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Hainer Weißpflug
Die Feldlerche ist Vogel des Jahres

Ein heißer Sommertag. Über den weiten Getreidefeldern wölbt sich ein strahlend blauer Himmel, und von weit oben ist der lang anhaltende trillernde Gesang eines Vogels zu hören. Immer wieder sucht man den Himmel nach dem kleinen Sänger ab. Mit bloßem Auge ist er kaum zu finden, nur manchmal erscheint ein kleiner Punkt, der hin und her, auf und ab schwirrt. Wer kennt ihn nicht, den kleinen fleißigen Sänger, der zuweilen auch andere Vogelstimmen nachahmt– die Lerche?
Eine Lerchenart wurde jetzt vom Naturschutzbund Deutschlands zum Vogel des Jahres 1998 erwählt. Das ist kein gutes Zeichen, denn die Feldlerche gehört inzwischen zu den gefährdeten Tierarten.
     Vor allem die Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft und die Expansion großer Städte, wie z. B. Berlin, bedrohen die Existenz des von vielen Dichtern besungenen Vogels.
     Die Feldlerche (Alauda arvensis) ist ein unauffällig graubraun gefärbter Bodenvogel. Sie wird bis zu 18 cm groß und 40 Gramm schwer. Auf dem Kopf trägt sie eine kleine Federhaube, und der Schwanz ist von wei-

Feldlerche
ßen Außenkanten gesäumt. Ihr Lebensraum sind Felder, Äcker und Wiesen in weiträumigen und offenen Landschaften. Wie die anderen zwei Arten, die Hauben- und die Heidelerche, brütet sie ein- bis dreimal im Jahr. Eine intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung ihres Lebensraumes zerstört häufig die Gelege (durchschnittlich drei bis fünf Eier in Bodenmulden) oder verhindert das Brüten durch häufige Störungen. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln vernichtet zudem die Nahrungsgrundlage der Vögel – sie finden immer weniger Insekten. Die Feldlerche ist von alldem besonders betroffen, weil sie mehr als die anderen Lerchenarten an den Boden gebunden ist. Sie fliegt nie auf Bäume wie die Heidelerche oder auf Gebäude wie die Haubenlerche, nur gelegentlich sieht man die Männchen auf Pfählen von
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Weidezäunen sitzen. Werden die Vögel also durch Landmaschinen gestört, so drücken sie sich entweder tief in ihre Nestmulden oder fliegen auf.
     Mit über 2,5 Millionen Brutpaaren ist die Feldlerche in Deutschland zwar noch relativ häufig vertreten, aber ihr Bestand ist in den letzten 20 Jahren um 20 Prozent zurückgegangen, in Schleswig-Holstein sogar um 50 Prozent, wie der Naturschutz-
dow, auf dem Massiner Feld und Buckower Feld sind verschwunden, weil diese Flächen zunehmend für Wohnbauten, Industrie- und Gewerbeansiedlungen bzw. für die Bundesgartenschau genutzt und damit den Vögeln als Lebensraum entzogen wurden. Die Nutzung ehemaliger Ruderalflächen (stickstoffreiche Schuttplätze), wie beispielsweise die Marienfelder oder die Marzahner Müllkippe, für die Anlage
bund Deutschlands mitteilt. Auch in Berlin bzw. im Berliner Raum ist diese Tendenz festzustellen. Zwar gehört die Feldlerche bis heute zu den auf den Berliner Feldfluren heimischen Vögeln, jedoch verweisen Untersuchungen aus den achtziger Jahren, die in Brutvogelatlanten für Westberlin und für Ostberlin zusammengefaßt wurden, auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Bebauung von Freiflächen und der Abnahme von Brutpaaren der Feldlerche. Im Brutvogelatlas für Westberlin von 1984 wird eine dramatische Bestandsabnahme der Feldlerche festgestellt. »Vom Feldgelände Marienfelde liegen folgende Reviermeldungen vor: 1975 21, 1976 13, 1978 8, 1979 3, 1980/81 2, 1982 1, 1983 keine Meldung!« Brutreviere in Ru-

Vorkommen der Feldlerche

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von Erholungsparks schränkte auch diese Rückzugsgebiete der Feldlerche ein. Rückgänge wurden auch auf den Feldfluren von Lübars im Norden festgestellt, während die Bestände in den Spandauer Gebieten und auf den Flächen ehemaliger und bestehender Flughäfen relativ gleich blieben.
     Die Gatower Felder z. B. erwiesen sich als eines der wertvollsten Brutvogelgebiete von Westberlin, 18 Reviere wurden hier 1986/87 festgestellt.
     Bedeutend häufiger war die Feldlerche auf dem Gebiet Ostberlins vertreten. Das wurde durch die größere Anzahl an Feld-, Wiesen- und Brachflächen vor allem im Nordosten, Osten und Südosten Berlins begünstigt. Vor allem die Bezirke Pankow, Weißensee, Hohenschönhausen, Marzahn und Köpenick mit den zahlreichen ehemaligen Rieselfeldern, den weiten Wiesen- und Feldflächen bieten der Feldlerche eine Vielzahl an Brut- und Nistplätzen. Ein 1988 erschienener Brutvogelatlas für Ostberlin zeigt eine starke und beständige Verbreitung der Vögel. Von 1978–1982 wurden dazu Beobachtungen durchgeführt und in eine in Rasterflächen eingeteilte Karte eingezeichnet. Neuere Untersuchungen sind mir bisher noch nicht zugänglich.
     Aber eines scheint klar: Wenn die Freiflächen in Buch, Marzahn, Hohenschönhausen oder Köpenick weiter so bebaut werden – zu DDR-Zeiten entstanden die großen Plattenbausiedlungen, heute sind es
große Wohnsiedlungen in den Randgebieten mit Supermärkten oder Einkaufscenter, Gewerbeparks usw. –, dann werden auch die hier noch vorhandenen Bestände der Feldlerche verschwinden.
     Naturschutz kann nicht getrennt von anderen Lebensbereichen behandelt werden. Hoffen wir, daß es gelingt, bedrohte Tierarten wie die Feldlerche zu erhalten. Wir wollen uns auch künftig an ihrem Gesang hoch am Sommerhimmel erfreuen.

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© Edition Luisenstadt, 1998
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