111 Nachrichten aus dem alten Berlin | Lokales vor 90 Jahren |
denten und machte die Mitteilung, daß
der Kaiser dem ersten Bürgermeister Bosberg den Titel
Oberbürgermeister verliehen und den Stadtbaurat Nigmann zum kgl.
Baurat ernannt habe. Hieran schloß sich eine Rundfahrt durch die Stadt.
Freitag, 6. September: Storkow (4. September) Ein nackter Handwerksbursche erregte hier heute Aufsehen. Er passierte vormittags den Ort und entledigte sich auf seinem Wege nach und nach sämtlicher Kleidungsstücke, bis er in völlig adamistischem Kostüm an der Schleusenbrücke anlangte. Hier traf ein Polizeibeamter auf den seltsamen Wandersmann und veranlaßte ihn, sich wieder anzukleiden. Aus den Papieren, die er mitführte, wurde der Mann als der 47 Jahre alte Schmiedegeselle Rablatt aus Berlin festgestellt, der die Tat anscheinend in einem Anfall von Delirium verübt hat. Sonnabend, 7. September: Mit dem Bau des städtischen Hafens am Stralauer Anger ist am Freitag begonnen worden. In Gegenwart des Stadtbaurats Krause, mehrerer Stadtbaumeister und der Bauunternehmer wurde der erste Pfahl eingerammt. Sonnabend, 21. September: Die beiden Versuchsautomobile der Berliner Feuerwehr haben jedes bis jetzt 10 000 km zurückgelegt. Damit dürfte der Beweis geliefert sein, daß sowohl Elektroautomobile als auch Dampfautomobile sich für die Zwecke der Feuerwehr eignen. | ||||||
Lokales vor 90 Jahren Im September 1907 vermeldete die »Vossische Zeitung«: Sonntag, 1. September: Der Molkenmarkt hat neuerdings eine großartige
Beleuchtung erhalten, die den Vorteil besitzt, daß sie dem Magistrat keinen Pfennig
kostet. Es sah bisher an diesem Knotenpunkte des Großstadtverkehrs mit der
Beleuchtung nicht gerade berühmt aus. Die durchweg alten Gebäude verdüsterten das
Straßenbild nur noch mehr. Jetzt ist von privater
Seite eine Beleuchtung geschaffen, die den ganzen Markt mit elektrischen Lichtstrahlen
förmlich überschüttet. Eine bekannte
Möbelfirma, die in den ehemaligen Räumen des Polizeipräsidiums ihren Betrieb ausübt,
hat an der Vorderfront ihres Geschäftsreiches nicht weniger als 32 elektrische
Lichtkugeln anbringen lassen. Ein schärferer Kontrast
zu dem dicht daneben gelegenen Krögel
läßt sich kaum denken.
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112 Nachrichten aus dem alten Berlin | Lokales vor 90 Jahren |
In der Frankfurter Allee hat sich gestern ein Zusammenstoß zwischen einem Straßenbahnwagen und einem Leichenwagen
ereignet. Der Kutscher August Littke aus der Forster Str. 16 hatte eine Leiche nach
dem Zentralfriedhof zu bringen. Als er von der Warschauer Straße in die Frankfurter
Allee einbog, kam von rechts ein Lastwagen entgegen und von der anderen Seite nahte ein Straßenbahnwagen. Die beiden
Fuhrwerke kamen so dicht an den Leichenwagen heran, daß es dem Kutscher nicht mehr
gelingen konnte, seinen Wagen sicher durchzubringen. Zwischen dem Motorwagen
und dem Leichengefährt kam es dann zu einem heftigen Zusammenstoß. L. wurde
durch den Anprall vom Bock heruntergeschleudert und fiel unter den Leichenwagen,
dessen Räder ihm über die Brust gingen. Er trug schwere innere Verletzungen davon und mußte mittels Krankenwagens nach dem Krankenhaus am
Friedrichshain gebracht werden. Am
Straßenbahnwagen war die Vorderplattform total
eingedrückt worden. Auch der Leichenwagen hatte
Schaden gelitten. Die Leiche mußte von einem Ersatzkutscher nach dem Friedhof
geschafft werden.
