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und Privatstraßen unterschieden wird. Die zwei entscheidenden Absätze zur Straßenbenennung in Paragraph 5 besagen schlicht:
1. Die öffentlichen Straßen sind zu benennen, sobald es im öffentlichen Interesse, insbesondere im Verkehrsinteresse, erforderlich ist.
2. Die Benennung ist im Amtsblatt für Berlin bekanntzugeben. Sie ist in das Straßenverzeichnis (Paragraph 6) einzutragen, wenn sie unanfechtbar geworden ist.

Eingriff in die
Rechte der Bezirke

Die Ausführungsvorschriften bestimmen zunächst, daß die Straßenbenennung »bezirkseigene Angelegenheit ist«, wobei auch eine Umbenennung als Benennung gilt. In der Geschichte gab es allerdings immer Meinungsverschiedenheiten zwischen Obrigkeit, kommunaler Verwaltung und den Bürgern. Auch heutzutage protestieren Bürgermeister oder Bezirksverordnetenversammlungen gegen von oben verkündete Benennungen, oder die Obrigkeit akzeptiert beschlossene Namen nicht. Die Umbenennung von Arthur-Becker-Straße, Hans-Beimler-Straße, Bersarinplatz und Clara-Zetkin-Straße traf auf den Widerstand der damaligen Bezirksbürgermeister von Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain. Andererseits hatte die BVV Mitte beschlossen, die Otto-Grotewohl-Straße in Toleranzstraße umzu-

Herbert Mayer
Im Dschungel der Straßennamen

Diskussionen um Straßennamen werden meist heftig und kontrovers geführt. Der wenig erquickliche Schlagabtausch um die Benennung einer Straße nach Marlene Dietrich oder eines Platzes nach den Ereignissen des 18. März 1848 haben das wiederum deutlich gemacht. Manche Vorschläge haben wohl keine Chance, verwirklicht zu werden, so der, sofort eine Straße nach »Lady Di« zu benennen. Schließlich gibt es das »Berliner Straßengesetz« vom 28. Februar 1985 mit Änderungen vom 30. Juni 1988, die »Ausführungsvorschriften zu Paragraph 5 des Berliner Straßengesetzes« vom 6. Dezember 1985 sowie die »Verwaltungsvorschriften zur Änderung der Ausführungsvorschriften« vom 16. August 1991. Gesetz und Verordnung sind das eine, ihre Interpretation und Anwendung oder auch ihre Ignorierung das andere.
     Ein Blick in oben genanntes Regelwerk zur Benennung von Straßen und Plätzen ist also angebracht. Das Straßengesetz beinhaltet selbst nur weniges direkt zur Benennung, zumindest kann sich der Bürger aber informieren, was zu einer Straße gehört und daß zwischen öffentlichen Straßen

