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Hans-Heinrich Müller
Ein Ingenieur, der Landtechnik lehrte

Emil Perels
(1837–1893)

Emil Perels war ein Kind des beginnenden industriellen Zeitalters, ein Berliner, geboren am 9. Juli 1837. Sein Vater, Nathan Markus Perels, aus Danzig nach Berlin zugewandert, besaß in der Spandauer Straße 25 eine »Uhrenhandlung en gros«, die in späteren Jahren auch die Produktion von Uhren aufnahm. Verheiratet war er mit Friederike Moser, einer geborenen Berlinerin, deren Bruder Louis Ferdinand Moser an der Königsberger Universität eine Professur für Physik innehatte. Und der Bruder dürfte auf den zweiten Sohn seiner Schwester, auf Emil Perels, Einfluß auf Bildung und Ausbildung genommen haben, denn Emil wollte Ingenieur werden. Nach Schulbesuch und Reifeprüfung finden wir Emil Perels 1856 dann auch als »Zögling« am Berliner Gewerbeinstitut, das mit der Berliner Universität eine fruchtbare Kooperation eingegangen war. Am Gewerbeinstitut lehrten bekannte Professoren: Heinrich Gustav Magnus (1802–1870), Initiator der Physikalischen Gesellschaft, der berühmte Mathematiker

