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1648 gewonnenen Positionen zu weiteren Expansionen zu nutzen. Kurfürst Friedrich Wilhelm betrieb eine Schaukelpolitik.
Zwar hatte er sich über ein Geheimbündnis Subsidiengelder (lat. subsidium = Hilfe, Beistand, Schutz, Hilfsmittel) von Frankreich zugesichert, aber ihn verband ein enges Verhältnis mit der Republik der Niederlande.3) Im Mai 1672 trat er in ein Verteidigungsbündnis mit den Niederlanden und zog mit 20 000 brandenburgischen Soldaten in den Krieg gegen Frankreich, um am Rhein die Streitmacht des Habsburger Kaisers Leopold I. (1640–1705; Kaiser seit 1658) zu unterstützen. Die verbündeten Truppen zogen ziellos im Rheingebiet umher, ohne in eine offene Schlacht mit Frankreich zu treten. Nachdem es Frankreich nicht gelang, die Niederlande zu unterwerfen, unternahm Kurfürst Friedrich Wilhelm einen Frontenwechsel: In einem Sonderfrieden mit Ludwig XIV. erreichte er, daß sich Frankreich von den brandenburgischen Besitzungen im Westen zurückzog und noch höhere Subsidien versprach. Da Frankreich seine expansive Politik gegen das Reichsgebiet fortsetzte, beschloß der Reichstag in Regensburg im Mai 1674 den Krieg gegen den Aggressor. Gegenüber Brandenburg wurde Druck ausgeübt, sich an der antifranzösischen Koalition zu beteiligen. Entgegen seinen Verpflichtungen zog Kurfürst Friedrich Wilhelm im August 1674 mit Hofstaat und 18 000 Mann ein zweites Mal gegen Frank-
Herbert Schwenk
Der Tod des Kurprinzen Karl Emil und seine Folgen

Es war am 27. November 16741) in der Stunde vor Mitternacht. Fern seiner Heimat erlag im Elsaß Karl Emil, der Kurprinz von Brandenburg, einem »hitzigen Fieber«, das heute als Typhus diagnostiziert würde. Er war Opfer eines abenteuerlichen Feldzuges im sogenannten Pfälzischen Krieg von 1672–1678 geworden: Der erst 19jährige Kurprinz hatte sich im Lager zu Blesheim/Elsaß an der in den Truppen ausgebrochenen Seuche infiziert und war nach kurzem Krankenlager in der Freien Reichsstadt Straßburg gestorben.2) Es war ein ebenso unsinniger wie folgenschwerer Tod.
     Kurprinz Karl Emil (Aemil) hatte sich zu jener Zeit an der Seite seines Vaters Friedrich Wilhelm, des seit 1640 regierenden ersten absolutistischen Kurfürsten Brandenburgs, später der Große Kurfürst genannt (1620–1688), im Krieg gegen Frankreich befunden. Vor allem Frankreich unter »Sonnenkönig« Ludwig XIV. (1638–1715; König seit 1643), dessen Wahlspruch »L'état c'est moi« (Der Staat, das bin ich) Programmsatz des Absolutismus wurde, versuchte, die

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reich, überschritt im Oktober den Rhein, um im Elsaß das 50 000 Mann starke Reichsheer zu unterstützen. Unter den brandenburgi- schen Truppen befand sich auch das Regiment »Churprinz« unter Karl Emil. Friedrich Wilhelm hatte dieses Regiment eigens für den Kurprinzen durch Oberst Hans Adam von Schöning (1641–1696), den späteren Gouverneur von Berlin und Generalfeldmarschall, aus in Preußen stehenden Regimentern errichten lassen. Vorahnung oder nicht: Den zweitältesten Prinzen Friedrich hatte der Kurfürst unter der Obhut seines Hofmeisters zur Inspektion in die clevischen Lande nebst medizinischer Behandlung in die Niederlande geschickt. Indes kam es abermals zu keiner entscheidenden Schlacht mit den Franzosen. Das kaiserlich-brandenburgische Bundesheer unter dem Oberbefehl des kaiserlichen Feldherrn Herzog Alexander von Bournonville war viel zu schwach, um Frankreich zu
Kurprinz Karl Emil
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schlagen. Zunehmend litten die verbündeten Truppen bei ihren zwecklosen Hin- und Hermärschen unter schlechter Koordination und Versorgung. Infolge Hungers und verseuchten Wassers brach im November im Lager des brandenburgischen Heeres im Raum Colmar und Masmünster Typhus aus. Der Kurprinz, inzwischen Generalmajor, legte auch in dieser Situation größten Eifer an den Tag, »visitirte beständig das Lager, besonders die Kranken« – und infizierte sich. Man brachte ihn nach Straßburg zu den besten Ärzten, vergebens. Er fiel der Seuche zum Opfer.

