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menzulegen. Nur Großbritannien folgte der Einladung.
     Am 2. Dezember 1946 unterzeichneten der US- Außenminister James Byrnes und sein britischer Kollege Ernest Bevin in Washington das Abkommen über die Zusammenlegung ihrer Zonen zu einem »Vereinigten Wirtschaftsgebiet« (Bizone). Es trat am 1. Januar 1947 in Kraft. Ziel sollte sein, bis 1949 die wirtschaftliche Selbständigkeit des Gebietes zu gewährleisten. Es wurden bizonale Verwaltungen für Wirtschaft in Minden, für Post- und Fernmeldewesen in Frankfurt am Main, für Finanzen in Bad Homburg, für Ernährung und Landwirtschaft in Stuttgart und für Verkehr in Bielefeld eingerichtet. Bereits im Juni 1947 erfolgte eine Neuorganisation der Bizone in Form eines Wirtschaftsrates mit quasiparlamentarischen Eigenschaften mit Sitz Frankfurt am Main, eines Exekutivausschusses und ministerähnlicher Direktoren. Die Option für den Weststaat nahm Gestalt an. Die Sowjetunion zog mit der Bildung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) für ihre Zone im Juni 1947 nach. Die Zweiteilung Deutschlands nahm ihren Lauf.
     Auf die Viersektorenstadt Berlin kamen immer bedrohlichere Probleme zu. Im Zeichen der zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West wurde es nicht nur schwieriger, eine einheitliche Verwaltung durchzusetzen. In Anbetracht der unklaren Rechtslage Berlins galt es auch, Entschei-
Gerhard Keiderling
»Postverkehr findet nicht statt«

Die Beziehungen des Berliner Magistrats zur Bizone 1947/48

Das Jahr 1947 brachte für das Vierzonen- Deutschland und die Viersektorenstadt Berlin wichtige Vorentscheidungen. Seit der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 waren nicht nur viele Probleme der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands, darunter auch die Vorbereitung eines Friedensvertrages und die Regelung der Territorialfragen, ungelöst geblieben, in der weltpolitischen Konstellation des sich verschärfenden Ost-West- Gegensatzes traten die divergierenden Entwicklungen in den Westzonen und in der Ostzone immer deutlicher hervor. Die Sowjetisierungsmethoden in der SBZ stießen einhellig auf Ablehnung seitens der Westalliierten und der maßgebenden westdeutschen Politiker.
     Unter dem Druck der allgemeinen Notlage forderten die USA auf der Pariser Außenministerkonferenz im Juli 1946 die drei anderen Besatzungsmächte auf, die Zonen zu einer wirtschaftlichen Einheit zusam-