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benennen, nach Ablehnung in Willy-Brandt-Straße. Der Senat griff – erstmals – in die Rechte der Bezirke ein und benannte die Straße in Wilhelmstraße um, genauer gesagt zurück. Das »Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten für den Ausbau Berlins als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland« vom 6. April 1993 mit der »Verordnung zur Durchführung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes« erlaubt das.
     Zu den Prinzipien der Namensgebung zählt, daß sie möglichst »von der Örtlichkeit, oder von örtlichen geschichtlichen Verhältnissen, Ereignissen und Personen hergeleitet werden«. Zu den Grundsätzen gehört, daß Namen nur einmal vorkommen, daß sie kurz, einprägsam und gut verständlich sind und nicht zu Verwechslungen führen. Sind Sültstraße oder Sylter Straße, Oker oder Okertalstraße, Lübener Weg und Lübbener Straße, Höhmannstraße oder Hohmannstraße Benennungen, die in ihrer »Aussprache oder Schreibweise ähnlich« und daher zu vermeiden sind? Laut Bestimmungen gilt als Wiederholung, wenn die Straßennamen nur im Grundwort anders lauten, also sich nur durch Allee, Damm, Platz, Promenade, Steg, Straße oder Weg unterscheiden. Danach schmücken zu viele Birken den Berliner Schilderwald. Es existieren fünfmal die Birkenallee, einmal der Birkenknick, einmal der Birkenplatz, fünfmal die Birkenstraße, zweimal der Birkenweg, vom Birkensteinweg ganz zu schweigen. Bleiben könnte
danach nur eine. In der Debatte um die Niederkirchnerstraße vor einigen Jahren ist die zweifache Ehrung für Niederkirchner angeführt worden: als Niederkirchnerstraße und als Käthe-Niederkirchner-Straße. Manches bleibt eine Interpretationsfrage, beruft man sich z. B. darauf, daß dies ein ähnlicher Name ist, oder darauf, daß keine Verwechslung möglich ist. Das Abgeordnetenhaus entschied mit 106 zu 96 Stimmen bei vier Enthaltungen, daß der Name Niederkirchnerstraße bleibt. Die Bestimmungen über die Wiederholungen haben ihre Tücken, auch für Fachleute. So schlug eine unabhängige Kommission zur Umbenennung von Straßen, die sich im Auftrag des Senats mit 17 Straßen im Stadtzentrum befaßt hatte, in ihrem Abschlußbericht von 1994 vor, eine Schinkelallee und Hegelallee zu benennen. Der Stadtplan belegt, daß es bereits eine Schinkelstraße in Grunewald gibt, nach Hegel ist ein Platz in Mitte benannt. Die Wilhelm-Pieck-Straße hätte eigentlich entsprechend den Prinzipien nicht in Torstraße umbenannt werden dürfen, da es einen Torweg bereits in Steglitz gibt. Auch das ist eine Frage der Interpretation, denn ein weiterer Passus besagt, daß bei Rückbenennungen der vorherige Straßenname, auch wenn er zu einer Wiederholung führt, verwendet werden darf, wenn es sich um einen »besonders bedeutsamen historischen, über Berlin hinaus bekannten Namen« handelt. Ob das bei der Torstraße zutrifft, ist ebenfalls
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Ansichtssache. Die Straße hieß – nach dem Deutsch-Französischen Krieg benannt – von 1873 bis 1951 Elsasser bzw. Lothringer Straße, nur für einige Zeit trug ein Teilabschnitt zwischen Oranienburger und Rosenthaler Tor im 19. Jahrhundert den Namen Thorstraße.
     Keine Regel ohne Ausnahme, das gilt auch bei Straßennamen. Nicht als Wiederholung zählt eine Benennung, wenn ein Platz im Verlauf oder im Anschluß an eine Straße den gleichen Namen trägt. Mit anderen Worten: In Schöneberg können Winterfeldt- oder Varziner Platz und -straße bleiben.

Nahe Angehörige
müssen gehört werden

Heute dürfen Straßen erst fünf Jahre nach dem Tode einer Person nach dieser benannt werden. Zugleich wird bestimmt, daß »nahe Angehörige« gehört werden. Könnte also z. B. die Witwe Willy Brandts einen solchen Namen verhindern? Da gibt es aber nun wieder die Passage, daß die Anhörung bei einer »besonders bekannten Persönlichkeit« entfallen kann.
     Des weiteren wird auch vorgegeben, daß bei der Benennung nach Personen Vornamen, Titel oder Zusätze nicht verwendet werden dürfen. Folglich nun Brandtstraße? Solch einen Straßennamen gibt es aber bereits, zum anderen ist festgelegt, daß Vornamen, Titel oder Zusätze verwendet werden können, wenn es sonst zu »Mißdeutun-

gen« kommen könnte oder bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der »Bedeutung oder dem üblichen Gebrauch ihrer Namen nicht genügend Rechnung getragen werden würde«. In der Regel wird daher heutzutage der entsprechende Passus ignoriert und mit vollem Namen und teilweise auch mit Titel benannt. Der Amtsvorgänger von Willy Brandt, Konrad Adenauer, ist mit der Benennung eines Platzes geehrt, dem Adenauerplatz. Nun ist vorgesehen, im künftigen Regierungsviertel eine Straße in Konrad-Adenauer-Straße zu benennen, eine weitere soll Paul-Löbe-Allee heißen, obwohl es eine Paul-Löbe-Straße bereits gibt. Ähnliches trifft für eine Fürst-Bismarck-Straße zu, da es in Berlin fünf Bismarckstaßen gibt.