Vier Wochen herrschte
allgemeine Landestrauer

Die schmerzliche Nachricht vom Tode seines ältesten Sohnes erreichte Friedrich Wilhelm in Colmar. Zunächst bestand der Verdacht auf einen Giftmord, der jedoch von den drei Ärzten, die den Kurprinzen in Straßburg behandelt hatten, darunter Johann Albert Sebitz (Sebitius, 1614–1685), Professor und Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Straßburg und Stadtarzt, ausgeräumt werden konnte. Danach ordnete der Kurfürst die Überführung der Leiche des Kurprinzen auf das Schloß nach Cölln an der Spree an. Er selbst verblieb mit Truppen und Hofstaat am Rhein, um kurz darauf nach Nordosten in den Krieg gegen die Schweden zu ziehen, die inzwischen in

Brandenburg eingedrungen waren und die Friedrich Wilhelm am 28. Juni 1675 in der historischen Schlacht bei Fehrbellin besiegen und das schwedische Pommern erobern sollte. Nachdem der französische Oberbefehlshaber Marschall Turenne (1611–1675) freies Geleit für den Leichenzug durch französisches Gebiet gegeben hatte, erfolgte am 16. Januar 1675 in Straßburg der Aufbruch, und am 14. Februar 1675, zwei Tage vor dem 20. Geburtstag des Toten, traf der Zug in den Residenzstädten Berlin und Cölln ein. Schon am 9. Dezember hatte der Kurfürst von Colmar aus eine allgemeine Landestrauer befohlen, derzufolge vier Wochen lang täglich in allen Kirchen um 12 Uhr mittags Trauergeläute stattzufinden hatte. Für ein halbes Jahr war Musik öffentlich und bei Gelagen untersagt. Weiteren Befehlen zufolge sollten »die Straßen, wodurch die prinzliche Leiche geführt wird, ganz gesäubert und aller Mist, Schutt und Unflath weggeführt« sowie am Tag der Beisetzung schwarze Trauerkleidung angelegt werden. Am 4. Februar wurde der Leichenwagen – aus Potsdam kommend – am Leipziger Tor unter dem Trauersalut von 30 Böllern von den Stadtwällen erwartet, wo sich eine stattliche Trauerprozession formierte, die ihren Weg über Friedrichswerder durch Cölln hindurch, vorbei am Rathaus, die Breite Straße hinauf zur alten Domkirche auf dem Schloßplatz zwischen der Breiten und Brüderstraße nahm, vorbei
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an einem dichtgedrängten Spalier von Zuschauern. Kurprinz Karl Emil wurde in der Gruft der Domkirche an der Seite seiner Mutter beigesetzt. Kurfürstin Luise Henriette war 1667 gestorben, nachdem sie schwere Schicksalsschläge, so 1664 den Tod ihrer Zwillinge und eine Lungenerkrankung erlitten und im Juli 1666 noch einen Sohn, Ludwig, geboren hatte.

Morgens und abends
auf den Knien beten

Karl Emil war das zweite von sechs Kindern, die in der Ehe von Kurfürst Friedrich Wilhelm und seiner ersten Gemahlin Luise Henriette geboren wurden. Der Kurprinz erblickte am 16. Februar 1655, dem 35. Geburtstag seines Vaters, das Licht der Welt. Damit war der heißersehnte Thronerbe geboren, nachdem sein Bruder Wilhelm Heinrich schon 1649 eineinhalbjährig verstorben war. Karl Emil wuchs zusammen mit seinem am 21. Juli 1657 geborenen Bruder Friedrich, dem späteren Kurfürsten Friedrich III. und König Friedrich I., in die Epoche des Absolutismus und das Zeitalter des Barocks hinein. Ihre Erziehung lag in besten Händen. Der Kurfürst bestellte dazu den pommerschen Edelmann und Freund der Familie Otto Freiherr von Schwerin (1616–1679) zum Hofmeister von Karl Emil, damit er »Ihro Liebden zarte Jugend durch fleißige Aufsicht, gute Vermahnung und Exempel dahin

