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ke, Gilden, Ämter, Zechen, Gaffeln bezeichnet) finden sich ab 15. Jahrhundert Bestimmungen über das Aufdingen bzw. Einschreiben von Lehrlingen in die Zunft, über ordnungsgemäße Lehre, Dauer der Ausbildung und das Auslernen. Einige Statuten weisen hier »pueri« (lat.: Knaben), »Leerjungen«, »Leherdiener« o. ä. auf. (Von Lehr-Mädchen ist nicht die Rede.) Ein Mindestalter und Voraussetzungen an Wissen und Können wurden anfangs nicht vorgeschrieben; eine kurze Probezeit als »Versuchsjunge« im Einverständnis mit anderen Zunftmeistern und unter deren eifersüchtiger Kontrolle (die kostenlose Arbeitskraft wurde geneidet) setzte sich allmählich durch. Es hieß, eingeschrieben könne werden, »wenn der Junge groß ist«. Aufnahmealter zwischen 12 und 18 Jahren wurden späterhin festgelegt. Es gab auch ältere, schon verheiratete Lehrlinge. Meistersöhne durften in mancher Zunft die Lehre bereits jünger als zwölfjährig beginnen. Nach 1700 finden sich Festlegungen, wonach ein Bewerber lesen, schreiben, rechnen und die fünf Hauptstücke des Katechismus können müsse.
     »Untadelige, ehrliche Herkunft« aber – wichtigste Voraussetzung seit langem in der Geschichte für den Erwerb von Bürgerrechten – wurde auch von Lehrlingen strengstens gefordert, wie generell für die Aufnahme in den Handwerkerstand. Ehrlichkeit, Redlichkeit, Unbescholtenheit etc. wurden oft ängstlichabergläubisch, jetzt kaum noch
Friedrich Kleinhempel
»Fleyßig sein,
auch nicht sauffen«

Zünftige »Azubis« in Berlin und Cölln an der Spree

Berufliche Ausbildung ist klugerweise allgemein begehrt – heutzutage aber für junge Leute schwer zu haben, nicht nur in Berlin. Zumeist in der Geschichte hatte nicht jedermann Zutritt zu Ausbildung und qualifiziertem Beruf. Zuzeiten, da unsere Vorfahren ihre Künste und Gewerbe mehr und mehr arbeitsteilig ausübten, bildeten sie in mittelalterlichen Städten mit den Handwerkerzünften ihre typischen sozioökonomischen Interessenzirkel. Sie erachteten zünftige Ausbildung und Zucht bald als notwendig für das Fortbestehen ihrer Korporationen. Stetige Aufnahme penibel ausgewählter junger Nachwuchskräfte, deren intensive Einweisung in Zunftriten und das strenge Zunftrecht, in politische, militärische, religiöse und soziale Funktionen des »alten Handwerks« und in das eigentliche Handwerklich-Technische sowie Merkantile ihres Faches erwiesen sich als unabdingbar. Es entstand die »Institution Lehrling«.
     In Ordnungen Berlin-Cöllnischer und Brandenburgischer Zünfte (auch als Gewer-

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   19   Probleme/Projekte/Prozesse »Azubis« in Berlin und Cölln  Vorige SeiteNächste Seite
