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Schinkel beschreibt seinen Entwurf: »Der Allerhöchst genehmigte, hier vorgestellte Entwurf, welcher von der Königl. Eisengießerei ausgeführt wurde, bildet ein turmartiges Gebäude, nach den Verhältnissen derer, die in den Details am Dom zu Köln gefunden werden.«1) Das Schinkelsche Denkmal ist aus Eisenguß, ein Material, das als zutiefst deutsch, gar preußisch empfunden wird. 1813 gelang Stilarsky in der Berliner Gießerei der Kunstguß einer Figur. »Der Büstenguß wurde die Schule der Kunstgießerei in Eisen. Die in Berlin auf der königlichen Eisengießerei gegossenen Gegenstände machten allgemeines Aufsehen, selbst im Ausland, und noch heute wird der feine Kunstguß in Eisen mit fonte de Berlin bezeichnet.«2) Ein Spruch aus den Befreiungskriegen, der den Stolz und das Nationalgefühl ausdrückte lautete: »Gold geb ich für Eisen«.3)
     Ein weiterer im 19. Jahrhundert besonders beliebter Denkmaltypus ist die Säule, wovon die Siegessäule die bekannteste ist. Ihre Baugeschichte ist eng mit den Kriegen gegen Dänemark (1864), gegen Österreich (1866) und gegen Frankreich (1870/71), den sogenannten Einigungskriegen, verknüpft.
     Friedrich August Stüler (1800–1865), Johann Friedrich Drake (1805–1992) und Johann Heinrich Strack (1805–1880) reichen ihre Entwürfe ein. Wilhelm I. (1797–1888, Kaiser seit 1871) entscheidet sich für Stracks Säule und Drakes Victoria.
Jenny Schon
Gold geb ich für Eisen

Kriegerdenkmäler in Berlin

Seit es Kunst gibt, gibt es Kriegsdarstellungen, Gedenkstätten. Denkmalskunst ist immer auch politische Kunst. Kriegerdenkmäler, die uns in Berlin begegnen, haben mit dem Werden einer deutschen Nation zu tun, und das verlief bekanntermaßen nicht kampflos.
     Eine Kriegerdenkmalsentwicklung beginnt in Berlin nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon 1815. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König seit 1797) beauftragt seinen Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), auf dem Tempelhofer Berg, der zu einem Truppenübungsgelände gehört, dem heutigen Kreuzberg, ein National-Denkmal zu errichten. Hier erscheint der Begriff, obwohl es die Nation im heutigen Sinne noch nicht gibt, zum erstenmal.
     Schinkel macht sich die hügelige Topographie des Geländes zunutze. Es erhöht die Wirkung, wenn das vaterländische Monument von weitem zu sehen ist. Das Kreuzberg-Denkmal soll gotisch aufgefaßt werden. Die Gotik galt als typisch deutsche Kunstrichtung und selbst Goethe mußte sich hierin korrigieren, denn die Gotik stammt aus Frankreich.

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Der Rundbau mit bekrönender Figur (neun Meter) ist ein antikes Thema und war im 19. Jahrhundert als Stilrichtung bekannt. »Nicht auf eine einzelne Person und ihre Taten ausgerichtet, sondern als viktorien- und adlerbekröntes, Sieg, Reichsidee und Preußentum umschließendes, weithin sichtbares Ruhmesmal sollte es Allgemeingültigkeit beanspruchen.«4)
     Als Standort wählt Wilhelm den Königsplatz. Daß es ein Platz ist noch außerhalb der Stadtgrenzen, ist beabsichtigt. Dadurch erscheint das Denkmal als auf einem neutralen Ort stehend, der mit Berlin und dem Kriegsgeschehen direkt nichts zu tun hat. Lediglich die aus drei Trommeln bestehende Säule mit ihren vergoldeten Kanonenrohren in den Kanneluren erinnert an die Einigungskriege, in denen sie erbeutet wurden.
     Nach dem Sieg von 1870/71 findet ein Boom in der Aufstellung von Kriegerdenkmälern statt. Gießereien bieten per Katalog ihre industrielle Fertigung an. Neben Kriegervereinen treten auch zunehmend Gemeinden als Stifter auf. Ab 1890 erteilen sie die Denkmalsgenehmigung und nicht mehr der Hof.