Dienstag, 24. September: Dem Fabrikbesitzer und Handelsrichter Georg Beermann ist der Titel Kommerzienrat verliehen worden. Mittwoch, 25. September: Der neue Unterpflasterbahnhof »Leipziger Platz« wird | dem Vernehmen nach am kommenden Sonnabend dem öffentlichen Verkehr
übergeben werden, nachdem am Freitag die landespolizeiliche Abnahme durch Vertreter der Aufsichtsbehörden stattgefunden
haben wird.
Aufruf für die Begründung einer Robert Koch- Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose. Am 24. März waren 25 Jahre verflossen, seitdem Robert Koch seinen Vortrag über die Ursache der Tuberkulose gehalten und die Entdeckung des Tuberkelbazillus bekanntgegeben hat. Der Gedenktag dieser für die Erforschung der gesamten Infektionskrankheiten, insbesondere aber für das Verständnis und die Bekämpfung der Tuberkulose überaus bedeutungsvollen Veröffentlichung soll den Anlaß bilden, eine Robert Koch- Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose ins Leben zu rufen. Durch die Stiftung soll dem genialen Meister der Bakteriologie ein dauerndes Zeichen der Anerkennung für seine hervorragenden Arbeiten geweiht werden. Die Stiftung soll der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten und in dieser Weise auch praktischen Bestrebungen zur Bekämpfung der Tuberkulose dienen. Denn wie große Fortschritte auch in der Verhütung und Heilung der Tuberkulose dank der von Robert Koch erfundenen bezw. angebahnten Methoden errungen sind, so fallen doch noch alljährlich Hunderttausende (in Deutschland i. J. 1905 rund 122 000) der | |||||
113 Nachrichten aus dem alten Berlin | Lokales vor 90 Jahren |
furchtbaren Krankheit zum Opfer und
unablässig müssen deshalb die
Anstrengungen, die Krankheits- und Sterblichkeitsziffer
dieser Volksseuche zu vermindern fortgesetzt werden. Es ist eine Ehrenpflicht jeder
Nation, ihre Dankbarkeit den Männern zu beweisen, die ihren Ruhm und ihr Ansehen unter den Völkern vermehrt haben.
Diese Pflicht gilt in vollem Maße gegenüber
Robert Koch, einem der größten Forscher aller
Zeiten, der der Menschheit unvergängliche Dienste geleistet und der
medizinischen Wissenschaft unverwelkliche Lorbeeren errungen hat.
An Jedermann geht daher unser Aufruf, nach seinen Kräften beizusteuern, um eine dieses Mannes und seiner Verdienste würdige Stiftung zu errichten. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß unser an das deutsche Volk gerichtete Appell einen reichen Erfolg erzielen wird, ähnlich dem dankbaren Tribut, den die Franzosen ihrem Pasteur, die Engländer ihrem Lister in edler Opferwilligkeit dargebracht haben. Die Namen der Spender werden der Stiftungsurkunde einverleibt werden. Die Verwaltung der Stiftung soll einem Kuratorium übertragen und durch Statuten geregelt werden. Spender von höheren Beiträgen (mindestens 10 000 M) werden als Donatoren der Stiftung dauernd geführt und erhalten eine besondere Vertretung im Kuratorium. Auch bleibt es den Statuten vorbehalten, Bestimmungen dahin zu treffen, daß »Stipendien der Robert | Koch- Stiftung« geschaffen werden, die den Namen von hervorragend verdienten Donatoren tragen.
Geldsendungen werden unter der Adresse des Schatzmeisters des Komitees an das Bankhaus S. Bleichröder, Berlin, Behrenstraße 63, erbeten. Nähere Auskünfte erteilt der Schriftführer des Komitees, Prof. Schwalbe, Berlin, Am Karlsbad 5. | |||
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