71 Porträt | Adam Kuckhoff |
er in Preußens und des Deutschen
Reiches Metropole seine wichtigsten Lebensjahre verbringen würde, wäre das sicher im
rheinischen Gelächter untergegangen. Eine Aachener Frohnatur in Berlin das
war kaum vorstellbar. Und so lernte der im Hause eines wohlsituierten
Nadelfabrikanten Aufgewachsene das geistig-kulturelle
Leben zunächst vor allem in süddeutschen
Universitätsstädten kennen, in Freiburg im
Breisgau, in München und Heidelberg.
Scheinbar ziel- und planlos belegte der junge Mann und überzeugte Anhänger der
freistudentischen Bewegung, der Finkenschaft, alle Disziplinen, die ihn interessierten: Philosophie und Medizin, Nationalökonomie
und Germanistik, Philologie und Geschichte. Schließlich promovierte er 1912 in Halle
an der Saale über »Schillers Theorie des
Tragischen«. Die Bearbeitung des Themas war gleichsam der theoretische Vorlauf für
die sich an die Studienzeit anschließende
Theaterpraxis, die ihn als Schauspieler und Regisseur ans Düsseldorfer Schauspielhaus, an Bühnen in Elberfeldt und Frankfurt am Main führte. Drei Jahre leitete er
gemeinsam mit Robert George das Frankfurter Künstlertheater, eine Wanderbühne, die im Rheinland zielstrebig volksbildnerische Absichten verfolgte.
Diese Lehr- und Wanderjahre waren eine Zeit ernstesten Strebens, fern jeder Boheme. Sie führten Kuckhoff weltanschaulich zum Marxismus, ohne daß er bereit gewesen | ||||
Dieter Götze
Ein Idealist der Linken Der Schriftsteller Adam Kuckhoff
Wer in einem Bus der Linie 118 Schöneberg durchquert, passiert auch den
Adam-Kuckhoff-Platz, ein kleines Rondell, das seit
1990 den Namen des Schriftstellers trägt, der
in der unweit gelegenen Wilhelmshöher Straße bis zu seiner Verhaftung durch die
Gestapo 1942 gelebt hat. Die Namensverleihung, maßgeblich von den Schöneberger Jusos initiiert, war kurz nach der Wende eine kleine politische Demonstration. Anwohner
wußten zunächst wenig mit dem Namen
anzufangen. Daß hier, mitten in Friedenau,
ein Mann gelebt und gearbeitet hatte, der zu den interessantesten Autoren dieses Jahrhunderts gehört, war selbst
Literaturbeflissenen kaum bekannt. Da seine Werke
nach Kriegsende (mit wenigen Ausnahmen in der DDR) nicht wieder aufgelegt wurden,
zählt der Schriftsteller Adam Kuckhoff zu den nahezu Vergessenen, wenn ihn auch heute einschlägige Lexika verzeichnen.
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wäre, seine Überzeugungen in eine
Parteimitgliedschaft münden zu lassen. Im Zentrum stand für ihn der
Dichter-Revolutionär Georg Büchner, dessen Werke er 1927 in
einer kommentierten Volksausgabe herausgab.
Schreiben hatte bereits für den Gymnasiasten und Studenten zum Alltag gehört. Tageszeitungen und Journale in Köln, Frankfurt und Berlin hatten später seine lebendig geschriebenen Theaterkritiken, Skizzen und Berichte veröffentlicht. Da sie weit über dem Niveau eines platten Tagesjournalismus standen, sorgten sie für Aufsehen. Das mag Eugen Diederichs (18671930), eine der interessantesten deutschen Verlegerpersönlichkeiten, bewogen haben, ihn für seine kulturpolitische Zeitschrift »Die Tat« zu gewinnen. Zunächst nur auf Veröffentlichungen in der aktuellen Rubrik »Gesicht der Zeit« beschränkt, übernahm Kuckhoff im April 1928 die Leitung der »Tat« und gab ihr den Untertitel »Monatsschrift zur Gestaltung neuer Wirklichkeiten«. Das ursprünglich eher konservativ ausgerichtete Journal bekam in kurzer Zeit ein neues, linkes Profil. Autoren wie Alfons Paquet er hatte 1919 als einer der ersten Deutschen Sowjetrußland bereist -, Arnim T. Wegner seit 1928 Mitglied der KPD und John Sieg zeitweise Redakteur der »Roten Fahne« tauchten in den Spalten auf. Kuckhoff selbst schrieb ca. 50 Beiträge, neben umfangreichen Leitartikeln zahlreiche stark polemisch gefärbte Glossen, deren Überschriften schon Provo- | kation genug waren etwa: Wofür wir
Hindenburg zu danken haben.
1929 beendete der aufgeschreckte Diederichs die Zusammenarbeit. Auch für Kuckhoff war das eigentlich eine Befreiung. Er gewann Zeit zu schriftstellerischer Arbeit. 1931 gelang ihm mit dem Künstlerroman »Scherry«, den er um die Gestalt des Grock, des Königs der Clowns, frei dichtete, endgültig der Durchbruch als Schriftsteller. Wie sehr ihn aber nach wie vor praktische Theaterarbeit faszinierte, zeigte sich, als ihm sein Jugendfreund, der preußische Kultusminister Adolf Grimme (18891963), die Stelle des ersten Dramaturgen an den Berliner Staatlichen Schauspielen anbot. Hier, an der repräsentativsten Bühne Deutschlands, öffnete sich für Kuckhoff ein Betätigungsfeld, von dem er bis dahin nur geträumt hatte. Der erzkonservative Eckart von Naso, sein Dramaturgen-Kollege und damals gerade selbst auf dem Wege zu einem erfolgreichen Autor, und Bernhard Minetti haben später in ihren Lebenserinnerungen gute Worte für sein Wirken am Berliner Gendarmenmarkt gefunden. In der täglichen Arbeit kam es jedoch bald zu Differenzen mit Ernst Legal, dem Intendanten. Inszenierungen, die Kuckhoff betreute, stießen auf starken Widerspruch. Kuckhoff wiederum warf Legal vor, das Schauspielhaus in ein »braves Kunstinstitut« verwandeln zu wollen. So war bereits im Frühjahr 1932 die verheißungsvoll begonnene Arbeit wieder beendet. Dieser | |||
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endgültige Abschied vom Theater kam
wie bereits zuvor der Abschied von der »Tat« seiner Tätigkeit als Schriftsteller zugute.
