16 Probleme/Projekte/Prozesse | Holzaktion im Herbst 1947 |
Weise Brennholz aus Ruinenhäusern,
sammelte in den umliegenden Wäldern Bruchholz oder grub Baumstümpfe aus. Manch einer zog »Kohlenklau« vor, indem er
langsam fahrende oder haltende Kohlezüge plünderte. Solche Selbsthilfen
änderten nichts an der allgemeinen Notlage.
Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin regelte die Brennstoffversorgung nur allgemein, letztlich war jede Besatzungsmacht für ihren Sektor verantwortlich. Während die Westmächte die Kohlelieferungen aus dem Ruhrgebiet erhöhten, verfügten die Sowjets im Juli 1947 für ihren Sektor einen Holzeinschlag in der Provinz Brandenburg. Doch ein Großteil des schon geschlagenen Holzes beschlagnahmten lokale Militärbehörden für eigene Zwecke. Der sowjetische Militärkommandant der Stadt Berlin, Generalmajor Alexander G. Kotikow (19021981), verpflichtete die acht Ostberliner Verwaltungsbezirke durch den Befehl Nr. 131 vom 13. September 1947 dazu, mit eigenen Arbeitskräften rund 150 000 Raummeter (die frühere Maßeinheit Raummeter, rm, beinhaltete im Gegensatz zum Festmeter einen Kubikmeter geschichtetes Holz mit Zwischenräumen) Holz einzuschlagen und abzutransportieren. Die Zeit zur Vorbereitung war knapp. Rund 1 500 Arbeitskräfte mußten angeworben bzw. abgestellt, Handwerkszeug und Transportraum organisiert und durch Vorauskommandos Unterkünfte eingerichtet | ||||||
Gerhard Keiderling
Eine politische Holzaktion im Herbst 1947 Das Jahr 1947 war das kritischste der schweren Nachkriegszeit. Dem langen
Kältewinter (s. BM 2/96, S. 35 ff.) folgte ein
trockener, heißer Sommer, so daß die Ernte im
Herbst mäßig ausfiel. Schon Mitte des Jahres
teilte das Haupternährungsamt beim Magistrat mit, die Wintervorräte seien so gering,
daß nur zehn Prozent des Bedarfs gedeckt werden könnten. Die Sorge um das tägliche
Brot und die Furcht vor einem erneuten Katastrophenwinter beherrschte das Denken
und Tun der Berliner.
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werden. Das Bezirksamt Mitte meldete:
»Da geeignetes Werkzeug innerhalb des Bezirks infolge seiner wirtschaftlichen
Struktur nicht in vollem Umfange zu beschaffen
war, ist versucht worden, aus anderen Sektoren Werkzeug zu bekommen. So sind 50
Äxte aus dem britischen Sektor, 30
Schrotsägen aus dem amerikanischen Sektor und
weitere 15 Schrotsägen vom FDGB zur Verfügung gestellt worden. (...) Von den zur Zeit rund 200 Beschäftigten haben etwa 75
Privatquartiere. Der Rest ist in Massenquartieren
untergebracht.«
Die Aktion startete am 29. September 1947. Den Bezirken Friedrichshain, Köpenick, Lichtenberg, Prenzlauer Berg, Treptow und Pankow waren Forstämter in der Kyritz-Ruppiner Heide und den Bezirken Mitte und Weißensee Zechlin bzw. Grünhaus bei Finsterwalde zugewiesen worden. Vom ersten Tage an gab es Probleme. Auf die zugesicherte Hilfe seitens der Kommandanturen war nicht immer Verlaß. In einem Bericht hieß es: »Die Ankündigung der russischen Besatzungsmacht, die Bezirke mit Wagen ihrer Militäreinheit zu unterstützen, ist nicht erfüllt worden, im Gegenteil, sämtliche Bezirksfahrbereitschaften des Ostsektors müssen laufend Lastkraftwagen für die Besatzung stellen. Zum Beispiel in einem Bezirk vom 1.27. Oktober 1947 135 Lastkraftwagen.« Damit war wohl Treptow gemeint, wo alle verfügbaren Fahrzeuge beim Bau des Ehrenmals im Treptower Park und | beim Ausbau des Flugplatzes
Johannisthal eingesetzt waren. Versprochene
Lieferungen von Kraftstoff und Ersatzteilen,
besonders Reifen, blieben aus.