     Eines der ersten dieser Denkmäler läßt Charlottenburg, eine preußische Stadt, in seinem Ortsteil Alt-Lietzow 1875 errichten. Der Bildhauer Albert Wolff (1814–1892) verwendet den Löwen, der Kraft und Stärke versinnbildlicht. Das Vorbild dafür war Daniel Rauch (1777–1857), Scharnhorst war
einer der Helden der Befreiungskriege gegen Napoleon. Französische Revolution und Befreiungskriege haben die Idee des Nationaldenkmals wachsen lassen. Das Kreuzberg-Denkmal gilt als das des preußischen Nationalgefühls, während die Siegessäule bereits als nationales Denkmal aufgefaßt wird, und es ist das einzige, das in Berlin erhalten ist.
     Die Denkmalskunst erlebt im 19. Jahrhundert einen Wertewandel. War der Flaneur in den Schloßparks mit ihren Skulpturen adelig, wird er nunmehr bürgerlich. Die Parks werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Angefangen damit hat Friedrich Wilhelm II. (1744–1797, König seit 1786), der als volksnaher König gilt und dessen 200. Todestages in diesem Jahr gedacht wird. Und es werden neue Parks geschaffen. Im Tiergarten flaniert der Bourgeois, während im Volkspark Friedrichshain, der 1840 zum 100. Jahrestag der Thronbesteigung Friedrich II. geschaffen worden war, sich der »kleine Mann« verlustigt. Der sonntägliche Spaziergang soll zu den Denkmälern der Nation führen und den Untertan ganz en passant erziehen.
     Seit den Befreiungskriegen, aber insbesondere seit den Einigungskriegen hat der einfache Soldat Denkmalswürde erlangt. Das soldatische Leben findet sich auf den Denkmälern wieder. Auszug, Kampf, Verwundung, Tod oder Sieg und Heimkehr. Nicht Götter und Göttinnen, der Landwehr-
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mann und seine Frau sind Thema. »Im Gegensatz zu den Schloßbrückenfiguren, die thematisch die klassische Antike rezipieren, sind die Königsbrückenfiguren naturalistisch mit volkstümlichen Anklängen gestaltet. Die heroische Aussage des Denkmals wird nicht mit Antikenzitaten abgeleitet, sondern durch zeitgenössische Attitüden angestrebt. Die Standbilder zeigen stellvertretend das, was jeder einzelne in den Einigungskriegen erlebt hatte.«5)
     Mit dem Generationenwechsel im Dreikaiserjahr 1888 findet auch ein politischer Wechsel statt. 1890 entläßt Wilhelm II. (1859–1918, Kaiser seit 1888) Bismarck. Der neue Kaiser fühlt sich von Gottes Gnaden auf dem Thron. Es gelangen Pomp und Prunk an die Macht. Nunmehr wird wieder wie ehedem auf die adeligen Vorfahren zurückgegriffen. Aber aufgrund der relativ langen Friedensphase seit dem Krieg 1870/71 gibt es keine aktuellen Anlässe, Denkmäler zu installieren. Also greift man in der Regierungszeit Wilhelm II. auf Jahrestage zurück.
     1896 ist der 25. Jahrestag des Sieges von 1871. Die Galvanoplastik (dünnes Bronzeblech) ist gerade richtig für massenhafte Denkmalsstiftungen. »Das Jubiläum des 25. Gedächtnisses von 1871 zog im Jahr 1896 eine wahre Flut von Denkmalstiftungen nach sich. Die Fertigung von Denkmälern aus dünnem Bronzeblech – sogenannte Galvanoplastik – befand sich auf dem Höhepunkt.«6)
Die Erfindung der Elektrizität konnte seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch für Metallegierungen nutzbar gemacht werden. Die Galvanoplastik findet Verwendung bei der Herstellung monumentaler Figuren, beim Kopieren von Münzen, Anfertigen von Figuren, Lampenträgern und anderen Gegenständen der Kunstindustrie, die sonst in Bronze gegossen wurden.
     1897 begeht man den 100. Geburtstag von Wilhelm I. Das setzt den Denkmalsboom fort. Der »Reichsbewahrer« (Wilhelm II.) gedenkt des »Reichsgründers« (Wilhelm I.). Während in Frankreich die Nation für sich selbst steht, steht in Deutschland der Kaiser sinnbildlich und als Person für die Nation. Für das ehemals liberal eingestellte Bürgertum wird es höchstes Ziel, Reserve-Offizier zu werden.