Das betraf vor allem die Arbeit am Roman »Der Deutsche von Bayencourt«, dessen Stoff Kuckhoff Jahrzehnte beschäftigte. Da er der Auffassung war, »daß man bei einem Roman gar nicht genug Tatsächliches erfahren und wissen kann«, unternahm er 1933 sogar eine Reise nach Amiens, um die Schauplätze, wo sich seine Geschichte abspielen sollte, zu inspizieren. In einer spannungsreichen und verzweigten Handlung schildert der Roman, wie der Gutsbesitzer Bernhard Sommer, ein in Frankreich naturalisierter Deutscher, während des Ersten Weltkrieges zwischen die Fronten gerät, obwohl er in Jahren harter Arbeit die Achtung seiner neuen Landsleute gewonnen hat. Als entdeckt wird, daß er deutsche Soldaten vor ihren französischen Verfolgern schützt, wird er standrechtlich erschossen, sein Hab und Gut geplündert und verbrannt. Völlig verstört erkennt der Deutsche von Bayencourt vor seinem Tod, daß sein Glaube an Völkerverständigung und Versöhnung ein »lächerlicher Wahn«, ein Selbstbetrug war. Als der Roman 1937 bei Rowohlt erschien, glaubte die NS-Kritik, ein Buch ganz nach ihrem Geschmack in Händen zu halten. Daß Kuckhoffs realistische Gestaltungsweise weit entfernt von gängiger Blutund-Boden- Epik den Leser aber gerade zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Nationalis- | mus und Chauvinismus zwang, entging
ihr. Kuckhoff verweigerte auch eine Verfilmung, um möglichen nationalistischen
Verfälschungen einen Riegel vorzuschieben.
Er selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren stark im antifaschistischen Widerstand engagiert. Gemeinsam mit seiner Frau Greta und den Ehepaaren Arvid und Mildred Harnack und Harro und Libertas Schulze-Boysen arbeitete er am Aufbau jener weitverzweigten Gruppierung von Nazigegnern, der die Gestapo später den Namen »Rote Kapelle« gab. Für den Chronisten seines Lebens ist es heute schwer, Einzelheiten dieses Kampfes, der sich unter den Bedingungen tiefster Illegalität vollzog, zu ermitteln. Greta Kuckhoff hat später versucht, darüber in ihrem Buch »Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle« zu berichten. Der ganze Umfang dieser Tätigkeit, der Kuckhoff seine literarischen Pläne opferte, ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Kuckhoff war Hitler-Gegner aus tiefster innerer Überzeugung. Wie viele seiner Mitstreiter sah er in der Sowjetunion die Kraft, die Nazideutschland überwinden würde und demzufolge auch zu unterstützen war. Am 12. September 1942 wurde er in Prag verhaftet. Der Prozeß vor dem Reichskriegsgericht endete für ihn mit dem Todesurteil. Adolf Grimme hat uns seine Standhaftigkeit vor den Anklägern überliefert: »Was nun seine Haltung vor Gericht betrifft, so ist sie dieselbe gewesen, die er in den letzten Wochen | |||
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seines Lebens gezeigt hat: Mannhaft,
keinen Augenblick innerlich oder äußerlich
nachgebend und wie besessen von dem Glauben, daß er sein Leben für eine große Sache
zum Opfer bringen müsse. Das ist alles um so
bewundernswerter, als man ihn von Anfang an übel behandelt hat; beim Termin im
Februar 1943 war er zum ersten Male seit seiner
etwa Anfang September 1942 erfolgten Verhaftung ohne Fesseln, und er hatte Gelegenheit,
mir zuzuflüstern, daß er in sadistischer Weise in der sogenannten Stalinkammer, dieser Schreckenskammer der Gestapo in
der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin,
Torturen über sich hat ergehen lassen müssen. Er
hat sie mir im einzelnen geschildert ich
möchte sie jetzt nicht wiederholen. Diese
Ungebrochenheit seines Charakters war schlechthin beispielhaft. Was die deutsche
Literatur an ihm verloren hat, wissen nur wenige, gehörte er doch zu den Naturen, denen der Erfolg erst gekommen sein würde ...«
Am 5. August 1943 wurde Adam Kuckhoff im Alter von 55 Jahren in Berlin-Plötzensee mit 14 weiteren Gefährten hingerichtet. Ob sich heute noch einmal ein Verlag an die Herausgabe seiner Werke wagt? Was gäbe es da nicht alles zu entdecken: den tief die ganze Epoche auslotenden »Deutschen von Bayencourt«, die geistreiche Novelle »Scherry«, eigenwillige Erzählungen wie »Der Deserteur« oder »Der letzte Auftritt«, anspruchsvolle Essayistik, sogar einen Kriminalroman, »Strogany und die Vermißten«, | ausdrucksstarke Lyrik. Eines seiner
schönsten Gedichte ist im Februar 1943 in der
Haft für seine Frau Greta entstanden:
»Andern hab ich manchen Vers geschrieben,
O Geliebte, ungemessen
Denkst Du an das Blut in Deinen Lungen?
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© Edition Luisenstadt, 1997
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