Einmalig:
Prinz-August-Wilhelm-
von-Württemberg-Straße

Die doppelt oder mehrfach vorkommenden Namen sind ein ständiges Ärgernis, Verwechslungen also vorprogrammiert. Dieses Problem ist mit den Eingemeindungen in Berlin vor allem seit 1920 (und nur zum geringen Teil durch die Teilung der Stadt nach 1945) entstanden. In der Zeit der Weimarer Republik scheiterten alle unternommenen Versuche, Mehrfachbenennungen zu ändern, zumal sich auch hier unterschiedliche Interessen gegenüberstanden, vor allem bei »monarchistischen« Namen. Damals wurde der wohl in unserem Jahrhundert längste

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Berliner Straßenname umbenannt: die Prinz-August-Wilhelm- von-Württemberg-Straße in Columbiastraße, sie gehört heute zum Columbiadamm.
     In den Bestimmungen ist festgelegt, daß »Wiederholungen im Laufe der Zeit« zu beseitigen sind. Dabei sind Prioritäten gesetzt. Vorrang haben zum einen Straßen, die in Grund- und Bestimmungswort gleich sind. Danach dürften von der Kaiserin-Augusta-Straße (Tiergarten) und der Kaiserin-Augusta-Straße (Tempelhof), von den Kaiserstraßen in Lichterfelde, Mariendorf, Spandau und Wannsee, den Kantstraßen in Mahlsdorf oder Steglitz nur eine übrigbleiben. Eine weitere Vorrangigkeit betrifft bestimmte Namen aus der Zeit von 1933 bis 1945 bzw. (in Ostberlin) aus der Zeit von 1945 bis 1989. Erst seit 1985 legen die Bestimmungen fest, daß »Umbenennungen mit einem neuen oder dem vorherigen Straßennamen zulässig sind, um aus der Zeit von 1933 bis 1945 stammende Straßennamen nach aktiven Gegnern der Demokratie und geistig-politischen Wegbereitern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu beseitigen. Das gilt auch für Straßen, die in der Zeit von 1933 bis 1945 aus politischen Gründen anderweitig benannt oder umbenannt worden sind (nach Orten, Sachen, Ereignissen).«
     Insgesamt dürften es immer noch über 100 Straßennamen sein, die entgegen diesen Reglungen aus der Nazizeit stammen. Als bekannteste Beispiel wird meist das Tempel-
hofer Fliegerviertel angeführt, wo 1936 die Nazis zum »Tag der deutschen Luftwaffe« Straßen benannten. Zu den heute noch bestehenden Namen gehören Benennungen nach Boelcke, Gontermann, von Richthofen, Loewenhardt, Rumey oder Wolff. Seit 1957 (!) gibt es in diesem Viertel auch eine Udetzeile, benannt nach Udet, einem Kampfflieger im Ersten Weltkrieg, der sich dann als Kunstflieger einen Namen machte und in der NS-Zeit in Görings Luftfahrtministerium im Range eines Generaloberst stand. In Reinickendorf war 1941 die Hoeferstraße nach einem Mann benannt worden, der nicht nur im Ersten Weltkrieg eine Division kommandierte und Anfang der zwanziger Jahre einen polnischen Aufstand in Schlesien niedergeschlagen hatte, sondern später als SS-Oberführer im Generalsrang war, auch sie trägt bis heute diesen Namen. Auch die von den braunen Machthabern umbenannten Straßen, die Namen jüdischer Persönlichkeiten trugen, sind zum Teil noch nicht rückbenannt worden. So war 1938 die Sternstraße, sie trug seit 1906 nach dem Musiker Julius Stern ihren Namen, in – ebenfalls nach einem Musiker – Klindworthsteig umbenannt worden, einen Namen, den sie bis heute behalten hat.
     Der sich auf 1933 bis 1945 beziehende Passus wurde 1991 – inhaltlich fast gleichlautend – neu gefaßt, bezogen auf »aus der Zeit von 1945 bis 1989 stammende Straßennamen nach aktiven Gegnern der Demokratie und
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zugleich geistig-politischen Wegbereitern der stalinistischen Gewaltherrschaft, des DDR-Regimes und anderer kommunistischer Unrechtsregime« sowie auf »Straßen, die in der Zeit von 1933 bis 1989 aus politischen Gründen anderweitig benannt oder umbenannt worden sind (nach Orten, Sachen, Ereignissen, Organisationen, Symbolen)«. Für diese Umbenennungen wurde eine andere Bestimmung, nach der eine Umbenennung erst sechs Monate nach ihrer Veröffentlichung wirksam ist, außer Kraft gesetzt.