     Zwischen 1895 bis 1901 entsteht auf Wilhelms II. Initiative als Gemeinschaftswerk der Berliner Bildhauer die Siegesallee, die sogenannte »Puppenallee«, eine Allee vom Königsplatz durch den Tiergarten zum Kemperplatz mit Standbildern der Hohenzollerndynastie (Askanier, Luxemburger, Wittelsbacher), die dazu dienen soll, die edle Herkunft der Kaiserdynastie zu dokumentieren. (BM 12/96)
     Die Kaiser-Wilhelm- Denkmäler übersäen die gesamte Nation, im ikonographischen Programm Walküren, Germania und lokal Berolina-Darstellungen. Kaiser Wilhelm I. wird zumeist barhäuptig dargestellt, in Uni-
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form mit Mantel. Er erscheint eher als wohlwollender Patriarch, denn als Staatsmann.
     »Die überlebensgroße Bronze von Ernst Wenck (1897, ehemals für Groß-Lichterfelde bei Berlin, heute in einem Schuppen in Moabit) und der überlebensgroße Marmor von Ludwig Manzel (1902, in der Eingangshalle des >Kaiser-Wilhelm-Turms< im Grunewald) sind typische Beispiele. Die Physiognomien des unbedeckten Hauptes, die straffe Körperhaltung mit der angewinkelten Rechten, deren Daumen zwischen die Knöpfe des Uniformrocks gesteckt ist, selbst die Wahl von Stand- und Spielbein, gehen überein. Lediglich die unter die linke Hand geschobene Konsole mit einem stilisierten Adler bei Manzel und ein geöffneter Mantel bei Wenck bieten Varianten. In fast ikonenhafter Strenge prägte dieses Kaiserbild sich in hunderten von Exemplaren dem nationalen Bewußtsein ein.«7)
     Deutschland in den Grenzen von 1914 beherbergte 232 Wilhelm I.- Denkmäler, nur Bismarck übertraf ihn. Von diesen Denkmälern haben nur 43 die beiden Kriege und folgenden politischen Verhältnisse überstanden. In den neuen Bundesländern ist kein einziges erhalten. Robert Musil, der österreichische Schriftsteller, meinte 1936: »Denkmale haben außer der Eigenschaft, daß man nicht weiß, ob man Denkmale oder Denkmäler sagen soll, noch allerhand Eigenschaften. Die wichtigste davon ist ein wenig widerspruchsvoll. Das Auffallendste an
Denkmälern ist nämlich, daß man sie nicht bemerkt.«8) Das kann man von den meisten Denkmälern Wilhelm I. nicht sagen. Ein megalomanes, als Nationaldenkmal von Reinhold Begas (1831–1911), dem neobarocken Lieblingsbildhauer des letzten deutschen Kaisers, zwischen 1892–1897 gebaut, stand an der Schloßfreiheit, vor dem Berliner Stadtschloß. Heute sind nur noch die Stufen erhalten. Es wurde 1949/50 mit dem Schloß abgetragen.
     Ein weiteres, jahrzehntelang intensiv diskutiertes Nationaldenkmal wird zum 100. Gedenktag des Sieges über Napoleon am 13. Oktober 1913 eingeweiht: das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Es zeugt noch heute von den größenwahnsinnigen Vorstellungen der damaligen Zeit, obwohl es kunsthistorisch nicht uninteressant ist, weil es dem Historismus des 19. Jahrhunderts die Stirn zeigt.
     Die Auftraggeber, der Deutsche Patriotenbund, dem nach seiner Absetzung auch Bismarck angehörte, hat gegen die neobarocken Neigungen des Kaisers eine Denkmalskunst in Leipzig durchgesetzt, die neue Akzente zeigt. Ausgeführt wurde das Denkmal von dem Architekten Bruno Schmitz (1858–1916), der auch die Entwürfe für das Kyffhäuser-Denkmal (1892–1897), das Deutsche Eck (1891–1897) und die Porta Westfalica (1892–1896) geliefert hat.9)
     Der Bildhauer des Völkerschlachtdenkmals ist Franz Metzner (1870–1919), ein Böh-
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   60   Berlin im Detail Kriegerdenkmäler  Vorige SeiteNächste Seite
me, der in Berlin lebt. Ihm gelingt es zum erstenmal in der deutschen Denkmalskunst, Architektur und Skulptur zu verbinden.