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dungen hinsichtlich der künftigen Zuordnung zu treffen. Das absehbare Scheitern des Alliierten Kontrollrates, der als integrierender Faktor im Vierzonen- Deutschland wirken sollte, kündigte an, daß Berlin auf eine unbestimmte Zeit seine traditionelle Hauptstadtfunktion nicht mehr ausüben würde. Sollte es als eine »fünfte Zone« fortbestehen, sich in die vier Sektoren auflösen, die sich ihrerseits der jeweiligen Besatzungszone anschließen würden, oder sollte es gar – wie die Sowjets es verlangten – in die Ostzone integriert werden?
     Die Bildung der Bizone wie auch die Entwicklung in der SBZ drängten zu einer Klärung. Der im Oktober 1946 frei gewählte Magistrat, in dem die SED nur noch mit einem Bürgermeister und zwei Stadträten vertreten war, tendierte vorbehaltlos zum Westen. Allerdings nötigte ihn die geopolitische Lage Berlins inmitten der SBZ zu umsichtigem Vorgehen. In einer Vorlage aus dem Büro des amtierenden Oberbürgermeisters, Louise Schroeder (SPD), vom August 1947 wurde eine Vertiefung der Beziehungen Berlins zur bizonalen Wirtschaftsorganisation befürwortet, gleichzeitig auch »eine Klärung über die Mitwirkung« an der Tätigkeit der DWK gewünscht.1)
     Anfang 1947 schickte der Berliner Magistrat – ohne zuvor die Zustimmung durch das Stadtparlament einzuholen – seine Vertreter in die verschiedenen Bizonen- Ämter, wo sie mit westalliierter Genehmigung »in
beratender Eigenschaft und ohne Stimmrecht« an den Sitzungen teilnahmen. Umgekehrt richteten die bizonalen Verwaltungen Außenstellen in Berlin ein.
     Eingedenk des Viermächte- Status mieden die amerikanische und die britische Militärregierung zunächst alles, was nach einer vollen Mitgliedschaft Berlins in der Bizone aussehen könnte. Schon im November 1946 hatte die US- Militärregierung bezüglich einer Beteiligung Berlins an ihrem Zonen- Länderrat in Stuttgart klargestellt: »Jedes Argument, daß es sich beim US-Sektor von Berlin um ein Land der US-Zone handelt, entbehrt jeglicher Grundlage.«2) Folgerichtig teilte der Vorsitzende der Bipartite Economic- Control Group am 6. Februar 1947 mit: »Der amerikanische und britische Sektor Berlins sollten unter den gegenwärtigen Umständen nicht zusammengeschlossen werden.«3)
     Die Verbindungen zwischen Berlin und den Bizonen- Ämtern liefen anfangs vertraulich über die Militärbehörden. In einer Direktive über die Kommunikation hieß es: »Postverkehr findet mit ihm nicht statt. Telefonverbindung erfolgt über die Leitung von OMGUS.«4)
     Eine Lockerung trat nach der Bildung des Zweizonen- Wirtschaftsrates im Juni 1947 ein. Zusammen mit der gleichzeitigen Ankündigung eines US-Hilfsprogramms für den europäischen Wiederaufbau (Marshall-Plan) erfolgte die Weichenstellung zum
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Weststaat, der zumindest die Westsektoren Berlins einschließen sollte. Einen solchen Wunsch hatte der Magistrat Anfang August 1947 den angloamerikanischen Behörden übermittelt: »Es soll versucht werden, zwischen Berlin, zumindest den drei westlichen Sektoren und den Westzonen, eine enge Verbindung herzustellen.«5) Der Berliner Vertreter beim Bizonen- Wirtschaftsamt in Minden brachte es am 29. Januar 1948 auf den Punkt: »Sollen die drei Westsektoren wirtschaftlich existenzfähig bleiben, so werden zwangsläufig die Beziehungen zu den Westzonen stark intensiviert und verbreitert werden müssen. Wenn das politische Ziel, daß die westlichen Alliierten in Berlin bleiben, wirklich erreicht werden soll, so ist das nur zu erreichen, wenn ein wirtschaftliches Fundament geschaffen wird, auf dem die Westsektoren Berlins existieren können.«6)
     Noch im März 1949 hielt das Bipartite Controll Office »es zur Zeit nicht für ratsam, einen Status für diese Vertreter [des US und Britischen Sektors von Berlin beim Zweizonen- Wirtschaftsrat, G. K.] offiziell festzulegen.«7) Wenig später, als der Berlin- Konflikt mit den Sowjets seinem Höhepunkt zusteuerte, spielten solche Rücksichtnahmen keine Rolle mehr. Der Bizonen- Wirtschaftsrat setzte einen Ausschuß für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Berlin ein. Auf dessen erster Tagung am 20. Mai 1948 verlangten Ernst Reuter und Gustav Klingelhö-
fer (beide SPD) eine direkte Einbeziehung der Westsektoren in die unmittelbar bevorstehende Währungsreform in den Westzonen. Sie konnten mit Unterstützung westalliierter Stellen den Widerstand des Direktors der Bizonen- Verwaltung für Wirtschaft, Ludwig Erhard, überwinden. Dieser hielt aus Sorge um den Wiederaufschwung der westdeutschen Wirtschaft »eine Einbeziehung der Westsektoren Berlins in die Währungsreform Westdeutschlands für nicht möglich, so daß Berlin nach erfolgter Währungsreform im Westen Devisenausland werden müsse«.8)
     Seit Juli 1948 unterstützte der Bizonen- Wirtschaftsrat die Berliner Westsektoren nach Kräften bei der Förderung des Warenverkehrs, der Gewährung von Überbrückungskrediten und bei der Einführung der Sonderabgabe »Notopfer Berlin«. Dadurch konnten Blockade- Auswirkungen gemildert und die Einbindung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung der entstehenden Bundesrepublik stabilisiert werden. Gleichzeitigt wurden bestehende Ressentiments gegenüber dem isolierten Westberlin abgebaut.
     Im April 1947 mußte der Stadtrat für Wirtschaft, Gustav Klingelhöfer (SPD), im Bizonen- Wirtschaftsamt in Minden noch Besorgnisse zerstreuen, »die nach Berlin gegebenen Konsumgüter, Rohstoffe, Baustoffe und Produktionsgüter könnten in >falsche Hände< kommen«.9) Der Vollzug der politisch- admi-
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   33   Probleme/Projekte/Prozesse Bizone 1947/48  Vorige SeiteAnfang
nistrativen Teilung der Stadt im Herbst 1948 schuf schließlich die Gewähr, daß die bizonale Hilfe wie auch die seit Ende 1949 fließenden Marshall- Plan- Gelder nicht dem sowjetzonalen System zugute kommen könnten.
     Im Prozeß von »Ostentflechtung und Westintegration«10) verlor Berlin seine städtische Einheit wie auch seine gesamtdeutsche Hauptstadtfunktion. Die anfängliche Dislokation der bizonalen Ämter auf fünf Städte sollte den Eindruck vermeiden, »als wollten die Vereinigten Staaten und Großbritannien eine bizonale Regierung in einer bizonalen Hauptstadt errichten«.11)
     Mit der Zentralisierung der Bizonen- Ämter in Frankfurt am Main im Sommer 1947 waren die Würfel gefallen.

Quellen:
1     Vgl. Landesarchiv Berlin (Stadtarchiv), im folgenden: LAB, (STA)>, Rep. 101, Nr. 1 156
2     Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945–1949, Bd. 1, München 1976, S. 794 f.
3     LAB (STA), Rep. 101, Nr. 504
4     LAB (STA), Rep. 101, Nr. 168/1. OMGUS = Office of Military Government (U. S.)
5     Ebenda, Rep. 101, Nr. 168 und 1 156
6     Ebenda, Rep. 106, Nr. 193
7     Bundesarchiv Koblenz, Z 4/195 a
8     Berlin. Quellen und Dokumente 1945–1951, hrsg. im Auftrag des Senats von Berlin, Berlin 1964, 2. Halbband, Nr. 748, S. 1 319 f.

9     Ebenda, Nr. 721, S. 1 274
10     So Jürgen Fijalkowski u. a.: Berlin – Hauptstadtanspruch und Westintegration, Köln/Opladen 1967, S. 3
11     Christoph Weisz: Deutsche Politik unter Besatzungsherrschaft, In: Westdeutschlands Weg zur Bundesrepublik 1945–1949, München 1976, S. 58
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