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per Schiff nach Berlin. An der Unterspree – die Strecke vom Mühlendamm bis zur Mündung der Spree in die Havel in Spandau – herrschten unhaltbare Zustände. Die von der Moltkebrücke an in Richtung Spandau im Fluß angesammelten Ablagerungen hatten seine Sohle so stark erhöht, daß bei Hochwasser die tiefliegenden Stadtteile unter Wasser standen, bei niedrigen Wasserständen nur Schiffe mit maximal einem Meter Tiefgang ungehindert passieren konnten. »
     Um diesen Übelständen zu begegnen«, schlug Stadtbaurat Adolf Wiebe (1826–1908) in einer 1881 im »Centralblatt der Bauverwaltung« veröffentlichten Denkschrift u. a. vor, die Unterspree zu regulieren. Im einzelnen bedeutete das, ihren gekrümmten Lauf zu begradigen, sie auf 50 Meter zu verbreitern (von Ufer zu Ufer) und auf 1,50 Meter zu vertiefen, den Mühlendamm zu verändern sowie »den Bau eines Stauwerkes unterhalb von Charlottenburg, um die Wasserstände in Berlin nach Bedürfnis zu regeln«. Die für das gesamte Projekt veranschlagten Kosten sollten sich auf sieben Millionen Mark belaufen. Obwohl sich der preußische Staat schwertat – allein zwei Jahre vergingen, um die tatsächlichen Kosten zu ermitteln –, ließ er in den Jahren 1883 bis 1885 die Unterspree zunächst bis Charlottenburg kanalisieren und dort eine Staustufe bauen.
     Ursprünglich sollte das Stauwerk an der Stelle errichtet werden, wo Landwehr- und
Maria Curter
26. September 1885:
Charlottenburger Wehr geht in Betrieb

Nachdem im April 1884 die Charlottenburger Schleusen eingeweiht worden waren, ging am 26. September 1885 das Wehr in Betrieb. »Damit ist die dortige Stauanlage voll wirksam, eine in dieser Art der Anordnung und in diesen Abmessungen einzigartige Konstruktion auf dem europäischen Festland«, hieß es bei seiner feierlichen Eröffnung. Die Stauanlage in der Spree, gleich hinter dem Schloß von Charlottenburg, bestehend aus Trommel- und Schützenwehr sowie zwei Schleusen, ist im Zuge der Kanalisierung der Unterspree errichtet worden.
     Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts war zwar das Wasserstraßennetz in und um Berlin durch den Bau des Landwehrkanals (10,3 Kilometer), des Luisenstädtischen Kanals (2,3 Kilometer) sowie des Berlin- Spandauer Schiffahrt- Kanals (12,2 Kilometer) wesentlich verbessert worden, trug aber bei weitem noch nicht der zunehmenden Handelsschiffahrt Rechnung. Im Jahre 1879 gelangten rund 2 500 000 Tonnen Güter mit der Eisenbahn und 3 000 000 Tonnen

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Lageskizze der Charlottenburger Stauanlage

Charlottenburger Kanal in die Spree münden. Da aber mit seiner Hilfe der mittlere Wasserstand gesenkt werden sollte, befürchtete man negative Folgen für den Baumwuchs im Tiergarten und im nebenan gelegenen Schloßpark von Charlottenburg. Deshalb wurde die Anlage etwa 2,5 Kilometer weiter flußabwärts, unterhalb der Brücke der Berlin- Hamburger Eisenbahn, gebaut.

     Das zweiteilige Wehr befindet sich im Hauptlauf der Spree, die auf 50 Meter verbreitert wurde. Es besteht aus dem am rechten Ufer befindlichen zehn Meter breiten Trommelwehr, das je nach Wasserdruck aufgerichtet oder niedergelegt wird, und dem sich daran anschließenden Schützenwehr mit 40 Meter Breite (vgl. Abb.), das durch Handkurbeln geöffnet oder geschlossen

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wurde. Der Normalwasserstand vor dieser Anlage entspricht dem mittleren Wasserstand der Spree. Bei Hochwasser wird das Wehr ganz geöffnet, um das Wasser abzulassen. Die Schiffe umgehen dieses Stauwerk in einem extra geschaffenen 340 Meter langen Kanal mit zwei Schleusen.
     Die beiden Schleusen, die mit nur geringen Änderungen heute noch bestehen, haben eine Breite von je 9,60 Metern. Die nutzbaren Längen von 87 Metern bzw. 67 Metern gestatteten vier Oderkähne bzw. einen Elbkahn oder zwei Oderkähne gleichzeitig zu schleusen. Bei niedrigstem Wasserstand betrug die Fahrwassertiefe in der Schleuse immerhin noch 2,27 Meter. Die Uferböschungen des Schleusenkanals waren mit Klinkern befestigt. Das Leitwerk, das von der Spitze der Insel, die sich zwischen Spree und Kanal befindet, bis zur Eisenbahnbrücke reicht, ist später angelegt worden, um die lästigen Seitenströmungen zum Wehr auszuschließen. In jüngster Zeit sollen im Zuge des »Projektes 17 der Deutschen Einheit« diese Schleusen verändert bzw. an anderer Stelle neu gebaut werden.
     Die Leitung des damaligen Projektes oblag dem Wasserbauinspektor der Königlichen Regierung in Potsdam, Eugen Mohr (1839–1898).
     Die Spreeregulierung in ihrem unteren Abschnitt sowie der Bau der Charlottenburger Schleuse und des Wehrs erlaubten die
Schiffbarkeit für 650-Tonnen- Schiffe bis zum Kupfergraben. »
     In dieser Gestalt hat sich die Anlage sowohl für die Schiffahrt als auch für die Vorfluth und für die Erhaltung des Normalwasserstandes im Innern der Stadt vollkommen bewährt«, schrieb zehn Jahre später Stadtbaurat Friedrich Krause.
     Mit der Regulierung der Unterspree zwischen Charlottenburg und Spandau (1889–1892) sowie dem Neubau des Mühlendammes und seiner Schleusen (1888–1894) war Adolf Wiebes Projekt innerhalb von 13 Jahren verwirklicht worden. Der große Schiffahrtsweg zwischen Elbe und Oder durch Berlin war hergestellt.

Bildquelle:
Berlin und seine Bauten, Bd. I, 1896, S. 86

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