     Entstanden ist ein megalomanes Gesamtkunstwerk, angelehnt an die archaischen Strukturen der vorklassischen dorischen bzw. der ägyptischen Kunst. »Fichtes Theorie von den Deutschen als eines von der humanistisch-antiken Kultur noch unberührt gebliebenen Urvolkes führte zu einer Orientierung an der vorklassischen dorischen bzw. ägyptisch- vorderasiatischen Baukunst. Keiner der Neostile des 19. Jahrhunderts war ursprünglich deutsch, und der Impetus, eine spezifisch nationale Kultur zu schaffen, hatte eine >Entkleidung< der Bauwerke vom >ausländischen< Dekor und eine Reduktion auf architektonische Archetypen zur Konsequemz.«10)
     Ohne diese Abnabelung vom historischen Ballast wäre die Moderne der Zwanziger nicht möglich gewesen, aber auch die Staatskunst, die 1936 auf dem Reichssportfeld entstehen wird, hätte vielleicht anders ausgesehen ohne Bruno Schmitz' Stilvorgabe.
     Der Taumel, mit dem sich die Deutschen in den Ersten Weltkrieg, Künstler sich freiwillig aufs Schlachtfeld stürzen, ist heute unvorstellbar. Für zwei Millionen wird kein Erwachen mehr folgen. Fast alle deutschen Gemeinden beklagen Gefallene und die entsprechende Ortschaft läßt ein Kriegerdenkmal für ihre Toten errichten. Erst 1920 wird Berlin zu Groß-Berlin. »Vor der Grün-
dung von Groß-Berlin sind für fast alle Stadtgemeinden Kriegerdenkmäler nachzuweisen, auch die über das gesamte Stadtgebiet verteilten Kasernen und Exerzierfelder, Kirchen und Plätze an Rathäusern werden als Denkmalaufstellungsorte genutzt und erklären die hohe Anzahl von etwa 200 Kriegerdenkmälern.«11)
     Nach dem Desaster teilt sich die Nation in zwei verschiedene Lager hinsichtlich der grundsätzlichen Einstellung zum Krieg.
     »Die Einstellung des deutschen Volkes zum vergangenen Krieg ist ... eine so verschiedenartige, daß man eine Allgemeingültigkeit irgendeines Symbols dafür nicht feststellen kann. Die einen wünschen eine Heroisierung der grausigen Vorgänge und die Vergöttlichung ihrer Opfer, die anderen grausige Zeichen zur Erinnerung an dieses Geschehen; Zeichen, welche die Erinnerung an seine Furchtbarkeit niemals erlöschen lassen sollen.«12)
     Neben der Trauer wollen viele Zukunftsaussagen, die in Käthe Kollwitz' Aufruf »Nie wieder Krieg« kulminieren, während die andere Fraktion neben der Trauer über den Tod der Soldaten das traditionelle Siegerschema bevorzugt.
     In diese Siegerpose paßt die Kriegerstatue am Bahnhof Zoo. Sie wurde 1927 von Hans Dammann (1867–1942) geschaffen. Auftraggeber ist das Reserve- und Landwehr- Offizierskorps Berlin. Ikonographisch wird auf mittelalterliche Rolandsfiguren Bezug ge-
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nommen. Roland, der Befrieder. Auch Siegfrieddarstellungen könnten Vorbilder gewesen sein. Jedenfalls vermittelt das hier vorgestellte Menschenbild Stärke und Unbesiegbarkeit.
     Die Ikonographie der Trauer zeigt sich meist in einem naturalistisch dargestellten, leidenden, sterbenden Krieger, wie auf dem Friedhof in Lichtenrade, 1920 von Heinrich Missfeldt (1872–1945) geschaffen; oder in der Auenkirche in Wilmersdorf, 1922 von Constantin Starck (1866–1939) in Sandstein gehauen und mit dem christlichen Symbol des gekreuzigten Jesus verbunden. Etwa ab 1922 wird auch wieder auf den antikisch nackten Krieger zurückgegriffen.
