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Helmut Caspar
Welttreffen der Numismatiker in Berlin

Aus der Geschichte des gastgebenden Münzkabinetts

Vom 8. bis 12. September findet in Berlin der XII. Internationale Numismatische Kongreß statt. Rund 1 000 Experten aus aller Welt werden zu dem Treffen in der Humboldt- Universität erwartet. Gastgeber sind die Staatlichen Museen zu Berlin–Preußischer Kulturbesitz. Die organisatorische Vorbereitung liegt beim Münzkabinett, einer der ältesten und umfangreichsten Sammlungen der Berliner Museumslandschaft. Seit 1904 im Kaiser-Friedrich- Museum, dem heutigen Bodemuseum am Kupfergraben, untergebracht, ist das von Bernd Kluge geleitete Kabinett mit seinen umfangreichen Beständen an antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Münzen sowie Medaillen, Geldscheinen, Stempeln und anderen Zeugnissen Ziel vieler Berufs- und Laienforscher. Die folgende Chronik nennt einige wichtige Daten aus der Geschichte des Berliner Münzkabinetts, um dessen Entwicklung sich die Hohenzollern seit dem 17. Jahrhundert bemüht haben.

Die Nominierung Berlins auf dem XI. Numismatischen Kongreß in Brüssel (1991) geschah im Zeichen der Wiedervereinigung Deutschlands. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verband mit der Bewerbung die Absicht, das im Ostteil der Stadt gelegene Kabinett wieder aktiv in die internationale numismatische Öffentlichkeit einzubinden. Aus Kostengründen kann eine Ausstellung nicht gezeigt werden. Zum Kongreß erscheint neben einer umfangreichen internationalen Bibliographie des numismatischen Schrifttums der letzten Jahre auch das vom Münzkabinett gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst edierte illustrierte Buch »Kunst und Technik der Medaille und Münze. Das Beispiel Berlin« mit neuen Erkenntnissen über die Tätigkeit staatlicher und privater Prägeanstalten sowie bekannter Stempelschneider und Medailleure.
     Wegen der Generalsanierung des Bodemuseums ab 1998 ist das Münzkabinett für zwei Jahre nur eingeschränkt zugänglich. Für die Zeit danach plant die Sammlung eine repräsentative Ausstellung ihrer Schätze; zur Zeit ist eine rund 1 200 Geldstücke umfassende Auswahl der antiken Münzen im Pergamonmuseum zu sehen.

     16. Jahrhundert Der brandenburgische Kurfürst Joachim I. soll eine kleine Münzsammlung besessen haben.
     1616 In einem seit 1945 verschollenen Verzeichnis ist belegt, daß Kurfürst Georg
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Kurfürst Friedrich Wilhelm auf einem Fehrbelliner Siegestaler von 1675. Der Reiter ist Gründer der heutigen Berliner Staatsbibliothek und des Münzkabinetts.

Wilhelm als Statthalter von Cleve römische Gold-, Silber- und Bronzemünzen besaß. Sie waren in den rheinischen Provinzen der Hohenzollern gefunden worden.
     1649 Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges läßt Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen numismatischen Besitz neu ordnen. Der Katalog enthält 4 900 überwiegend antike Münzen, darunter 122 goldene und 3 000 silberne. Falsche Münzen, in allen Sammlungen anzutreffen, wurden separat aufbewahrt. In weiteren Verzeichnissen ist das Anwachsen der Münzsammlung als Teil der kurfürstlichen Bibliothek, der Vorläuferin der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin, belegt. Vermutlich waren beide Sammlun-

gen im Apothekenflügel des Berliner Schlosses untergebracht.
     1685 Nach dem Tod des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz und dem Aussterben der durch ihn vertretenen Linie (Pfalz-Simmern) fällt dessen Münzsammlung an das brandenburgische Kurhaus und wird 1686 von Heidelberg ins Berliner Schloß gebracht. Durch Zuwachs von mehr als 12 000 antiken und neueren Stücken verdoppelt sich der Umfang der Münzsammlung. Über sie wacht Lorenz Beger, der mit der Heidelberger Sammlung nach Berlin kommt. Auch der für das pfälzische Kurhaus tätige Staatsmann Ezechiel Spanheim wechselt an die Spree.

