Engländern, auf dem Tempelhofer Feld Fußball spielten, ebenso Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (Kochstraße) und anderer in der Nähe des Kreuzbergs gelegener Schulen. Bereits 1883 war der Berliner Cricket-Club gegründet worden, der auch das Fußballspiel betrieb. Zunächst am Hippodrom im Tiergarten, dann gezwungenermaßen, weil vertrieben, in Schönholz auf dem Gelände der Berliner Schützengilde; der Cricket-Club infizierte sozusagen den Berliner Norden mit dem Fußballfieber, denn auf dem »Exerzierplatz an der einsamen Pappel«, dem »Exer« an der Schönhauser Allee, sollte sich dieser Sport nur wenige Jahre später auch etablieren. Schließlich kehrte man zurück aufs Tempelhofer Feld, wo seit 1885 als zweite Mannschaft der Berliner Fußball-Club Frankfurt seine Heimstatt hatte. Ihn gründete der aus einer alten Frankfurter Sportlerfamilie stammende Georg Leux. Das Bezirkskommando des III. Armeekorps in der General-Pape-Straße erlaubte diesem Klub, das Tempelhofer Feld für Übungszwecke zu nutzen. Beide Vereine sind Jahre später wieder aufgelöst worden.
     Anders der BFC Germania. Kurz und
Hans Aschenbrenner
15. April 1888:
Geburtsstunde des BFC Germania

Als der 17jährige Paul Jestram am 15. April 1888 mit seinen drei Brüdern und 30 Gymnasiasten im elterlichen Haus den Berliner Fußball-Club Germania gründet, ahnt keiner von ihnen, daß dieser Verein 110 Jahre später das Prädikat »Ältester deutscher Fußball-Club« tragen wird. Vom Fußballteufel gepackt, beschäftigen sie andere Dinge. Überhaupt noch nicht »in« ist das Gekicke mit dem runden Leder. In Berlin wird es seit etwa 1880 betrieben – zunächst auf dem Tempelhofer Feld. Sportplätze gibt es nicht, und die »Engländerei« stößt bei Schulmeistern, Lehrherren und Vorgesetzten im Beruf auf Widerstände. Eltern, die sonntags mit Kind und Kegel auf dem südlich vor der Stadt gelegenen weitläufigen Gelände Erholung suchen, halten ihre Schützlinge von den Orten fern, wo der Ball getreten wird. Natürlich gibt es Ausnahmen. Die jungen Männer, die den BFC Germania ins Leben rufen, Schüler des Askanischen Gymnasiums, werden schon geraume Zeit von Vater Jestram, einst ein Turner, tatkräftig unterstützt. Er stellt Ball, Stangen, Geräte und Fähnchen zur Verfügung. Neben dem

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knapp ist seine erste Satzung, die Ende 1888 herauskommt. Wert wird auf Disziplin wie auf guten Vereinsgeist gelegt. Pünktliches Erscheinen zu den im Sommer auf dem Tempelhofer Feld allsonntäglich stattfindenden Spielen mit nachfolgender Versammlung sowie zu den im Winter allmonatlichen Sitzungen wird als unbedingt erforderlich bezeichnet. Unentschuldigtes Fehlen
beim Spiel und in der Versammlung kostet 25 Pfennig, Zuspätkommen 10 Pfennig Strafe. Beim Spiel und in der Versammlung nach dem Spiel hat jedes Mitglied das Vereinstrikot zu tragen. Ohne Trikot darf kein Mitglied den Platz betreten. Allen ist aufgetragen, das vertrauliche »Du« zu gebrauchen. Der Monatsbeitrag beträgt 50 Pfennig. Das erste Versammlungslokal liegt in der Bergmannstraße. Zunächst gibt es außer fleißigem Üben keine sportlichen Höhepunkte. Am 22. April 1889 wird dem BFC Germania vom Leiter des Generalkommandos des Gardekorps Berlin »die Genehmi-
Bis in kleinste Details »geplant«: Fußballmatch im Jahre 1891
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gung zur Abhaltung von Spielen an den Sonntagen auf dem Tempelhofer Felde bis zum 1. April 1890 unter der Voraussetzung erteilt, daß der Platz nicht beschädigt wird, und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs dieser Erlaubnis«. Die Fußballfelder mußten damals immer wieder unter Verantwortung der Kapitäne (auch »Kaiserspieler« genannt) abgebaut und so
für das Exerzieren frei gemacht werden.
     Nur sehr langsam nimmt bei den Germanen die Mitgliederzahl zu. Skepsis herrscht noch gegenüber den auch gern als »Proleten« abgestempelten Fußballern. Zudem machen sich einige Unzufriedene selbständig und gründen am 3. Mai 1889 einen eigenen Verein, den sie »Marbert«, dann BFC Stern nennen (auch ihn gibt es heute noch). Wenige Wochen später, am 6. Juni, tritt mit Viktoria (heute BFC Viktoria 89) ein weiterer Fußballklub in Erscheinung. Sowohl Germania als auch Viktoria haben von Anfang an einige Aktive in ihren Reihen, die schon 1886 als Schüler der 186. Gemein- deschule, organisiert von den Lehrern Kopsch (später Rektor sowie Landtags-
und Reichstagsabgeordneter) und Heide,
auf dem Aufmarschgelände des Gardekorps an der verlängerten Möckernstraße

