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Heidrun Siebenhühner
Altmeister der Meteorologie

Der Physiker Heinrich Wilhelm Dove
(1803–1879)

Zehn Tage vor der Eröffnung des 2. internationalen Meteorologen-Kongresses in Rom, am 4. April 1879, starb in Berlin Heinrich Wilhelm Dove, den die englische Zeitung »Nature« in ihrer Ausgabe vom 10. April 1879 als »Father of the Meteorology« bezeichnete. Der »Kladderadatsch« veröffentlichte zum Tod des Physikers und Meteorologen folgende Zeilen:

Vom Wind und Wetter wußt' er viel,
Hielt doch nicht für erreicht sein Ziel.
So kundig er auch war und klug,
Doch alles schien ihm nicht genug:
Noch bessre Kenntnis zu erlangen,
Ist er jetzt selbst hinaufgegangen.

Heinrich Wilhelm Dove war am 6. Oktober 1803 in Liegnitz (Schlesien) geboren worden. Er entstammte einer alten westfälischen Apotheker- und Kaufmannsfamilie, die sich 1661 in Liegnitz angesiedelt hatte.
     Sein Vater, Wilhelm Benjamin Dove (1754–1817), war Großkaufmann in Liegnitz,

Heinrich Wilhelm Dove
seine Mutter Susanne, geb. Brückner (1767–1825), eine Liegnitzer Kaufmannstochter. Dove war das elfte Kind seiner Eltern.
     In Breslau und Berlin studierte Heinrich Wilhelm Dove zunächst Naturwissenschaften und hörte Vorlesungen über Philosophie, Geschichte und Astronomie. Er promovierte 1826, habilitierte sich im gleichen
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Jahr in Königsberg und wurde Privatdozent für physikalische Wissenschaften – später (1828) außerordentlicher Professor der Physik – an der dortigen Universität.
     Seine Bemühungen beim Ministerium für die geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten um eine Anstellung als außerordentlicher Professor an der Berliner Universität scheiterten zunächst an der ablehnenden Haltung des zuständigen Ministers Karl Freiherr von Altenstein. Dove, der inzwischen die Tochter des Berliner Ingenieur-Geographen und späteren Generals von Etzel geheiratet hatte, ging 1829 trotzdem nach Berlin, worauf er jedoch prompt den Unwillen des Ministers zu spüren bekam: Von Altenstein strich ihm für zwei Semester zunächst das Gehalt und ließ ihn obendrein elf Jahre lang auf dem Anfangsgehalt eines außerordentlichen Professors sitzen. Um in dieser Zeit den Lebensunterhalt für sich, seine Frau und seine inzwischen geborenen vier Kinder verdienen zu können, war Dove gezwungen, neben der Lehrtätigkeit an der Universität – er las über Experimentalphysik, theoretische Physik und Meteorologie, daneben Elektrizität, Magnetismus und Farbenlehre – noch an Gymnasien, später an der Artillerie- und Ingenieurschule, der Kriegsschule und am Gewerbeinstitut tätig zu sein. In einem Brief vom 20. Mai 1842 an den Geheimrat J. Schulze, der ihm eine Professur an der Bonner Universität in Aussicht ge-
stellt hatte, beklagte er sich bitter über seine schwierige Situation. Den Ruf nach Bonn, wie auch Angebote aus Freiburg, Jena und Dorpat lehnte er dennoch ab, da er in Berlin bleiben wollte.
     Am 30. Dezember 1844 schließlich, also erst 15 Jahre nach Beginn seiner Berliner Tätigkeit, wurde ihm die Stellung eines Ordinarius für Physik an der Berliner Universität zuerkannt. Doves berühmteste und am meisten besuchte Vorlesung an der Universität war die über Meteorologie, und er war bereits Meteorologe von Weltruf, als er am 7. April 1849 die Stelle eines »Wissenschaftlichen Beirathes bei dem mit dem statistischen Bureau verbundenen meteorologischen Institute« im Nebenamt bekam. Dieses Institut war im Oktober 1847 gegründet worden; sein erster Direktor, Dr. Wilhelm Mahlmann (1812–1848), verstarb jedoch im Dezember 1848 auf einer Dienstreise in Schlesien.
     Heinrich Wilhelm Dove war neben seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Universität fast zwei Jahrzehnte lang allein – erst 1866 wurde ihm ein wissenschaftlicher Assistent zur Seite gestellt – für die Arbeit des kleinen meteorologischen Instituts verantwortlich. So setzte er u. a. den von Mahlmann begonnenen Auf- und Ausbau des meteorologischen Beobachtungsnetzes in Preußen mit bewundernswertem Einsatz fort und besuchte jedes Jahr persönlich einen Teil der Stationen, um Meßinstrumente zu verglei-
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chen und Stationsleiter zu beraten. Er tat das zu Fuß mit dem Normalbarometer auf dem Rücken oder auch per Postwagen, bis er von 1871 an den Reisestrapazen quer durch Preußen nicht mehr gewachsen war.
     Zu dieser Zeit genoß Dove großes Ansehen als Physiker und Meteorologe im In- und Ausland und war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien. Bereits 1837 war er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften geworden. In ihren Abhandlungen und Mitteilungen veröffentlichte er 168 Arbeiten. Elfmal wurde er zum Präsidenten der Gesellschaft für Erdkunde gewählt.
     Im März 1876 feierte Heinrich Wilhelm Dove sein 50jähriges Doktor-Jubiläum in Berlin, mehr als 300 berühmte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik – auch Vertreter des kaiserlichen Hauses – nahmen daran teil. Drei Jahre später, am 4. April 1879, starb Dove. Er wurde neben seiner Frau auf dem Alten Friedhof St. Marien und St. Nicolai in Berlin begraben.
     Der Physiker und Meteorologe Heinrich Wilhelm Dove veröffentlichte im Verlaufe seines langen Wissenschaftlerlebens zahlreiche Arbeiten über die Temperaturverteilung auf der Erde und das Klima ausgewählter Gebiete (z. B. »Die Witterungsverhältnisse von Berlin«, 1842), aber auch eine Arbeit über die Anwendung des Stereoskops zur Unterscheidung von echtem und falschem Papiergeld. Sein Hauptverdienst bestand je
doch in der Erarbeitung der physikalischen Grundlagen der Meteorologie (u. a. mit dem Drehungsgesetz des Windes, 1845) und ihrer Etablierung als selbständige Wissenschaft.

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