Auf dem neuen Straßenschild
fehlte Möllendorff ein »f«

Manches mutet übereilt oder gar kurios an. Kurios gestaltet sich die »Umbenennung der Umbenennung« in Treptow. Für die 1960 entstandene Straße des NAW (Nationales Aufbauwerk) war zunächst vorgesehen, sie in Straße der Trümmerfrauen umzubenennen. Sie erhielt aber dann am 1. Januar 1992 den Namen Graben. Das führte offenbar zu Verwechslungen mit der in der Nähe liegenden, ähnlich lautenden Grabenstraße. Es folgte daher am 1. August 1993 die »Umbenennung der Umbenennung«, nun in Am Plumpengraben. Als die Straße der Befreiung umbenannt wurde, war ein Teil der Straße – der in Lichtenberg – bereits am 9. Januar 1992, der Teil in Marzahn erst am 31. Januar umbenannt worden. Als die Jacques-Duclos-Straße in Möllendorffstraße

zurückbenannt worden war, fehlte auf dem neuen Straßenschild ein »f«. Hingegen war die Fritz-Selbmann-Straße zunächst in Maxi-Wander-Straße umbenannt worden, Anfang 1993 erfolgte die Korrektur in Maxie-Wander-Straße.
     Diese Korrektur ergibt sich aus der Regelung, daß sich die Schreibweise der Straßennamen bei Eigennamen nach der amtlichen Schreibweise, ansonsten nach der gültigen Rechtschreibung zur Zeit der Benennung richtet. Damit kann die Saßnitzer Straße so bleiben und muß nicht in Sassnitzer Straße, wie der Ort seit einigen Jahren geschrieben wird, umgewandelt werden.
     Manchmal scheinen die Behörden ihre Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache zu haben oder sich zu irren, und zwar nicht nur heutzutage. So hieß ein Teil der heutigen Robert-Uhrig-Straße 1951 bis 1957 Urigstraße, bis man den Fehler dann bemerkte und in Uhrigstraße korrigierte. Die Prinz-Georg-Straße trägt seit 1899 diesen Namen, weil man fälschlich davon ausging, daß die benachbarte Albertstraße nach dem König von Sachsen hieß. Diese hatte ihren Namen aber nach dem Vornamen des Anliegers Albert Grix erhalten. In Wilmersdorf mußte 1932 der im Vorjahr benannte Larionweg in den noch heute gültigen Namen Carionweg umbenannt wurde. Die Straße sollte nach Johannes Carion heißen, dem Astrologen und Historiker am Berliner Hofe, der u. a. den Untergang Berlins vorausgesagt haben soll!
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Nach den Regeln der Rechtschreibung müßten Straßennamen mit der Endung »er«, die nach geographischen Begriffen benannt sind, auseinander, sind sie hingegen nach Personen benannt, zusammengeschrieben werden. In Treptow ist die Waiblinger Straße keineswegs nach dem Ort in Baden-Württemberg benannt, sondern nach einem Dichter; die richtige Schreibweise wäre also Waiblingerstraße. Umgekehrt in Wilmersdorf: Dort hatten die Nazis 1938 die Auerbachstraße – sie hatte ihren Namen nach dem jüdischen Heimatschriftsteller Auerbach (er hieß ursprünglich Auerbacher) – in Auerbacher Straße nach einem Ort umbenannt. In der Debatte um die Rückbenennung einigten sich nach einigen Kontroversen die Wilmersdorfer darauf, die Straße künftig Auerbacher Straße nach dem jüdischen Schriftsteller zu nennen, ungeachtet der Konsequenz, daß sie dann Auerbacherstraße geschrieben werden müßte.
     Ein weiteres, amtlich verankertes Prinzip ist, daß in begrifflich zusammenhängenden Vierteln (also in »Künstler-«, »Maler-« oder »Städte«-Vierteln) Straßennamen zu verwenden sind, die dem »Namenscharakter« des Viertels entsprechen. Manchmal sind, ob absichtlich oder in Unkenntnis, falsche Fährten gelegt. In Treptow besteht bis heute eine Usedomstraße, die 1906 ihren Namen erhielt. In der Nähe befindet sich eine Warnowstraße, so daß anzunehmen wäre, daß sie »zusammenhängen«. Im Juni 1906 waren
in Treptow drei Straßen mit Usedom, Auerswald und Waldersee nach »berühmten, bereits verstorbenen verdienten Männern« benannt worden.Wieweit eine andere Forderung der Bestimmungen, daß Straßen vorrangig nach Frauen benannt werden sollen, verwirklicht ist, zeigt ein Blick auf den Stadtplan. Auch die jüngsten Benennungen haben da wohl nicht allzuviel bewirken können.