nachvollziehbar, gewertet. Lautere oder unlautere Konkurrenz, Denunziation und Benachteiligung gegenüber anderen Zünften, vor allem gegenüber Aristokratie und Kaufmannschaft, viele erbitterte stadt- und zunftpolitische Auseinandersetzungen um Privilegien, Macht und wirtschaftliches Auskommen bedrückten immer wieder die Lage der Zünfte. Daher wurde beim Annehmen von Lehrlingen streng auf ihre »Geburt« gesehen: Sie mußten, bis weit hinein in das 17. Jahrhundert, teils noch länger, ihre »Freiheit und Unbescholtenheit« sowie in einigen Zünften (aus Konkurrenzgründen) ihre »deutsche Herkunft« durch den Echtheitsbrief resp. Geburtsbrief beweisen. Dieser war den Zunftangehörigen, mindestens aber den Meistern und den hinzugezogenen Gesellen, in einer Versammlung »vor offener Lade« vorzuzeigen. (Die »offene Lade« entsprach tradierter Gepflogenheit wohl aller Zünfte, wichtige Angelegenheiten bei brennenden Wachskerzen angesichts des geöffneten Deckels der Zunftlade – des meist kunstvoll gestalteten »Tresors« der Handwerker – zu verhandeln.) In kleineren Zünften genügte es, die Zeremonie des Einschreibens in das Zunft- bzw. Aufdingbuch durch den Alt-Meister, Ältermann, Gildeführer o. ä., d. h. den entsprechend gewählten Zunftobermeister im Beisein eigens dazu berufener Gesellen, oder vor noch weniger Handwerkspersonen vorzunehmen. So besagt die Ordnung der Kupferschmiede der Mark Brandenburg 1645: »Wan ein Meister einen Jungen aufdingen will, und ihrer zwene Meisterß in einer Stadt sein, soll er demselben in des Altmeisters werckstädte fordern, wo aber ein Meister in einer Stadt alleine ist, und zwene Gesellen in Arbeit hatte, soll er alsdan den Jungen aufdingen.«1)
In Berlin-Cölln mußte ab etwa 1580 der Bewerber vor allem bescheinigen, daß er von ehrlichen, ehelich getrauten Eltern stamme. Gemäß einem den Fleischern zu Berlin und Cölln an der Spree 1645 neu erteilten Privilegium sollte keiner in deren Zunft kommen, er sei denn guter deutscher und nicht wendischer oder tadelhafter Art, aus einem »reinen ehebette recht und echte von Vater und Mutter ehelichen erzeuget und gebohren«.2) Als ehrlos, anrüchig usw., damit als nicht handwerks-, bürgerschafts- oder gar ratsfähig, galten auch zeitweilig in Berlin-Cölln Angehörige von eigentlich nützlichen Gewerben, welche Kranke, Verletzte, Delinquenten, Verurteilte oder Leichname berührten (Wundärzte, Bader, Büttel), solche, die mit Tierkadavern umgingen (Hirten, Schinder, Seifensieder), ferner alle möglichen beschimpften, bescholtenen, verschrieenen, verleumdeten, berüchtigten Leute, Außenseiter, bedauernswerte Schicksale und fahrendes Volk (Gaukler, Bettler, Bestrafte, Verstümmelte, Aussätzige) – und erstaunlicherweise nicht wenige für die Stadtgemeinde durchaus wichtige Menschen, die aber als unfrei, niedrige Dienste
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verrichtend angesehen wurden (wie Leineweber, Wächter, Stadtpfeifer und andere mehr). Als nicht in eine Handwerkslehre aufnehmbar wurden in Statuten die Kinder von Juden, Wenden, Heiden und Zigeunern ausdrücklich genannt. Außerhalb Berlins in Brandenburg-Preußen bezogen sich solche Verbote auch auf Walachen, Pankharen, Ungarn, Schotten, Dänen und Norweger. Französische Hugenotten, seit dem Edikt von Potsdam 1685 in Scharen nach Brandenburg eingewandert (etwa 8 000 direkt nach Berlin), wurden von den Zünften ebenfalls nicht nur bewillkommnet – weil sich unter ihnen viel Handwerkskonkurrenz befand.
