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Hainer Weißpflug
Eine Flatterulme
in Rahnsdorf

Die Ulme steht im historischen Siedlungskern des Köpenicker Ortsteils Rahnsdorf, vor dem Grundstück Dorfstraße Nr. 4 und überragt mit ihren mächtigen Ästen die kleinen ein- und zweigeschossigen Häuser.
     Ein Spaziergang vom S-Bahnhof Rahnsdorf oder von der Bushaltestelle Fürstenwalder Damm (auch Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 61) über den Mühlenweg zum Dorfkern Rahnsdorf bietet auch die Möglichkeit, zahlreiche mächtige uralte Eichen links und rechts des Mühlenwegs zu bestaunen. Die Mühlenweg genannte Straße war ursprünglich ein Heuweg und ab 1753 die Verbindung zwischen dem Dorf und der Mehlmühle am Fredersdorfer Fließ. Aus dieser Zeit stammen vermutlich die ältesten Eichen am Mühlenweg, am Müggelwerderweg und am Plutoweg. Zusammen mit jüngeren nachgepflanzten Eichen geben sie der Straße den Charakter einer Eichenallee. Hervorzuheben ist hier eine »Freiheitseiche« genannte Stieleiche vor der Gaststätte »Mansarde«. Mit einem Alter von ca. 260 bis 300 Jahren, einer Höhe von 31,5 Metern, einem Kronendurchmesser von 28 Metern und einem Stammumfang von 5,70 Metern

Die Flatterulme
gehört sie zu den ältesten und schönsten Eichen dieses Bestandes.
     Folgt man dem von Eichen gesäumten Weg, so erreicht man auch bald die Dorfstraße im alten Dorfkern von Rahnsdorf, die von der schönen alten Flatterulme geprägt wird. Ihr Alter liegt bei 500 bis 600 Jahren. Sie stammt also in etwa aus der Zeit der Gründung der Dorfanlage, die 1375 erstmalig urkundlich erwähnt wurde. Wendische Fischer sollen das Rundlingsdorf gegründet haben. Die Flatterulme hat die wechselvolle Geschichte des Fischerdorfes erlebt und
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überlebt. Heute ist der Köpenicker Ortsteil schon lange kein Fischerdorf mehr. Auch zwei verheerende Großbrände, die 1860 und 1872 den größten Teil der Gebäude im Dorfkern Rahnsdorfs zerstörten, hat sie überstanden, wenn auch nicht ohne Schäden. Der Stamm des Baumes ist heute vollkommen hohl, und Experten vermuten einen Zusammenhang mit den Bränden. Aber, wie das häufig bei solch alten knorrigen Bäumen der Fall ist, in jedem Frühjahr entfaltete sie bisher wieder ihr dichtes Blätterdach und spendet Anwohnern und Besuchern Schatten. Die Höhe der Ulme beträgt 19,5 Meter, der Kronenansatzes liegt bei 4,5 Metern, der Kronendurchmesser beträgt 17,0 Meter und der Stammumfang 4,60 Meter.
     In Mitteleuropa sind drei Ulmenarten, die Berg-, die Feld- und die Flatterulme, heimisch. Wobei nur die Flatterulme (Ulmus laevis) ein typischer Baum der großen Niederungen Mittel- und Osteuropas ist, also auch im Berliner Raum verbreitet ist. Der Name Flatterulme rührt wahrscheinlich daher, daß ihre Blüten langgestielt sind und die Blütenbüsche dadurch locker und »flattrig« überhängen, während die der anderen Ulmenarten kurzstielige aufrechtstehende Büschel bilden. Das trifft auch auf die Fruchtstände zu.
     Besonders bemerkenswert ist, daß der Baum in Rahnsdorf das »Ulmensterben« überstanden hat, das seit den 20er Jahren in ganz Europa zu einem bedrohlichen Rückgang aller Ulmenarten geführt hat. Diese
Krankheit wird durch einen Pilz verursacht, der die Wasserleitbahnen des Baumes verstopft. Der große und der kleine Ulmensplintkäfer tragen die Sporen von Baum zu Baum, so daß in kurzer Zeit große Bestände zerstört werden. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat diese Krankheit ganze Landstriche heimgesucht. Erstmalig trat die Krankheit 1918 in Frankreich auf, griff dann auf Holland über und vernichtete die dortigen reichen Ulmenbestände, um schließlich in ganz Europa zu grassieren.
     1928 trat es auch in den USA auf. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang kam es in den 60er Jahren zu einem neuerlichen Anwachsen der Epidemie, die von einer modifizierten Pilzart verursacht wurde, die aus den USA eingeschleppt worden war.
     Der zusätzlich durch Umwelteinflüsse bedingte Rückgang der Ulmenvorkommen in Deutschland war für die »Schutzgemeinschaft Deutscher Wald« Anlaß, die Ulme zum Baum des Jahres 1992 zu ernennen. Neuzüchtungen, die gegen den Pilz widerstandsfähiger sind, sollen eine neuerliche Verbreitung als typischer Baum unserer Region möglich machen.
     Auch in Berlin und Umgebung gibt es einen ständigen gleichmäßigen Rückgang der Ulme. Der Anteil von Ulmen am Gesamtbaumbestand Berlins betrug Anfang der 90er Jahre weniger als ein Prozent. Im Vergleich dazu hatte die Linde einen Anteil von 39 Prozent, der Ahorn 20 Prozent.
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© Edition Luisenstadt, 1998
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