lenke, damit dieselbe in allen einem teutschen Fürsten wohlanständigen Sitten, Sprachen, Künsten und Tugenden, zuforderst der wahren Gottesfurcht, täglich wachse, und als tüchtig und geschickt werden möge ...« Die Erziehung der Brüder gestaltete sich nach Instruktionen des Vaters: morgens und abends auf den Knien beten, intensive Ausbildung in Französisch und Latein, in Geographie und Geschichte sowie Ertüchtigung und Erholung durch Ballspielen, Wettlaufen, Tanzen und Spazierfahrten.
     Zu den Betreuern Karl Emils gehörten ferner der Lehrer Stephani, zwei Kammerjunker, zwei Kammerdiener und zwei französische Pagen. Oberpräsident Otto von Schwerin aß mit seinen Zöglingen und schlief im selben Zimmer wie Karl Emil. Zur Unterstützung der Erziehung Friedrichs wurde seit 1663 der weltmännische, wissenschaftlich hochgebildete westfälische Reformierte und spätere Geheime Staats- und Kriegsrat Eberhard Freiherr von Danckelmann (1643–1722) herangezogen. Danckelmann verstand es gut, das eigenwillige Temperament Friedrichs durch Strenge, aber auch Einfühlungsvermögen zu zügeln. Er blieb bis zu seinem Sturz 1697 ständiger Ratgeber Friedrichs.
     In die Kindheit der Prinzen fiel der Ausbau Berlins zur Festung in den Jahren zwischen 1658 und 1683 (BM 8/1996). Der Kurprinz hatte neuneinhalbjährig einen »fortificatorischen Cursus« beim Direktor der Festungs-
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werke, Johann Gregor Memhardt (1607–1678), zu absolvieren; Friedrich mußte »Schanzen in Wachs modellieren«.

Er haßte die Bücher und
wollte nur Soldat sein

In den Charakteren der Prinzen Karl Emil und Friedrich bestanden jedoch erhebliche Unterschiede. Nicht nur wegen der Gnade der Erstgeburt und damit verbundener Schmeichelei für den Thronerben wurde Karl Emils Name mit dem Etikett des »edlen« und »hoffnungsvollen Hohenzollernsprosses« geziert. Karl Emil galt als begabt, militärisch und staatsmännisch talentiert, in seinem Wesen überlegt und besonnen, in seiner Art umgänglich und leutselig. Man pries seine natürliche Einfachheit und seinen praktischen Sinn, seinen Eifer und Heldenmut. Karl Emil »war das genaue Gegenteil seines Bruders: robust, extrovertiert, aktiv und gesund. Der temperamentvolle Kurfürst zeigte denn auch eine deutliche Vorliebe für seinen ältesten Sohn, der das exakte Ebenbild seines Vaters zu sein schien und offensichtlich nicht zufällig am Geburtstag des Kurfürsten geboren war, am 16. Februar 1655.«4) Als der achtjährige Karl Emil im Mai 1663 von der Universität Frankfurt an der Oder pro forma zum Rektor gewählt wurde, erklärte er unter Tränen, das verstärke nur seine Abneigung gegenüber den Büchern: Er wolle nur Soldat