Ein Mannschaftsfoto aus der frühen Zeit des BFC Germania 88
 

Fußball gespielt hatten. Neue Mannschaften bilden sich im Berlin von 1890, und am 4. November jenes Jahres gründet Georg Leux, der sich inzwischen Germania angeschlossen hat, den »Bund Deutscher Fußballer«. 1890 und 1891 gewinnt der BFC Germania die von diesem Bund veranstaltete (inoffizielle) Meisterschaft. In Berlin wird dann der ebenfalls nicht lange bestehende »Deutsche Fußball- und Cricketbund« gegründet, zwischenzeitlich gibt es auch einen »Thor- und Fußballbund Berlins«.
     In der Folgezeit haben die »Germanen«, auch wenn neue Teams mehr und mehr in den Vordergrund rücken, einen nicht

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geringen Anteil am Fußballgeschehen. 1898 schafft der BFC Germania die erste Jugendabteilung eines Fußballklubs. Der Verein bringt vier Nationalspieler hervor und stellt insgesamt 22 Spieler für die Stadtauswahl Berlins. Mit 3:2 Toren gewinnt Germania am 30. April 1905 gegen den bekannten englischen Amateurklub Civil-Service-London. Trotz eines Wochentages finden sich über 1 000 Zuschauer auf dem Germania-Platz in Tempelhof, Ringbahnstraße, ein. Aufmerksam wird, besonders vom Militär, registriert, daß Kronprinz Wilhelm gerade dieses Match auswählt, um erstmals ein Fußballspiel anzusehen. Statt vorgesehener 30 Minuten bleibt er zwei Stunden, richtet nach Spielschluß in englischer Sprache einige Worte an die Gastmannschaft und überreicht dem »Germanen«-Kapitän einen von ihm gestifteten silbernen Pokal.
     Zu den Traditionen des BFC Germania gehört es, das Verbandsleben, auch über die Grenzen Berlins hinaus, mitzuprägen. So spielen Georg Demmler und Fritz Boxhammer nicht nur erfolgreich Fußball, sondern sie sind aktiv an der Gründung und Entwicklung des Berliner Fußball-Verbandes (1897) und des Deutschen Fußballbundes (1900) beteiligt. Georg Demmler ist es auch, der 1898 in Leipzig die Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik mit ins Leben ruft, und er wird deren erster Präsident. Auch in der Leichtathletik und im Cricket werden von den Mannen Germanias in jenen
Jahren nicht wenige Meistertitel errungen.
     Heute spielt der BFC Germania 88 mit seiner »Ersten« in der Landesliga, der zweithöchsten Berliner Spielklasse. Domizil des Vereins ist seit 1988 die schöne Sportanlage Götzstraße 34, umgeben von Schulen, Kindertagesstätten, Wohnbesiedelung und Kleingärten, etwa 1 000 Meter vom U-Bahnhof Alt- Tempelhof (Ausgang stadtauswärts) entfernt. Fast die Hälfte der Mitglieder sind Ausländer, besonders hoch ist ihr Anteil im Jugendbereich. Gesetzt wird auf Integration. Es gibt 12 Kinder- und Jugendmannschaften in allen Altersklassen. Darauf ist Günter Kube, seit fast 15 Jahren an der Spitze von Germania 88, stolz. Er bedauert, daß vieles aus der Geschichte auch seines Vereins im heutigen Bewußtsein der Menschen verlorengegangen ist. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde ein »Historisches Eckfenster« mit den Ehrenpreisen des Klubs, drei Fotoalben und rund 2 000 Aufnahmen vernichtet, die bis in die Anfangszeit des Fußballsports und der Leichtathletik zurückreichten. Um so mehr hütet Germania 88 heute eine von Emil Wernicke, einst leidenschaftlicher Fußballer und Leichtathlet, später bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg langjähriger und umsichtiger Vorsitzender des Vereins, verfaßte und illustrierte Chronik. Sie zeigt, welch reiche Geschichte auch Vereine haben, die nie im Licht des Profifußballs standen.
Bildquelle: Archiv BFC Germania 88 e. V.
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