Am schwierigsten erwies sich der Transport des geschlagenen Holzes nach Berlin. Das Bezirksamt Prenzlauer Berg schilderte die Lage: »Die Kahnablage liegt 20 km ab. Waggons waren trotz Zusagen nicht zu erhalten. Das Holz wird an der Bahn gestapelt, wo außerdem schon tausende von Metern für die Besatzungsmacht liegen. Beim Transport nach Berlin können viele Fahrzeuge infolge der schlechten Bereifung den langen Weg nicht durchhalten. So sind beispielsweise von 6 ausgeschickten Fahrzeugen fünf auf der Strecke geblieben.« Das Bezirksamt Pankow verlangte ein schärferes Vorgehen gegen die »passive Resistenz« von privaten Transporteuren: »Es geschah beispielsweise, daß ein Fuhrunternehmer seinen Lkw in Zechlin nur etwa zur Hälfte mit Holz auslastete, um ihn unterwegs mit Lebensmitteln für den eigenen (oder anderen) Bedarf vollzuladen.« Auch wünschten die Holzhändler einen täglichen Holzeinschlag nur in solchen Mengen, wie sie sie abtransportieren konnten, weil sie für einen möglichen Diebstahl das Risiko nicht tragen wollten. Dadurch gerieten die Bezirksämter in eine Zwangslage, denn: »Die Zentralkommandantur fordert eine Forcierung des Einschlags unter vorläufiger Nichtbeachtung der Transportmöglichkeiten.« | ||||||
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Auch die Versorgung der Einsatzkräfte
bereitete Schwierigkeiten. Die von der Zentralkommandantur zugesicherte
Verpflegung nach Lebensmittelkarte I wurde vom
Haupternährungsamt des Magistrats zeitweise wegen angeblich zu geringer Arbeitsleistung eingestellt. Das Bezirksamt Pankow
erhöhte die Zahl der Holzfäller, »um dann nach
Wochen von der Bezirkskommandantur darüber aufgeklärt zu werden, daß die
Zusatzverpflegung nur für 182 Mann
gewährt würde. Diese Abkehr von den vorher
gemachten Zusagen hatte zur Folge, daß der Bezirk ein erhebliches Manko zu
verzeichnen hatte.« Ähnliches widerfuhr dem
Bezirksamt Weißensee: »Da die
Arbeitsplätze 13 km von der Unterkunft ablagen,
wurde das gestellte Pensum nicht erfüllt. Als
Repressalie verweigerte in der folgenden Woche der Verpflegungsoffizier die
Zusatzverpflegung, die aber auf Anordnung des Kommandanten wieder gewährt wurde.«
Der für die Aktion verantwortliche Offizier der sowjetischen Zentralkommandantur hatte den Bezirksbürgermeistern am 17. September 1947 versprochen, es kämen Textilien, Schuhe und diverse Konsumgüter als Prämien zur Verteilung, »je nachdem, wie die Arbeiter sich bewähren«. Mancher hatte sich gerade der Prämien wegen freiwillig gemeldet. Doch: »Die Hoffnungen vieler Arbeiter, nun endlich als Prämie ein Paar Arbeitsschuhe zu bekommen, konnte leider nicht erfüllt werden. Manche Bezirke | erhielten Damen-Stoff- Straßenschuhe,
Kinderhausschuhe und Pantoffeln zugewiesen. Auch Anträge auf Belieferung von
Holzschuhen wurden abgelehnt.«