sein. Er weigerte sich, zur feierlichen Amtsübernahme nach Frankfurt zu reisen – und setzte sich durch. Hofmeister Otto von Schwerin bestätigte, daß er sein Lebtag bei keinem Kinde so starke Neigungen zum Militärwesen verspürt habe. Der von Statur noch kleinere und zarter gebaute Friedrich war schwächlicher als »Kriegsmann« Karl Emil, zurückhaltender und empfindsamer. Seiner Wesensart entsprach es nicht, sich gegen Widerstand offen zu behaupten. »Es war früh erkennbar, daß der Kurfürst diesem Sohn mit einer gewissen inneren Fremdheit gegenüberstand.«5)
Seine Mutter fürchtete stets, daß der »kleine Fritz« allzusehr im Schatten des »Großen« stehe. Ihre Bitte an Otto von Schwerin, »dem Kleinen zu helfen«, sollte sich nach dem frühen Tod Karl Emils geradezu als staatspolitisch bedeutsam erweisen. Wesentlich trug dazu die körperliche Benachteiligung Friedrichs bei: er hatte nach einem Unfall im Säuglingsalter eine verkrümmte Wirbelsäule. Zeitlebens suchte er nach Kompensation seines körperlichen Mangels. Er litt unter seiner Verwachsenheit, was ihn kränklich, reizbar und wankelmütig machte. Vielleicht gab es dabei ähnliche Zusammenhänge zwischen körperlicher Konstitution und Lebenshaltungen und -handlungen wie etwa bei Karl V. (1500–1558), der 19jährig römisch-deutscher Kaiser geworden, aber immer ein »introvertierter Außenseiter« geblieben war.6)
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Friedrichs Hang zu barocker Prunksucht, aber auch Vorliebe und Verständnis für Künste und Wissenschaft, dürften nicht zuletzt seinem Wunsch nach Kompensation seiner körperlichen Mängel zuzuschreiben sein.
     Der Typhustod Karl Emils Ende 1674 er-öffnete dem eigenwilligen und anlehnungsbedürftigen Friedrich die Aussicht auf die Thronfolge. Nach dem Ableben des Großen Kurfürsten 1688 erlangte Friedrichs ausgeprägter Hang zur Repräsentation Einfluß auf den Gang der brandenburgisch-preußischen Geschichte. Das Verhältnis zu seinem Vater hatte sich in dessen letzten Lebensjahren durch Meinungsverschiedenheiten erheblich verschlechtert. Wesentliche Quelle dafür waren die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelms, Sophie Dorothea von Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1636–1689) und deren sieben Kinder, die der Ehe mit dem Kurfürsten geboren wurden. Der kaiserliche Hof in Wien versuchte, Friedrich hinter dem Rücken des Vaters zu Zugeständnissen zu bewegen. Das gespannte Vater-Sohn-Verhältnis kam zum Ausbruch, als dem Kurprinzen die testamentarischen Bestimmungen des Kurfürsten für die Söhne aus zweiter Ehe bekannt wurden denen zufolge die brandenburgischen Stammlande unter allen Söhnen aufgeteilt werden sollten. Friedrich floh 1687 nach Kassel und konnte erst durch Vermittlung Eberhard von Danckelmanns zur Rückkehr nach Berlin bewogen werden.
Die Königskrone
durch Zugeständnisse

So begann am 9. Mai 1688 die Ära des Kurfürsten Friedrichs III. Widerwillig führte er zunächst militärische Abenteuer weiter, zog mit 20 000 Brandenburgern an den Niederrhein und nach Flandern gegen Ludwig XIV. und beteiligte Brandenburg in Ungarn am Kampf gegen die Türken. Aber dann verwirklichte er sein Lebensziel: Am 18. Januar 1701 erwarb er in Königsberg unter größtem Pomp die Königskrone für Preußen, eines außerhalb des deutschen Reiches liegenden Landes. Mit diesem umstrittenen Akt verschaffte sich Friedrich zwar die ehrgeizige Rangerhöhung, mußte die Krone jedoch mit erheblichen Zugeständnissen an den Wiener Hof erkaufen. Allein der Schacher mit brandenburgischen Soldaten als »Miettruppen« auf europäischen Kriegsschauplätzen brachte Friedrich 14 Millionen Taler ein, mit denen der Monarch seinen stark ausgeprägten Hang zur Prunk- und Prachtentfaltung, zum Verschwenderisch-Luxuriösem befriedigte.
     Friedrich setzte den unter seinem Vater begonnenen Ausbau Berlins zum politischen und administrativen Mittelpunkt des entstehenden brandenburgisch-preußischen Gesamtstaates fort. Er legte den Grundstein für die kulturelle Hauptstadtfunktion Berlins und ließ die Stadt zur barocken Königsstadt umgestalten. Das Schloß erfuhr durch Andreas Schlüter (1659–1714) und Eosander