     Neben dem Anklang an klassische Heldenmythologien – nackt stirbt es sich schöner – wird der zeitgenössische Mensch in der Nacktheit, die alle Menschen gleich macht, auch die Sprachlosigkeit vor dem sinnlosen Sterben erblickt haben. Der Sinnspruch auf dem Lichtenrader Denkmal lautet: »Geschlechter kommen, Geschlechter vergehen, Deutschland, Deutschland, wird wieder erstehen.«
     Deutschland hatte nicht lange Zeit, sich aufzurichten. Ein neuer Krieg stellt alle anderen in den Schatten. Viele Denkmäler, die der nationalsozialistischen Kunstkommission nicht standhalten können, werden kurzerhand eingeschmolzen, mit der gleichen Begründung, mit der Kirchenglocken eingeschmolzen werden: Man benötige das
wertvolle Rohmaterial (Bronze) für Kriegsmaterialien. »Während der Zeit des Nationalsozialismus findet eine ideologische Anpassung und Umwandlung gerade bei den Kriegerdenkmälern statt, die mit zusätzlichen Widmungen und geänderten Inschriften eine Verstärkung der militärischen Aussage erhalten. Kritische oder dem neuen Heroentum nicht entsprechende Denkmäler werden kurzerhand geschleift. Für den Zeitraum meiner Untersuchung ergibt sich daher für Berlin die Anzahl von etwa 70 noch erhaltenen Kriegerdenkmälern ... «13)
Manche dieser Denkmäler, wie in Lichtenrade und Charlottenburg, erhalten nach dem Zweiten Weltkrieg den Zusatz »Den im Weltkrieg Gefallenen Bürgern/ 1914–1918/ 1939–1945«.
     Die Massengräber aus dem Ersten Weltkrieg waren nur das Fegefeuer auf dem Weg zur Hölle, die der Zweite Weltkrieg bot. Diese Hölle ist nicht mehr denkmalsfähig.
     Auf diesem Hintergrund ist vielleicht die Verwirrung gegenwärtiger Denkmalsfindung zu verstehen. Weder die vergrößerte Kollwitz-Pieta in der Neuen Wache (Berliner Kunsthistoriker sprechen vom Oggersheimer Barock) hat die demokratischen Gefühle des Deutschen Volkes beflügeln können14), noch findet das Holocaust-Denkmal den Weg in ein demokratisches Gemeinwesen. »... wer die Öffentlichkeit bloß als administratives Hindernis betrachtet, versteht den Sinn von Denkmälern in demokratischen
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Gemeinwesen nicht. Auch weiterhin wird der Bundestag nicht ins Prozedere einbezogen ... «15)
     Vielleicht hat die Geschichte der deutschen Denkmalskunst gelehrt, daß öffentliche Denkmäler, zudem Denkmäler, die Krieg zum Thema haben, und Demokratie sich ausschließen. Vielleicht sind in Zeiten der Sinnenüberflutungen Orte der Stille, ikonenfreie Zonen, angemessener.

Quellen:
1     Peter Bloch: Das klassische Berlin, Berlin/Frankfurt/Wien 1978, S. 78
2     Meyers Großes Konservations-Lexikon, Fünfter Band, Leipzig/Wien 1903, S. 557
3     Martina Weinland: Kriegerdenkmäler in Berlin, 1879 bis 1930, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 1990, S. 11
4     Jutta von Simson: Die Berliner Säulenmonumente, In: Katalog »Berlin und die Antike«, Berlin 1979, S. 208
5     Weiland, a. a. O., S. 38. Die Neue Königsbrücke wurde 1874 projektiert und 1882 wegen des Stadtbahnbaues wieder abgerissen. Die Denkmäler wurden in den Tiergarten versetzt. Seit 1938 sind sie an der ehemaligen Rüsternallee im Tiergarten aufgestellt.
6     Meinhold Lurz:, Einigungskriege, Band 2, Heidelberg 1985, S. 149
7     Bloch, a. a. O., S. 210 f.
8     Zitiert nach: »Immer weniger Wilhelms«, In: »Die Zeit«, Nr. 34/1997, S. 13
9     Weinland, a. a. O., S. 69

10     Peter Hutter: Die feinste Barbarei. Das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig, Zabern Druck, Mainz 1990, S. 192
11     Weinland, a. a. O., S. 12
12     Bruno Taut: 1921 in Zusammenhang mit Barlachs Gefallenendenkmal in Magdeburg, In: Karl Arndt: Denkmal und Grabmal. Wie die Alten den Tod gebildet, Kasseler Studien zur Sepulkralarchitektur, Bd. 1, Kassel 1979, S. 21. Zitiert nach: Weinland, a. a. O., S. 90
13     Ebenda, S. 12 f.
14     In Kunsthistoriker- Kreisen der Freien Universität Berlin wird gar von einem »Oggersheimer Barock« gesprochen. Was als ein Anklang an die neobarocken Neigungen des letzten Deutschen Kaisers gedeutet werden kann. Auch dieser hatte viele Denkmäler in eigener Regie aufstellen lassen.
15     Jörg Lau: Ungeliebte Öffentlichkeit, In: »Die Zeit«, Nr. 31/1997
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© Edition Luisenstadt, 1997
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