Dennoch lief die Holzaktion zügig an. Bis zum 25. Oktober 1947 hatten insgesamt 1 340 Einsatzkräfte von den 150 000 rm bereits 36 000 rm geschlagen und rund 7 000 rm auf den Transport nach Berlin gebracht. »Dieser Erfolg wäre ohne die hingebungsvolle Arbeit der beteiligten Bezirksämter nicht möglich gewesen«, hieß es in einem Bericht. Die sowjetische Zentralkommandantur, mit dem Verlauf der Holzaktion unzufrieden, warf den Ostberliner Bezirksbürgermeistern Sabotage des Befehls 131 vor. Generalmajor Kotikow drohte ihnen strenge Maßnahmen an, falls sie nicht binnen zehn Tagen ihre Arbeit sichtlich verbessern würden. Er unterstrich die Ernsthaftigkeit seiner Absicht, indem er den Bezirksbürgermeister von Friedrichshain, Wilhelm Mardus (SPD) am 25. Oktober 1947 seines Amtes enthob. Am 8. Dezember 1947 traf der Bannstrahl auch die Bezirksbürgermeisterin von Prenzlauer Berg, Ella Kay (SPD). In den Bezirksverordnetenversammlungen beider Bezirke kam es zu heftigen Debatten, weil die SED die Besatzungsmacht verteidigte. Der Magistrat und der Rat der zwanzig Bezirksbürgermeister protestierten gegen das sowjetische Vorgehen, in dem sie eine Beeinträchtigung der demokratischen Rechte der | |||||
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freigewählten Kommunalorgane
erblickten. Die Zentralkommandantur lenkte ein und nahm von Repressalien gegenüber
anderen Bezirksämtern Abstand.
Zweifelsohne lag es in der Intention der Sowjets, die Holzaktion sie ging mit erheblicher Verspätung im April 1948 zu Ende für eigene politische Ziele zu nutzen. Allen acht Ostberliner Bezirksämtern standen seit den Oktoberwahlen 1946 SPD-Bürgermeister vor, wodurch wie Kurt Mattick auf dem 5. Landesparteitag der SPD am 8./9. Mai 1948 ausführte »allen Versuchen zum Trotz der SED ein unmittelbarer Einbruch in die Verwaltungsarbeit nicht möglich wurde«. Um diese Phalanx aufzubrechen, sollten die Bürgermeister öffentlich als unfähig und verräterisch gegenüber dem Allgemeinwohl angeprangert werden. Doch der Plan ging nicht auf. Die Bezirksverordnetenversammlungen von Prenzlauer Berg und Friedrichshain wählten am 21. Januar 1948 nicht die interimistischen SED-Vertreter, sondern wiederum Sozialdemokraten, nämlich Kurt Exner und Heinz Griesch, zu ihren Bürgermeistern. Alle acht Ostberliner Bezirksämter verblieben also in den Händen der SPD, was von den Sowjets als ein spürbarer Nachteil angesichts der sich zuspitzenden Lage in und um Berlin empfunden wurde. Am 13. Februar 1948 hatten Kurt Mattick und Theo Thiele vom SPD-Landesvorstand eine zweistündige Besprechung in der sowjetischen Zentralkommandantur, um die | weiteren Arbeitsbedingungen ihrer
Partei im Ostsektor zu erfahren. Über das
Gespräch berichtete Willy Brandt an das »Büro
Schumacher« in Hannover, ein sowjetischer Major hätte erklärt, daß »wenn die
Sozialdemokraten an ihrer marxistischen Grundlage festhalten und nicht in das bürgerliche
Fahrwasser abgleiten würden, sich notwendigerweise eine Verständigung mit der
Sowjetunion anbahnen würde auch wenn es 50 Jahre dauern sollte wie er
hinzufügte. Unsere Freunde antworteten darauf,
überlegt wie diplomatisch, daß sich im Laufe einer solchen Zeitspanne wahrscheinlich auch in Rußland noch manches ändern werde.«
Quellen:
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© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de