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Berliner Biographien (V)
Vallentin, Rosa
Als Rosa Valetti wurde sie zur ausdrucksstärksten und kompromißlosesten Chansoninterpretin des literarisch- politischen Kabaretts der 20er Jahre. Sie begründete 1920 im »Café des Westens« das »Cabaret Größenwahn«. Hier sang sie Chansons von Aristide Bruant (18511925) und Walter Mehring (18961981). Im Kabarett »Rampe« stellte V. 1922 das ihr von Kurt Tucholsky (18901935) geschriebene Chanson »Mal Singen, Leute !« vor. 1928 verkörperte sie die Mrs. Peachum in der Uraufführung der »Dreigroschenoper« von Brecht/Weill. Im Sommer 1930 wirkte V. in der Schiffer- Hollaender- Revue »Ich tanze um die Welt mit dir« mit. Als Gattin des Varitédirektors überzeugte sie in dem Film »Der Blaue Engel«. 1933 verließ sie Deutschland und lebte bis zu ihrem Tode in Wien. Varnhagen von Ense, Karl August
Durch Studien in Berlin und Halle kam V. in Verbindung mit schöngeistigen intellektuellen Kreisen um Friedrich Schlegel (17721829), Johann Gottlieb Fichte (17621814), Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (17681834) und Rahel Levin (17711833), |
seiner späteren Frau. Als Offizier in österreichischen und später in russischen Diensten nahm er an den Befreiungskriegen teil. V. begleitete den preußischen Staatsmann Karl August von Hardenberg (17501822) zum Wiener Kongreß und avancierte zum preußischen Vertreter am badischen Hof. 1819 wurde er nach Berlin zurückberufen, da
man ihn demokratischer Neigungen verdächtigte. Hier führte er zusammen mit seiner Frau Rahel einen von Goethe-Verehrung geprägten literarischen Salon. Seine umfangreichen Tagebücher sind wertvolle Geschichtsquellen.
Vasmer, Max
V. lehrte bereits in Petersburg, Saratow und Leipzig, ehe er 1925 zum ordentlichen Professor für Slawistik und Direktor des Slawischen Institutes an die Berliner Universität berufen wurde. Neben seiner historischen Sprach- und Kulturkontaktforschung beschäftigte er sich mit der slawischen Altertumskunde und ihrer Siedlungsgeschichte. Der Begründer und Herausgeber der »Zeitschrift für slawische Philologie« (1924) veröffentlichte von 1953 bis 1958 das dreibändige »Russische etymologische Wörterbuch«. Seine letzte Ruhestätte auf dem Kirchhof der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Nikolassee wurde 1987 durch Beschluß des Senats zum Ehrengrab erklärt. | |||||
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Vatke, Johann Karl Wilhelm
* 14. März 1806 in Behndorf bei Magdeburg 19. April 1882 in Berlin Theologe Der Sohn eines evangelischen Pfarrers war bereits im Alter von 12 Jahren Vollwaise, besuchte das Gymnasium und studierte in Halle, Göttingen und Berlin. 1830 habilitierte er sich als Privatdozent an der Friedrich- Wilhelms- Universität zu Berlin. In seinem Hauptwerk der »Biblischen Theologie« bietet V., unter Verwendung des philosophischen Systems von Hegel, die erste historisch- kritische Abhandlung des Alten Testaments. Er war eng befreundet mit dem Theologen und Schriftsteller David Friedrich Strauß (18081874) und Antipode des orthodoxen Theologen Ernst Wilhelm Hengstenberg (18021869). Dennoch wurde V., zunächst ohne Gehalt, 1837 zum außerordentlichen Professor für Altes Testament und Religionsphilosophie in Berlin berufen. Veitmeyer, Ludwig Alexander
V. erhielt seine technische Ausbildung am Beuth'schen Gewerbeinstitut und war seit 1844 am Bau der Berlin-Hamburger Eisenbahn beteiligt. Danach arbeitete er als Oberingenieur in der Maschinenfabrik Wöhlert. Später ließ er sich als Zivilingenieur nieder und beschäftigte sich von 1871 bis 1875 mit Studien und Vorarbeiten zur Berliner Kanalisation und der Wasserversorgung der Stadt Berlin. Sein umfassendster Wirkungskreis blieb jedoch die Sicherung der Schiffahrt an den deutschen Seeküsten durch Leuchtfeuer. Der langjährige Vor- | ||||
sitzende der Polytechnischen Gesellschaft und des Vereins Deutscher Maschinenbauingenieure
erwarb sich als Mitglied des Kaiserlichen Patentamtes Verdienste bei der Revision des Deutschen
Patentgesetzes.
Vely, Emma
Die Tochter des Waffenfabrikanten Convely mußte bereits im Alter von drei Jahren den Tod ihres Vaters hinnehmen. In Anlehnung an ihren Namen nannte sie sich später »E. Vely«. Sie besuchte die höhere Töchterschule in Hannover und arbeitete an verschiedenen Orten als Gouvernante und Sprachlehrerin. Schon früh veröffentlichte sie Novellen und Aufsätze. Nach ihrer Scheidung von dem Stuttgarter Buchhändler Simon zog sie 1889 mit der Tochter Lolo nach Berlin und schrieb u. a. für das »Berliner Tageblatt«. Die emanzipierte Journalistin stand der bürgerlichen Frauenbewegung nahe und war eine Mitarbeiterin bei der von Helene Lange (18481930) herausgegebenen Monatsschrift »Die Frau«. In den 1890er Jahren empfing sie in ihrem Salon in der Maaßenstraße (Schöneberg) Schauspieler und Bühnenkünstler zum »Montagstee«. | ||||
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»Das tägliche Brot« (1900) das Schicksal zweier Dienstmädchen. 1935 erschien ihr letztes Buch »Der Vielgeliebte und die Vielgehaßte« die Liebesgeschichte Friedrich Wilhelms II. (17441797) mit der Trompeterstochter Wilhelmine Encke.