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von Göthe (1669–1728) seine prächtige Umgestaltung und Erweiterung; Schlüter, Johann Arnold Nering (1659–1695) und Jean de Bodt (1670–1745) bauten das Zeughaus; Nering legte als dritte Neustadt und fünftes selbständiges städtisches Gemeinwesen die Friedrichstadt an; der Bau des Schlosses Charlottenburg wurde begonnen, die Schlösser Monbijou, Niederschönhausen und Friedrichsfelde errichtet und die Parochialkirche unter Nering und Martin Grünberg (1655–1706) erbaut. Friedrich gründete 1694 die neue Universität Halle, 1696 die Akademie der Künste sowie 1700 die Akademie der Wissenschaften in Berlin. Damit setzte er historisch bedeutsame Marksteine in der Entwicklung Brandenburg-Preußens und Berlins.
     Der Tod des Kurprinzen Karl Emil im November 1674, zweieinhalb Jahrhunderte, bevor im Penicillin ein Mittel gegen den Typhus gefunden wurde, hat zweifellos Einfluß auf die Geschichte genommen. Damals wurde der Weg für Prinz Friedrich III. auf den Thron frei, wodurch später dessen Sohn Friedrich Wilhelm I. (1688–1740; König seit 1713), der nachmalige »Soldatenkönig« und anschließend dessen Sohn Friedrich II. (1712–1786; König seit 1740) Preußens Geschicke prägen sollten. Friderizianismus statt Karolusianismus? Natürlich sind das Spekulationen. Gewiß aber hätte der »Kriegsmann« Karl Emil die Akzente der Entwicklung Brandenburg-Preußens und
Berlins anders gesetzt als der »Kunstmann« Friedrich. Als beispielsweise Schlüter in seinen berühmten 22 Masken sterbender Krieger am Zeughaus den versteinerten Todesschrei bildlich darstellte, war Friedrich erstaunlicherweise mit dieser Kriegskritik in Gestalt von Skulpturen am damals größten militärischen Staatsbau einverstanden – möglicherweise hatte er dabei auch an den Typhustod seines Bruders gedacht. Allemal aber bestätigt der Tod Karl Emils die Ansicht Johann Wolfgang von Goethes: »Die bedeutendsten Weltbegebenheiten ist man bis in die Geheimnisse der Familien zu verfolgen genötigt.«7)

Anmerkungen und Quellen:
1     Dieses Datum nennt C. von Bardeleben. Es entspricht dem vor 1700 in Brandenburg noch gültigen alten Kalender. Der neue Gregorianische Kalender war nach einer von Papst Gregor XIII. (1502–1585; Papst seit 1572) am 24. Februar 1582 erlassenen Bulle zunächst in einigen katholisch regierten Ländern Europas eingeführt worden. In den protestantisch dominierten deutschen Staaten wurde der neue Kalender erst 1700 unter Weglassen der Zeit zwischen dem 18. Februar und 1. März 1700 gültig. Die meisten Geschichtsdaten des 17. Jahrhunderts entsprechen jedoch bereits dem neuen Kalender. So wird in der einschlägigen Literatur auch der Tod Karl Emils häufig mit »Anfang Dezember 1674« datiert.
2     Die Darstellung des Todes und der Beisetzung

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von Karl Emil folgt C. von Bardeleben: Die Beisetzungsfeier für einen edlen Hohenzollern-Sproß zu Berlin im Jahre 1675, In: Erforschtes und Erlebtes aus dem alten Berlin. Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Vereins für die Geschichte Berlins (Heft 50), Berlin 1917. Die biographischen Angaben zu Karl Emil und Friedrich beruhen auf den einschlägigen Biographien über den Großen Kurfürsten und Friedrich I., vor allem: Ernst Opgenoorth: Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie.
      Zweiter Teil: 1660–1688, Göttingen 1978; Barbara Beuys: Der Große Kurfürst. Der Mann, der Preußen schuf. Biographie, 1. Auflage, Reinbek bei Hamburg 1979; Ludwig Hüttl: Der Große Kurfürst. Friedrich Wilhelm v. Brandenburg, München 1981, Heyne-Buch Nr. 12/118; L. und M. Frey: Friedrich I. Preußens erster König, Graz/Wien/Köln 1984
3     Der am 16. Februar 1620 geborene Prinz Wilhelm war mit 14 Jahren auf Veranlassung seiner Mutter Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1597–1660), einer Enkelin Wilhelms I. von Oranien (1533–1584), dem Begründer der niederländischen Unabhängigkeit, »zur Vollendung seiner Erziehung« in die Republik der Niederlande geschickt worden, wo er vier Jahre seiner Jugend verbrachte und sich das Verständnis für die großen wirtschaftlichen und politischen Fragen aneignete. Im Dezember 1646 hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm in Den Haag Luise Henriette von Oranien (1627–1667) geheiratet.
4     L. und M. Frey: Friedrich I., a. a. O., S. 34
5     Ernst Opgenoorth: Friedrich Wilhelm, a. a. O., S. 68
6     Vgl. Hans-Joachim Neumann: Weltgeschichte im Spiegel von Krankheiten, München 1991, S. 92 und 94
7     Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Erster Teil, In: Goethes Werke, Festausgabe, 15. Band, Leipzig 1926, S. 122
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