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     1686 Kurprinz Friedrich, ab 1688 Kurfürst Friedrich III. und 1701 König Friedrich I. in Preußen, erbt die Münzsammlung des ausgestorbenen pommerschen Herzoghauses.
     1690 Lorenz Beger rät dem prachtliebenden Kurfürsten Friedrich III., auch griechische Münzen zu kaufen, »damit Dero güldene und griechische Médailles als die höchste gloire des cabinet sonderlich vermehret werden«. Das Kabinett umfaßt jetzt insgesamt 22 000 Stück. Dazu kommen antike Gemmen. Zwischen 1696 und 1701 erscheint nach pfälzischem Vorbild in drei Bänden das mit vielen Kupferstichen versehene Prachtwerk »Thesaurus Brandenburgicus«, in dem Beger die Berliner Münzsammlung erläutert.
     1703 Aus dem Nachlaß des Berliner Medailleurs Raimund Faltz erwirbt Friedrich I. eine Folge zeitgenössischer Münzen und Medaillen sowie Wachsmodelle des Künstlers. Mit Begers Tod im Jahr 1705 endet die erste Blütezeit des Münzkabinetts.
     1713 Nach dem Tod Friedrichs I. und der Thronbesteigung des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. brechen für Künste und Wissenschaften in Preußen harte Zeiten an. Der neue Herrscher wählt im Münzkabinett mehr als dreihundert, zum Teil sehr schwere Münzen und Medaillen aus Gold und läßt sie einschmelzen. Die Sammlung wird 1718 durch den Schloßkastellan Valentin Runck und den Hofkleinschmied Daniel Stieff um 176 Goldmünzen bestohlen. Beide werden öffentlich hingerichtet.
1745 und 1757 Friedrich II. läßt die durch Kauf des 1 124 römische Denare umfassenden Fundes von Osterrode vermehrte Münzsammlung angesichts von Kriegsgefahren nach Stettin beziehungsweise Magdeburg in Sicherheit bringen. Der König bewahrt die Münzsammlung des Fürsten Georg Albrecht von (Ost-) Friesland durch Ankauf vor Versteigerung und Zersplitterung.
     1770 Friedrich II. erwirbt die über 4 000 antike Münzen umfassende Sammlung des Caspar von Pfau. Die antiken Münzen und Gemmen erhalten im Antikentempel im Park von Sanssouci eine neue Unterkunft. Der König legt eine numismatische Bibliothek an.
     1791 Durch Vereinigung der brandenburgfränkischen Fürstentümer mit Preußen fallen Friedrich Wilhelm II. zahlreiche antike und neuere Münzen sowie Medaillen zu.
     1798 Friedrich Wilhelm III. erklärt die königlichen Sammlungen zum Staatseigentum und unterstellt sie der Oberaufsicht der Akademie der Künste. Er läßt die im Potsdamer Antikentempel befindlichen Münzen und Altertümer in die Kunstkammer des Berliner Schlosses schaffen und fügt ihnen weitere Sammlungen, darunter die Medaillen seines Leibarztes Möhsen, hinzu. Berliner Gymnasien bekommen Doubletten.
     1806 Nach der preußischen Niederlage von Jena und Auerstedt werden ein Teil der Münzsammlung und andere Kostbarkeiten nach Memel an die ostpreußische Grenze
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gebracht. Zurückgebliebene Kulturgüter, darunter 12 363 Münzen, werden von den Franzosen nach Paris verschleppt. Als die Beutekunst nach den Befreiungskriegen zurückgeführt wird, fehlen über 4 000 Münzen, darunter 2 000 bronzene Römermünzen.
     1816 Friedrich Wilhelm III. kauft die aus 6 000 Stücken bestehende Ludwig'sche Talersammlung, 1818 die aus antiken und neueren Stücken bestehende Sammlung des Fürsten Peter Biron von Kurland sowie orientalische Münzen aus anderem Besitz. Ein von Jean Henry, einem früheren reformierten Prediger in Potsdam und Direktor der Kunstkammer und der Altertumssammlungen, verfaßtes Verzeichnis nennt 13 147 antike Münzen, darunter 2 424 Griechen.
     1821 Für 18 000 Taler werden Münzsammlung sowie Bibliothek des 1814 verstorbenen Direktors der Königlichen Assekuranz- Compagnie Peter Philipp Adler in Frankfurt an der Oder mit fast 28 000 Münzen, darunter auch vielen »vaterländischen« und orientalischen Geprägen, gekauft. Auf den Erwerb »Beckerscher Münzen« wird verzichtet. Später gelangen die Stempel des Münzfälschers in den Besitz des Kabinetts.
