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vierte eine Exzellenz, und wenn man eine Gruppe älterer Herren von blühendem Aussehen in heiterer Unterhaltung spazieren gehen sieht, dann sind es gewöhnlich einige ehemalige Minister, die aus Gesundheitsrücksichten ihren Abschied genommen haben. Warum mögen wohl aktive Minister immer so ernst und die Minister a. D. immer so vergnügt dreinschauen? Ja, es weht eine bureaukratische, vornehme, offizielle Luft in diesem Parlaments- und Ministerviertel.«
Die Entwürfe des Architekten Peter P. Schweger und seiner Partner sehen vor, die historische Struktur und Ausstattung, sofern überliefert, wiederherzustellen, aber auch neue Räume zu gewinnen. In den nächsten Monaten werden Zwischenwände, Einbauschränke, abgehängte Decken und die veraltete Haustechnik beseitigt.
     Während die denkmalgeschützte Fassade gereinigt und restauriert wird, können viele in der Kriegs- und Nachkriegszeit vernichtete Skulpturen und Gemälde der Innenräume, die an Preußens Gloria erinnerten, nicht wiederhergestellt werden. Innenaufnahmen des Plenarsaals nach der Jahrhundertwende zeigen riesige Gemälde von Hohenzollerndenkmälern in Berlin sowie Statuen antiker Politiker und Denker. Was aus diesen Schaustücken geworden ist, vermag im Moment niemand zu sagen. Einige sichergestellte Schmuckdetails aus Sandstein und Stuck hingegen sollen gezeigt werden. Die Bundesbaudirektion übernimmt alle Planungen
Helmut Caspar
Herrenhaus wird Bundesrat

Das ehemalige Preußische Herrenhaus in der Mitte Berlins wird zum Sitz des Bundesrates umgebaut. Der Präsident der Vertretung der Länder und Ministerpräsident von Baden-Württemberg Erwin Teufel erklärte beim Startschuß für den 200 Millionen Mark teuren Umbau, daß die Adresse Leipziger Straße 3–4 fortan mit dem guten Namen des Bundesrates fest verbunden sein wird. Trotz der Kriegsbeschädigungen zeigt sich die äußere Hülle heute noch nahezu in historischer Pracht.
     Mit der Generalsanierung dieses Gebäudes wird ein weiteres Denkmal historischer Parlamentsarchitektur inmitten einer durch viele Kriegslücken geprägten traditionsreichen »amtlichen Gegend« zurückgewonnen. Die von Otto Lessing, einem Nachfahren des Dichters Gotthold Ephraim Lessing, geschaffenen Figuren im Giebeldreieck verherrlichen Recht, Milde und Treue und weisen auf die Bestimmung des Hauses als Erste Kammer der damals zweigeteilten Volksvertretung in Preußen hin. Im Jahre 1893 notierte »Spemann's Illustrierte Zeitschrift für das Deutsche Haus«: »Jeder zweite Mensch ist hier mindestens ein Geheimrat und jeder

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für Umbau und Modernisierung, wobei Belange des Denkmalschutzes so weit wie möglich berücksichtigt werden. Vorgesehen ist, die große Fläche des Glasdaches zu nutzen, um Sonnenenergie zu gewinnen.
     Der 1899 bis 1903 nach Plänen des Architekten Friedrich Schulze-Colditz errichtete Bau war in DDR-Zeiten wegen der unmittelbaren Nachbarschaft der Grenze nur schwer zugänglich. Der Zugang war nur Akademiemitarbeitern beziehungsweise streng kontrollierten Besuchern möglich.
Ursprünglich grenzte ein schmiedeeiserner Gitterzaun den Vorgarten zur Straße ab.
Die heutige Mauer versperrt die Sicht auf die ganze Pracht, soll aber demnächst abgerissen werden. Vom Brunnen im Ehrenhof sind noch einige Reste erhalten, doch ob er und viele andere Zierstücke wiederhergestellt werden, hängt von den Kosten ab. Wildwachsende Bäume und Sträucher sind bereits abgeholzt, und Gartendenkmalpfleger zeichnen Pläne für die Gestaltung des historischen Vorgartens.
     Während anfangs adlige Mitglieder des Herrenhauses vom Monarchen für die Erste Kammer ernannt wurden, konnte das Volk bis 1918 sein Abgeordnetenhaus nur nach dem undemokratischen Dreiklassenwahlrecht wählen, das sich nach dem Steueraufkommen richtete. Jede Klasse stellte die gleiche Zahl Abgeordnete. Frauen waren vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Das Verfahren wurde vor allem
von der Sozialdemokratie heftig bekämpft.
     In den Tagen der Novemberrevolution 1918 diente das Herrenhaus der Reichsversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte als Tagungsort. Hier wurden die Wahlen zur Nationalversammlung beschlossen. Allerdings trat das Parlament der jungen Republik aus Sicherheitsgründen nicht in Berlin, sondern in Weimar zusammen. Prominentes Mitglied des Herrenhauses war seit 1917 der Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, denn die Stadt gehörte zur preußischen Rheinprovinz und die Oberbürgermeister der preußischen Großstädte hatten Sitz und Stimme im Herrenhaus. Bis zur Errichtung der Nazidiktatur war er Präsident der Ersten Kammer, woran in der nahegelegenen Wilhelmstraße an einem kaiserzeitlichen Ministeriumsbau eine Bronzetafel erinnert. Das Preußische Herrenhaus wurde in der NS-Zeit dem benachbarten Reichsluftfahrtministerium zugeschlagen und hieß, nachdem die Nazis die Kammer abgeschafft hatten, »Preußenhaus« beziehungsweise nach Angliederung an Görings Reichsluftfahrtministerium »Haus der Flieger«. Hier tagte in den Jahren 1934 und 1935 auch der Volksgerichtshof. Die wechselvolle Geschichte des Preußischen Herrenhauses in unmittelbarer Nachbarschaft des Preußischen Abgeordnetenhauses, heute Berliner Landesparlament, soll, so heißt es im Bundesrat, nach dem Umbau auf einer Gedenktafel dokumentiert werden.
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© Edition Luisenstadt, 1997
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