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Ohne die Zustimmung des Monarchen konnte in der Residenz nichts verändert werden, und schon gar keine Straßennamen.
     Im Jahre 1839 bot sich die Gelegenheit, einen neuen Versuch zu unternehmen. Der Polizeipräsident wagte im September einen erneuten Vorstoß, die schlimmsten Ungereimtheiten dieser Art zu beseitigen. Dabei bezog er die Alte Kommandantenstraße ein. Für sie hatten schon damals die Berliner eine umgangssprachliche Benennung gefunden, nämlich die Neue Promenade. Diese wurde für gut befunden und nun als neuer Benennungsvorschlag in den Antrag aufgenommen. Dem war zunächst Erfolg beschieden. Der Minister nahm alle Vorstellungen in seinen Antrag auf und trug dem König die Veränderungen an.
     Im Januar 1840 war es dann soweit. König Friedrich Wilhelm III. bestätigte am 29. Januar 1840 als einzige Änderung die Umbenennung der Alten Kommandantenstraße, und so hieß sie von da ab auch offiziell Neue Promenade.
     Am 19. Mai 1862 wurde in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dem Magistrat vorzuschlagen, für diese Straße zu Ehren Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814) den Namen Fichtestraße zu beantragen.
     Dafür gab es gute Gründe. Es war der 100. Geburtstag des Philosophen gefeiert worden, von den 15 Jahren, die Fichte in Berlin verbracht hatte, wohnte er sechs Jahre in dieser Straße. So ging denn der An-
Otto Dittkrist
Neue Promenade
statt Fichtestraße

Heute ist sie eine kleine, eher unscheinbare Straße, die Neue Promenade im Bezirk Mitte. Dennoch hat sie bei den Straßenbenennungen eine besondere Rolle gespielt.
     Als die Straße im alten Berlin errichtet wurde, lag sie ganz am Rande der Stadt, am Festungsgraben, und so erhielt sie auch den bezeichnenden Namen »Am Fortifikationsgraben«, eine durchaus zutreffende, wenn vielleicht auch nicht ganz glückliche Benennung. Dann wurde sie zur Kommandanten-, bzw. Alten Kommandantenstraße, nachdem es in Berlin zwei davon gab. Sofort trat das leidige Problem der Doppelbezeichnungen auf. Im Jahre 1812 klagt das Polizeipräsidium darüber, daß es viele doppelte oder ähnliche Benennungen bei den Berliner Straßen gibt, die das Zurechtfinden in der damals viel kleineren Stadt erheblich erschweren. Dazu gehörten eben auch die zwei Kommandantenstraßen, die Alte und die Neue. Man hatte schon einiges in die Wege geleitet, um dem abzuhelfen. Aber die Order König Friedrich Wilhelms III. (1770–1840, König seit 1797), am 20. Dezember 1813 im Hauptquartier in Frankfurt am Main erteilt, nahm alles wieder zurück.

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trag vom Magistrat an das Polizeipräsidium und von diesem an das in diesen Fragen jetzt zuständige Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Der Minister hatte keinen Grund, ihn aufzuhalten, und bat seinerseits guten Gewissens den König, die Namensänderung für die Straße per Order zu vollziehen.
     Die Reaktion war anders als erwartet. König Wilhelm I. (1797–1888, König ab 1861, Kaiser ab 1871) gab den Bericht unerledigt zurück und bestand zunächst auf Klärung eines Einspruchs der Hausbesitzer in der Straße.Mit ihnen muß wohl niemand gesprochen haben. Sie hatten – wie es oft auch heute noch geschieht – aus »den öffentlichen Blättern« von dem erfahren, was ihnen und ihrer Straße zugedacht war. Nun ersuchten sie um Hilfe und Unterstützung des Landesherrn, bei ihrem alten und offensichtlich beliebten Straßennamen bleiben zu dürfen. Es war kein Affront gegen Fichte, dessen Bedeutung verkannten sie durchaus nicht, aber, so meinten sie, seine Ehrung müsse nicht unbedingt mit dieser Straße verbunden sein. Den gegebenen Bedingungen entspräche der derzeitige Name viel besser, und man möchte es doch dabei belassen.
     In diesem Falle gab des Volkes Stimme viel und vielleicht auch vielen zu denken. Der Magistrat prüfte und sah sich genötigt, »in Anbetracht der obwaltenden Verhältnisse« vom Antrag Abstand zu nehmen. Am
26. September 1862 vermeldete der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, der Herr Graf von Itzenplitz, solches dem Könige und bat darum, eine entsprechende Bescheidung der Bittsteller vornehmen zu dürfen. Das wurde auch mit Order vom 28. September 1862 gewährt.
     Mit Schreiben vom 11. Oktober 1862 erhielten Herr Faehnrich und die anderen Antragsteller den Bescheid, daß die Neue Promenade ihren Namen behält. So haben wir es hier mit dem seltenen Fall zu tun, in dem sich Bürger für die Beibehaltung des Namens ihrer Straße eingesetzt haben und dabei erfolgreich blieben.

Quelle:
GStA PK I. HA Rep 93 B, Akten der Sektion Handel, Gewerbe und Bauwesen

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