     Soziale Kämpfe blieben nicht aus. Stadt-, Landes- und Reichs-Obrigkeiten versuchten gegenzusteuern; sie besaßen das Recht der »Ehrlichmachung« im Erteilen von Privilegien. So erklärte König Wenzel IV. (1361–1419) 1406 das Baderhandwerk für ehrlich – wenn auch noch ohne generellen Erfolg. Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg (1413–1471; Kurfürst seit 1440) bestimmte 1468, die Leineweber dürften fortan Zünfte gründen und mit anderen frommen Leuten »unveracht und unverhonet« sitzen und handeln.3) 1551 beklagte der Reichstag, daß eine entsprechende Polizei-Ordnung nicht befolgt würde.4) 1646 wurde in Cölln auf eine Klage der kurmärkischen Zöllner, Balbierer und Leineweber hin gegen den Treuenbrietzener Rat verhandelt, weil dieser in einem Geburtsbrief einem Jungen »mit anzüglichen
und injourösen Worten« bescheinigt hatte, er sei »keines Zöllners, Müllers, Baders, Büttels und Leinewebers Sohn, sondern solcher Abkunft, daß er jederzeit ehrliche Ämter, Zünfte und Gilden zu besitzen fähig« wäre.5) 1672 befand ein Reichsgutachten, daß die Kinder solcherart verschriener Personen nicht aus den Handwerken ausgeschlossen werden sollten, »nicht weniger auch die Kinder der Land-, Gerichts- und Stadt-Knechte, auch anderer, welche an den Malefitz-Personen (Missetäter, d. V.), bey den strengen Fragen (Folter, d. V.) keine Hand anzulegen haben oder die Execution der peinlichen Urtheilen verrichten«, wie auch speziell der Gerichtsdiener, Turmwächter, Wald- und Feldhüter, Totengräber usw.6) Erst mit dem »Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden im Preußischen Staate« von 1812 durften die Kinder von Juden in Berlin nun auch Handwerkerlehrlinge werden. Das Allgemeine Preußische Landrecht bestimmte 1794, daß ein Lehrling nicht wegen eines »körperlichen Gebrechens« oder eines »offenbaren Mangels an Verstandeskräften« zur Erlernung eines Handwerks untauglich sein soll. Der Makel der Anrüchigkeit, Ehrlosigkeit usw. ist als regulärer Rechtsstatus in Preußen endgültig erst im 19. Jahrhundert abgeschafft worden!
Hatte nun ein berechtigter Bewerber die Probezeit bestanden, so konnte er – in der Regel nach Zustimmung durch die anderen Meister der Zunft – in die Lehre aufgenom-
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Lehrjunge in einer Goldschmiede im Jahre 1576
men, als Lehrling unter Ableistung oft umständlicher und teurer Rituale eingeschrieben werden. Dazu zählte das Gelöbnis »mit Hand und Mund« vor versammelter Zunft und offener Lade, sich während der Lehrjahre ehrlich und redlich gegenüber seinem Lehrherrn, der Meisterin und dem ganzen Handwerk zu betragen, »fleyßig sein, ... auch nicht spielen, sauffen oder ansonsten ungebührlich sich verhalten« zu wollen. Die Lehrzeit währte dann mindestens drei, mitunter bis zu sechs, ausnahmsweise (von Wundärzten bekannt geworden) zehn Jahre. Sie hing wesentlich davon ab, ob die Eltern Lehrgeld zu bezahlen und der Lehrling regulär »auszustehen« bzw. »auszulernen« sich genötigt sahen, oder ob der Junge als Meistersohn bevorzugt, quasi seit Geburt in die
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Zunft eingeschrieben und nach kürzerer Zeit losgesprochen wurde, somit verbesserte Chancen des Meisterwerdens besaß. Goldschmieden zum Beispiel war in der kaiserlichen Handwerksordnung von 1527 bestimmt, »ein jeder Lehrjunger sol umb das handtwerch fünff jar dienen und lernen«.
     In einem Privileg vom 4. November 1540 zugunsten der Maurer Berlins und Cöllns (weil sie gehorsam und mit treuem Fleiß seit 1443 das kurfürstliche Schloß gemauert hatten) gegen Störer und Pfuscher außerhalb der Zunft wandte sich die kurfürstliche Obrigkeit auch gegen Meister, welche »leherdiener unter dreyen Jahren auszulernen oder aber so viel leerknechte hielten«, daß sie daneben nicht auch taugliche Gesellen beschäftigen konnten.7) 1544 durfte kein Berliner Schneidermeister mehr als drei Stühle mit Gesellen und Lehrlingen besetzen. 1548 wurde bemängelt, daß Handwerke wie Zinngießer und Tuchscherer »unterschiedliche Lehr-Jahr haben, darum sie die, so ausgelernt haben, an allen Enden nicht zulassen etc«.8) – Viele Zünfte verlangten für einen Lehrling zudem die Benennung »ehrlicher, annehmlicher und untadeliger Bürgen«, die dem Lehrmeister ein Bürgegeld zu zahlen sowie mit ihrem Vermögen zu haften hatten, sollte der Lehrling seine Pflichten und seine Lehrzeit nicht getreulich erfüllen, z. B. aus der Lehre weglaufen. Gegen das »Entgehen« von Lehrjungen gab es in den Zunftsatzungen Strafandrohungen – vom Neube-