Viereck, Louis
Der uneheliche Sohn einer königlichen Hofschauspielerin (vermutlich illegitimer Sohn des späteren Kaisers Wilhelm I.) studierte Medizin sowie Rechts- und Staatswissenschaften. Zunächst Referendar am Kammergericht, publizierte er von 1878 bis zu seiner Ausweisung aus Berlin im Jahre 1879 für die »Berliner Freie Presse« und die »Berliner Nachrichten«. Von 1884 bis 1887 vertrat er die SPD im Reichstag. Der Herausgeber der Zeitschriften »Menschenfreund« und »Hygienische Korrespondenz« emigrierte 1896 in die USA. Ab 1911 hielt er sich wieder überwiegend in Berlin auf, mied jedoch die Öffentlichkeit. Villaume, Peter
Der aus einer Hugenottenfamilie stammende V. wurde 1787 Professor am Joachimsthalschen Gymnasium. Er lehrte Philosophie, Logik, Deutsch und Kunstgeschichte. V. war universell begabt und beschäftigte sich in seinen Werken mit politisch-sozialen und pädagogisch- psychologischen Problemen. Obwohl V. als einer der schärfsten und konsequentesten Denker der Aufklärungspädagogik angesehen | ||||||
Verdy du Vernois, Justus Friedrich Wilhelm Ludwig von
* 19. Juli 1832 in Freystadt/ Schlesien 30. September 1910 in Stockholm Militär, General der Infanterie Nach dem Besuch der Allgemeinen Kriegsschule erfolgte 1858 die Kommandierung zum Großen Generalstab. Im Zeitraum von 1867 bis 1872 lehrte er an der Kriegsakademie. Als Staats- und Kriegsminister (1889/1890) sagte ihm Otto von Bismarck (18151898) zuviel Liberalität im Amt nach. V. war ein befähigter Stratege und galt als einer der geistvollsten und bedeutendsten Generale seiner Zeit. Neben höchsten militärischen Ehrungen erhielt V. den Pour le mérite für Kunst und Wissenschaft sowie den Dr. phil. der Albertus- Universität Königsberg. Der General, in Stockholm an einer Lungenentzündung verstorben, wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beigesetzt. Viebig, Clara
Sie besuchte die höhere Töchterschule und bildete sich danach autodidaktisch auf den Gebieten der Musik und Literatur. 1883 nahm sie ein Gesangsstudium an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin auf. Ab 1894 veröffentlichte sie kleinere Novellen und Skizzen in der »Berliner Volkszeitung«. Um die Jahrhundertwende gehörte V. zu den bekanntesten Autorinnen und wurde wegen ihres naturalistischen Stils als »die deutsche Zolaide« bezeichnet. In ihren Berlinromanen finden sich Milieuschilderungen und Charakterstudien einfacher Leute. So beschrieb sie in dem Roman | ||||||
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werden muß, wurde er von der historischen Forschung nur wenig beachtet. Von Bedeutung sind seine Abhandlungen über Körpererziehung und Gymnastik. So war V. 1790 Mitinitiator des
ersten Berliner Gymnastikplatzes. 1793 verließ er Preußen, da er die offizielle Kulturpolitik ablehnte.
Vogtherr, Ewald
Der Sohn eines freireligiösen Predigers besuchte die Realschule in Bunzlau und schloß 1877 die Lehre als Handlungsgehilfe in Landeshut ab. 1888 ließ er sich als selbständiger Kaufmann in Berlin nieder. Im folgenden Jahr wurde er in die Stadtverordneten- Versammlung gewählt, der er bis 1899 angehörte. Ab 1910 widmete er sich seinem
publizistischem Schaffen. Er war Mitarbeiter und Herausgeber verschiedener sozialdemokratischer
sowie freidenkerischer Zeitungen und Zeitschriften.
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Völker, Hans
Der promovierte Staats- und Rechtswissenschaftler begann seine berufliche Laufbahn nach dem
Ersten Weltkrieg als Angestellter beim Beamtenbund. Von 1922 bis 1933 war er geschäftsführendes Mitglied im Hauptvorstand des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes mit Sitz in Berlin. V. war auch Mitglied der Aufsichtsräte der Deutschen Wohnungsfürsorge AG (DEWOG) und der Wirtschafts- und Wohlfahrtseinrichtungen des Beamtenbundes. Von 1930 bis 1933 vertrat er die SPD im Reichstag.
Vorstius, Joris
V. studierte Germanistik, Theologie und Hebraistik und trat 1920 in den Dienst der Preußischen Staatsbibliothek. Von 1948 bis 1963 wirkte er an der Humboldt- Universität als Professor für Bibliothekswissenschaft. V. war Mitherausgeber bzw. Herausgeber des »Zentralblattes für Bibliothekswesen« und der »Deutschen Literaturzeitung«. Als Verfasser grundlegender bibliographischer und bibliothekswissenschaftlicher Werke genoß er internationales Ansehen. | |||
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Spazierfahrt durch das Rosenthaler Tor, Berliner Kalender 1909 | ||||
© Edition Luisenstadt, 1997
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