Bekanntgabe muß sechs Monate
vorher erfolgen

Eine Straßenbenennung bedeutet eine lange bürokratische, dennoch letztlich sachlich notwendige Prozedur. Die Bezirke haben sich vorher abzustimmen, um Doppelbenennungen zu vermeiden. In der Regel erfolgt daher ein umfangreicher Briefwechsel zwischen den zuständigen Tiefbauämtern, ob in einem anderen Bezirk nicht ein gleicher oder ähnlicher Straßenname besteht oder die Absicht zu einer solcher Benennung vorhanden ist. Benennungen treten sechs Monate nach ihrer Bekanntgabe in Kraft. Solche Rekorde wie 1961 oder 1958, als in Schöneberg innerhalb weniger Tage nach dem ermordeten USA-Präsidenten der John-F.-Kennedy-Platz (bis dahin Rudolph-Wilde-Platz) bzw. nach dem verstorbenen ehemaligen Regierenden Bürgermeister der Walter-Schreiber-Platz (vorher namensloser Platz) benannt wurden, sind also kaum noch möglich. Die Vorschriften sehen auch vor, daß

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die Anwohner rechtzeitig, nämlich sechs Monate vor Wirksamwerden, über vorgesehene Benennungen, Umbenennungen oder Änderung von Schreibweisen informiert werden; sie sollen »durch Handzettel, Hausmitteilung oder ähnliches in Kenntnis« gesetzt werden. Sie können gegen eine vorgesehene Benennung Widerspruch einlegen. Manchmal führt er zum Erfolg, meist jedoch nur zu Verzögerungen beschlossener Benennungen.
     Erfolg hatte 1991 zum Beispiel der Widerspruch, die Heinz-Hoffmann-Straße in die bestehende Grottkauer Straße einzubeziehen. Dies hätte nämlich bedeutet, daß die Häuser der Grottkauer Straße neue Nummern erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen besagen aber, daß »Umnumerierungen der Grundstücke unterbleiben oder auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden« sollen. Der Kompromiß: Die Heinz-Hoffmann-Straße heißt seit 1993 Neue Grottkauer Straße. Lange verzögert wurde die Umbenennung der Reichssportfeldstraße in Charlottenburg, die fast ein Jahrzehnt, seit 1989, im Zentrum heftiger Auseinandersetzungen stand. Erst eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gab den Weg im Februar 1997 frei, sie nach Alfred und Gustav Felix Flatow (sie gehörten bei den Olympischen Spielen 1896 in Athen zu den ersten deutschen Goldmedaillengewinnern und waren von Nazis – da jüdischer Herkunft – ermordet worden) in Flatowallee umzube-
nennen. Umbenannte Straßen sind ein halbes Jahr lang erkennbar, da nach erfolgter Umbenennung die alten Straßenschilder diagonal rot durchgestrichen werden und neben dem neuen Schild sechs Monate angebracht bleiben müssen.
     Manchmal verbergen Namen den eigentlichen Grund der Benennung. Die Spanische Allee, im Westen der Stadt gelegen, ist 1939 unter großem Pomp der Nazis zur Ehrung der Legion Condor bei deren Heimkehr benannt worden. Sie hatte in Spanien im Bürgerkrieg an der Seite Francos gestanden. Die im Osten gelegene Bulgarische Straße und die Griechische Allee sind ebenfalls mit beträchtlichem propagandistischem Aufwand 1935 bzw. 1937 benannt worden, um die Freundschaft und Verbundenheit des faschistischen Deutschlands mit den dortigen autoritären Regimes zu bekunden. Beide überstanden 40 Jahre DDR!
     In den angeführten Bestimmungen ist nicht vorgesehen, daß Straßennamen bei Beibehaltung ihres Namens eine andere inhaltliche Bedeutung erhalten. Vorgesehen ist aber, daß dort, wo »die Bedeutung der Straßennamen nicht eindeutig zu erkennen ist«, Erläuterungsschilder angebracht werden. Aber warum nicht bei allen ein kurzer Verweis auf die Straßengeschichte? Übrigens haben in Berlin fast 500 Straßen statt eines Namens lediglich eine Nummer. Fehlt es da etwa an Ideen? Wie wäre es denn mit einer Piscator- oder Remarquestraße?
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