Emil Perels
Karl Weierstraß (1815–1897), Franz Grashof (1803–1879), Lehrer der Mechanik, einer der Schöpfer der wissenschaftlichen Grundlagen des Maschinenbaues und später langjähriger Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure, und der Physiker Wilhelm Dove (1803–1879), der sich um die Meteorologie große Verdienste erwarb und mit Louis Ferdinand Moser eng befreundet war. Zu nennen ist noch Professor Friedrich Karl Hermann Wiebe (1818–1881), ein ehemaliger Mühlenbaumeister aus Thorn, der sowohl am Gewerbeinstitut wie an der Bauakademie das Fach Maschinenbau und -lehre vertrat, ein Lehrer, der praktische Erfahrungen erfolgreich mit der Theorie zu verbinden wußte und 1879 zum ersten Rektor der Tech-
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nischen Hochschule in Berlin berufen wurde. Zu ihm fühlte sich Emil Perels besonders hingezogen. Perels war ein ausgezeichneter Schüler, was zur Folge hatte, daß er auserkoren wurde, zusammen mit Wiebe und einigen ausgewählten Studenten, eine Exkursion nach Schlesien zu unternehmen, um Industriebetriebe zu besichtigen. Die Frucht dieser Studienreise war ein von Perels verfaßter Bericht über die »technologische Reise«, über »Förderung, Grubenentwässerung, Kohlenschächte, Nudelfabrik und Wassermangel« – gutgeheißen von Wiebe und dem Direktor des Gewerbeinstituts, W. Nottebohm (1808–1875), und abgedruckt und mit Zeichnungen versehen in den bekannten »Verhandlungen des Vereins für die Förderung des Gewerbefleißes in den preußischen Staaten« –, der den Auftakt einer stattlichen Reihe von Veröffentlichungen bilden sollte.
     1859 verließ Perels das Gewerbeinstitut mit einem Diplom als Maschinenbauingenieur in der Tasche, besuchte jedoch weiterhin Vorlesungen an der Berliner Universität als Gasthörer. Seine Vorliebe galt dabei der Meßtechnik und der Dampfmaschine. Doch seine beruflichen Interessen gehörten fortan der Landwirtschaft. Der Aufschwung der kapitalistischen Industrie stellte neue Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion, die nicht mehr mit den bis dahin überlieferten Produktionsmethoden bewältigt werden konnten. Die notwendig gewor-
dene Intensivierung erforderte neue Geräte und Maschinen. Es entstanden Landmaschinenfabriken, und Berlin entwickelte sich zu einem Zentrum des Landmaschinenbaus.1)
     Es war wohl die landtechnische Entwicklung, die Perels faszinierte; er erkannte, daß eine neue Epoche in der Geschichte der Landtechnik angebrochen war, die industrielle Fertigung von Pflügen und Maschinen die Oberhand gewann und ihre Konstruktion und zunehmende Eisenverwendung nach wissenschaftlichen Prinzipien berechnet und erprobt werden mußte. In Perels reifte der Plan, landwirtschaftliche Konstrukteure auszubilden und sie mit entsprechender Fachliteratur zu versorgen. Er leitete die Ära der landwirtschaftlich-technischen Literatur ein, er verfaßte zunächst acht Hefte über Dresch-, Sä-, Erntemaschinen, Bodenbearbeitungsgeräte und Dampfpflüge, die 1866 zum »Handbuch zur Anlage und Konstruktion landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte« zusammengefaßt wurden, ein Handbuch, das Perels Ruf als Ingenieurwissenschaftler begründete. 1867 erschien sein »Ratgeber bei Wahl und Gebrauch landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen«, der bis 1922 in zwölf Auflagen erschien (seit 1897 von W. Strecker herausgegeben). Perels ließ sich in all seinen Handbüchern und Ratgebern von dem Grundsatz leiten, daß die Maschine der Landwirtschaft anzupassen sei, nicht umgekehrt, die Landwirtschaft der Maschine.
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Perels vermittelte nicht nur solides Grundlagenwissen, gab nicht nur Anweisungen zur Behandlung und Inbetriebnahme von Landmaschinen, sondern er versuchte auch, seine Ideen in die Praxis umzusetzen. Zusammen mit dem Kaufmann C. Mitscher gründete er in der Nähe der väterlichen Wohnung, in der Mühlenstraße 60, um 1863 eine »Fabrik für Dampfdreschmaschinen und Lokomobilen«. Wenn Perels auch erfolgreiche Konstruktionen bot, seine Maschinen mit Preismedaillen ausgezeichnet wurden, so war das Fabrikantendasein dennoch nur von kurzer Dauer. 1865 stellte die Fabrik ihre Produktion ein, sie war dem Konkurrenzkampf nicht gewachsen, produzierte noch zu teuer. Im selben Jahr aber finden wir Perels als Lehrer für Landtechnik am Landtechnischen Lehrinstitut, das von Albrecht Christian Thaer (1752–1828), Enkel des berühmten Albrecht Daniel Thaer, geleitet wurde. 1866 habilitierte sich Perels an der Gewerbeakademie, hervorgegangen aus der Vereinigung des Gewerbeinstituts und der Bauakademie, der späteren Technischen Hochschule, und las als Privatdozent in den Jahren 1866 bis 1867 landwirtschaftliche Maschinentechnik.