ginn der Lehrzeit über Geldbußen, Kerkerhaft, Verrufserklärung, Ausschluß aus der Zunft bis zum Ausspruch gänzlicher Handwerksunfähigkeit. Ein Strumpfwirker vom Friedrichswerder ersuchte 1692 per Brief an den Kurfürsten, seinen entwichenen Lehrjungen aus Magdeburg zurückholen und ihn in Spandau ins Gefängnis »biß zu Endigung seiner Lehrjahre« einsperren zu lassen.9) 1725 legte die Innung der Maurer in Charlottenburg das Bürgegeld auf acht Reichstaler fest und bestimmte, es solle ein Meister nicht mehr als zwei Jungen, »ehe aber nicht, es habe denn der erste zwey Jahre ausgestanden, in die Lehre annehmen, damit er denselben mit einem so genannten Wochenlohn versehen« könne.10) Ein Lehrling, dessen Lehrherr ihm wegen Erkrankung keine Arbeit geben konnte, mußte währenddessen einem anderen Meister »zur Arbeit übergeben und hingetan« werden. Ein kranker Lehrling wurde in der Meisterfamilie, wozu außer der Meistersfrau und den leiblichen Kindern in aller Regel weitere Verwandte, die Gesellen, Mägde und Lehrjungen zählten, betreut, woraufhin gelegentlich Extrakosten dem pflegenden Bader oder Wundarzt zu erstatten waren. An allgemeinen Pflichten seines Handwerks wurde ein Lehrling beteiligt. Er mußte beispielsweise bei Feueralarm »erscheinen, und nicht müßig stehen bleiben, sondern wehren und retten helfen«, ferner, wenn jemand seines Handwerks verstorben war, »zu Grabe folgen«,
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   23   Probleme/Projekte/Prozesse »Azubis« in Berlin und Cölln  Vorige SeiteNächste Seite
und zwar in festgelegter Formation am Ende hinter den Meistern und den Gesellen, »fein züchtig«, ohne »leichtfertige Posen, Lachen und Rufen auf den Gassen«.
     Die Kosten für das rituelle, feierliche Aufdingen, vom zu zahlenden Lehrgeld ganz zu schweigen, fielen zumeist in beträchtlicher Höhe an. Auch deshalb konnte mancher Junge armer Eltern nicht Lehrling und Handwerker werden. Die auswuchernden Forderungen hinsichtlich von Geldzahlungen in die Zunftlade für Essen, Bier und teures Kerzenwachs erregten bald öffentliche und obrigkeitliche Kritik. 1672 rügte der Reichstag, »daß mehrmalen bey dem Auffding und Ledigzehlen der Lehr-Jungen ... große und beschwerliche Übermaß gebraucht werde«.11) Während der Lehrzeit begab sich ein Lehrling in umfassende Abhängigkeit vom »Lehrherrn«. Welcher Meister einen Lehrling nimmt, hieß es in einer Zunftordnung, »soll ihn Tag und Nacht in seinem Hause, in seinem Brote und seiner Versorgung halten und mit Tür und Angel verschließen«. Der Lehrling wurde gleichsam als Kind in das Meisterhaus aufgenommen, daher auch als »Lehrkind« bezeichnet.12) Hauptsächliche Lehrherrenpflicht war es, den Lehrling gründlich und sorgfältig in den Ehrenkodex des Handwerkerstandes, in alle Handwerks-Redlichkeit und Zunft-Rituale einzuweisen, vor allem aber, ihn sich in Demut, Fleiß, Ehrbarkeit, Sparsamkeit, Ordnung, Zucht und Reinlichkeit üben zu lassen, seine Klei-
dung und sein Benehmen zu überwachen. Er mußte ihn zum Kirchenbesuch und zu Gottesfurcht mit »eifrigem Ernst anhalten« und »ihn ziehen, als ob er sein Sohn wäre«. Das eigentliche Handwerk, die praktisch-technischen Fertigkeiten in der Arbeit, Kenntnisse der Werkstoffe, Werkzeuge usw. wurden erst in zweiter Linie Ausbildungsgegenstand. Der Meister sollte nur Arbeiten fordern, die der Lehrling leisten konnte, und sie gerecht beurteilen, ihn auch züchtigen, wo Strafe angebracht schien. Die Prügelstrafe gehörte zur Lehre »wie das Salz in die Suppe«. Schon 1276 hieß es in einem Stadtrecht, »wer Lehrkinder lehret, der mag sie züchtigen mit ruthen und anders« – man sollte aber einem Lehrkind auch nicht mehr als 12 Schläge verabreichen. In manch übertriebenem Falle konnte einem Meister das Recht entzogen werden, Lehrlinge künftig anzunehmen. Vor Mißhandlungen durch Gesellen hatte der Meister den Lehrling zu schützen. Bei ungenügender und schlechter Kost, bei fortgesetzt schlechter und ungerechter Behandlung durch den Meister konnte der Lehrling die Lehre verlassen.
     Benahm sich dagegen der Lehrling ehrabträglich oder gar zu ungeschickt für das jeweilige Handwerk, durfte der Lehrherr ihn entlassen, und kein anderer Meister dieser Zunft nahm einen solchen Jungen auf. Das Privileg der Lehrlingsausbildung besaßen ausschließlich Zunftmeister. Den »Freimeistern«, die es nach und nach ver-
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   24   Probleme/Projekte/Prozesse »Azubis« in Berlin und Cölln  Vorige SeiteAnfang
mehrt außerhalb der Zunft-Bannmeile gab, z. B. in neuentstehenden Städten und auf dem Lande, blieb die »Haltung fremder Lehrlinge und Gesellen« verboten.
     War die Lehrzeit »ehrlich ausgestanden«, so sprach ihn der Lehrherr »los, kraft und im Namen des ehrbaren Handwerks«. Wieder mußte er die wunderlichsten Rituale über sich ergehen lassen und für die Bezahlung der damit verbundenen Gelage aufkommen. Dafür stand ihm nun der erstrebte Gesellenstatus offen.
     Mit dem Niedergang der Zünfte infolge Gewerbefreiheit im 19. Jahrhundert wandelte sich die Lehrlingsausbildung gravierend. Massenhaft strömten junge Leute nun in die rasch wachsende Fabrikindustrie. 1861 schon beklagte der Berliner Magistrat, daß viele Lehrjungen »einseitig ausgebildet würden und später gar nicht mehr zur Verrichtung aller anfallenden Arbeiten ihres Handwerks fähig seien«.13) – Einige der alten Lehren aber dürften pädagogisch lebendig geblieben sein, und Lehrjahre, so man denn welche genießen darf, sind nach wie vor keine Herrenjahre.

Quellen:
1 Moritz Meyer: Geschichte der Preußischen Handwerkspolitik, Bd. I: Die Handwerkspolitik des Großen Kurfürsten und König Friedrichs I., Minden 1884, S. 210
2 Ebenda, S. 19
3 A. F. Riedel: Codex diplomaticus Brandenburgensis, Berlin 1838–1863, III, S. 4 692

4 Abschied des Reichs-Tags zu Augspurg. (14. II. 1551), In: Hans Proesler: Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung von 1530 bis 1806, Duncker & Humblot, Berlin 1954, S. 12*
5 Gerhard König: Uhren und Uhrmacherei in Berlin 1450–1900, Kulturbund der DDR, Berlin 1988, S. 18
6 Gutachten des Reichs-Tags. Regenspurg. (3. III. 1672); In: Hans Proesler, a. a. O., S. 36*
7 Ernst Fidicin: Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin, Bd. 2, Berlin 1838, S. 353 f.
     8 Der Römisch-Kayserlichen Majestät Ordnung und Reformation guter Policey, zur Beförderung des gemeinen Nutzens. (30. VI. 1548), In: Hans Proesler, a. a. O., S. 7*
9 Rudolf Wissell: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit. I. Band, Verlag Ernst Wasmuth A.-G., Berlin 1929, S. 872 f.
     10 Ref. in: Baugewerks-Zeitung, Jg. 1893, S. 872 f.
     11 Hans Proesler, a. a. O., S. 38*
12 Friedrich Kleinhempel/Hans-Ulrich Soschinka: Bader – Barbiere – Friseure. Geschichte und Geschichten aus uraltem Handwerk, R. G. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1996, S. 73 f.
     13 Jürgen Bergmann: Das Berliner Handwerk in den Frühphasen der Industrialisierung, Einzelveröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Band 11, Colloquium Verlag, Berlin 1973, S. 271

Bildquelle: Birnbaum, C. u. a. (Hrsg.): Das neue Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, 6. Band, Leipzig und Berlin 1874, S. 213

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