     1867 folgte Perels einem Ruf an die Universität Halle, und sie gewann damit »den ersten wissenschaftlichen Vertreter des landwirtschaftlichen Maschinenwesens«.2) Es war Julius Kühn (1825–1910), der weit über die Grenzen Deutschlands bekannte Agrar-
wissenschaftler, Phytopathologe und bahnbrechende Vorkämpfer des landwirtschaftlichen Unterrichts und der akademischen Ausbildung, in den Augen der Zeitgenossen »ein zweiter Thaer«, der Perels nach Halle holte. Er hatte die Einrichtung einer Dozentur für landwirtschaftliches Maschinenwesen an der Halleschen Universität gefordert, für die »ein auf dem landwirtschaftlichen Gebiet wohl orientierter Ingenieur berufen werden« müsse, und Perels sei die dafür »vorzüglich geeignetste Kraft«.3) Perels erhielt zwar keine Dozentur, wurde aber als »Lektor für landwirtschaftlichen Maschinen- und Gerätebau« angestellt und zugleich zum technischen Mitglied der halleschen Maschinen-Prüfungs-Station berufen, die unter seiner Leitung und mit tatkräftiger Unterstützung Kühns zum Vorbild in ganz Deutschland und in Europa wurde. Gegen den Widerstand der philosophischen Fakultät, doch auf Verlangen der Autorität Kühns wurde Perels am 5. März 1871 zum außerordentlichen Professor für mechanische Technologie berufen – für die Geisteswissenschaft und konservativen Universitätsprofessoren war Technik, gar erst Landtechnik, keine ebenbürtige Universitätsdisziplin, die man mit einer ordentlichen Professur bedachte.
     Der unbefriedigende akademische Status in Halle bewog schließlich Perels, einen Ruf an die Hochschule für Bodenkultur in Wien anzunehmen. Der österreichische Landwirtschaftsminister rühmte Perels als anregen-
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den Lehrer, der die landwirtschaftliche Maschinentechnik in Deutschland und in ganz Europa beherrsche und ernannte ihn am 20. Dezember 1873 zum ordentlichen Professor für Maschinen- und Meliorations-Ingenieur-Wesen. Er erwartete durch dessen Berufung einen wesentlichen Aufschwung des landwirtschaftlichen Maschinenwesens in Österreich. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Perels entfaltete in Wien eine rege Tätigkeit, forderte in seinen Vorlesungen eine enge Verknüpfung von Landwirtschaft und Technik, regte landwirtschaftliche Prüfungsstationen an, insbesondere Material- und Qualitätsprüfungen, legte Modellsammlungen an, förderte die Ausbildung von Meliorationsingenieuren, veröffentlichte 1877 das »Handbuch des landwirtschaftlichen Wasserbaues«, das einen Höhepunkt der Ent- und Bewässerungstechnik bedeutete und die Kulturtechnik aufwertete. Der anregende Lehrer und Landmaschinentheoretiker und -praktiker genoß in der Wiener Hochschule für Bodenkultur hohes Ansehen und galt als der Repräsentant der österreichischen Landtechnik. Man wählte ihn 1877 zum Dekan der landwirtschaftlichen Sektion, 1880 zum Rektor, 1886 folgte eine zweite Amtsperiode. Perels erfreute sich eines großen internationalen Ansehens, was seinen Ausdruck auch in zahlreichen Ehrungen fand. So wurde er zum Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees des Kaiserlich Russischen Ministeriums der Reichsdomänen gewählt, zum korrespondierenden Mitglied der k. u. k. Landwirtschaftsgesellschaft in Wien, und der preußische König verlieh ihm den Kronen-Orden vierter Klasse.
     Am 4. September 1893 erlag Emil Perels einem Schlaganfall in dem Urlaubsort Niederdorf in Tirol. Was war und blieb in diesem Leben? Emil Perels war ein überaus produktiver Fachschriftsteller, der erste Ingenieur, der Landtechnik lehrte und die Landmaschinentechnik zu einer selbständigen Wissenschaftsdisziplin erhob. Er trat für Prüfungsstationen der Landmaschinen und -geräte und für Material- und Qualitätskontrollen ein, die für die Entwicklung der gesamten Technik größte Bedeutung erlangten, auch wenn er die Errichtung von Materialprüfstationen nicht mehr erlebte. Er war ein genauer Beobachter der Fortschritte auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Maschinen und sorgte durch seine zahlreichen Veröffentlichungen für ihre allgemeine Verbreitung. Er hatte wesentlichen Anteil daran, daß die deutsche Landmaschinenindustrie am Ende des 19. Jahrhunderts ein hohes Niveau besaß.

     Anmerkungen:
1     Vgl. Berlinische Monatsschrift, H. 7/1997, S. 4 ff.
2     Die Entwicklung des landwirtschaftlichen Maschinenwesens in Deutschland. Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Deutschen Landwirt schafts-Gesellschaft, Berlin 1910, S. 10
3     J. Kühn: Das Studium der Landwirtschaft an der Universität Halle, Halle 1888, S. 46 ff.

     

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