     1830 Gründung der Königlichen Museen. Die Münzsammlung kommt als Teil des Antiquariums in das neuerbaute Alte Museum am Lustgarten. Antike und mittelalterlich- neuzeitliche Münzen werden räumlich getrennt und gesondert verwaltet.
     1840 Im Jahr des Regierungsantritts Friedrich Wilhelms IV. besitzt das Kabinett 26 500 antike sowie 70 000 mittelalterliche und neuzeitliche Münzen und Medaillen.
     1843 Gründung der mit dem Kabinett eng verbundenen Berliner Numismatischen Gesellschaft.
     1868 Das Königliche Münzkabinett erhält den Rang eines eigenständigen Museums, die Trennung der Bestände wird aufgehoben. Dem ersten Direktor Julius Friedländer gelingt es, den Umfang der Sammlung zu verdoppeln. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhält das Kabinett internationalen Rang. Bedeutende Sammlungen werden erworben: 1861 Benoni Friedländer (17 000 Münzen und Medaillen), 1870 Dannenberg (3 000 Mittelalter), 1873 Fox (11 500 Griechen), 1875 Prokesch- Osten (11 000 Griechen und Kleinasien), 1876 Guthrie (15 000 orientalisch- islamische Münzen), 1879 Grote (10 000 deutsches Mittelalter und Brandenburg), 1896 Fikentscher (15 000 süddeutsches Mittelalter). Vor dem Ersten Weltkrieg werden folgende Sammlungen erworben: 1900 Imhoof-Blumer (2 200 Griechen), 1906 Löbbecke (28 000 Griechen), 1911 Gariel- Ferrari (1 000 Karolinger), 1916 Kühlewein (5 000 Berliner Medaillen). Außerdem werden dem Kabinett bedeutende Münzfunde und 1909 Gipsformen aus dem Nachlaß des Medailleurs Leonhard Posch zugeführt. Das Kabinett gibt zwischen 1874 bis 1935 die »Zeitschrift für Numismatik« heraus.
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     1904 Umzug des von Julius Menadier geleiteten Kabinetts in das Souterrain des neuerbauten Kaiser-Friedrich- Museums.
     1945 Die Rote Armee bringt das im Keller des Pergamonmuseums eingelagerte Münzkabinett einschließlich der Bibliothek nach Leningrad.
     1956 Kabinettsdirektor Arthur Suhle richtet im notdürftig wiederhergestellten Bodemuseum eine Schausammlung aus Sammlungsresten und Neuerwerbungen ein.
     1958 Die Sammlung wird ohne wesentliche Verluste nach Berlin zurückgebracht, während die Bibliothek weiter in der Sowjetunion verbleibt. Einrichtung der ständigen Ausstellung »Geld–Münze–Medaille« im Obergeschoß des Bodemuseums. In den folgenden Jahrzehnten veranstaltet das Kabinett zahlreiche Sonderausstellungen und erweitert seine Bestände durch Ankäufe sowie die Übernahme von Münzfunden. Mitarbeiter veröffentlichen Monographien sowie einzelne Beiträge im Jahrbuch der Staatlichen Museen. Das Kabinett veröffentlicht die »Kleinen Schriften« sowie die »Berliner Numismatische Forschungen«.
     1982 Über 1 500 der schönsten antiken Münzen werden in einer im Pergamonmuseum eingerichteten »Schatzkammer« gezeigt.
     1987–1994 Sonderausstellungen im Bodemuseum, darunter »Münzprägung und Medaillenkunst in Berlin und Brandenburg- Preußen« und »Die Sprache der Medaille«.
     1991 Auf dem XI. Internationalen Numismatischen Kongreß in Brüssel wird beschlossen, die nächste Tagung in Berlin zu veranstalten.
     1992 Das Berliner Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin ist Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es publiziert seine Bestände in den »Berliner Numismatischen Forschungen Neue Folge« und der Reihe »Das Kabinett«.
     Seit 1993 Das Berliner Münzkabinett ist Sitz der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Es führt den Gesamtkatalog der deutschen Münzfunde des Mittelalters und der Neuzeit und erarbeitet das Münzfundinventar des Landes Brandenburg. Zugleich ist es Sitz der Gitta-Kastner- Stiftung zur Erforschung der deutschen Medaillen des 19./20. Jahrhunderts.
     Seit 1994 Wechselausstellungen im Studiensaal: »Sammlung Otto Marzinek«, »Moneta Magnopolensis«, »Von Pisano bis Selvi. Meisterwerke der italienischen Medaillenkunst«, »Der Porzellangestalter und Medailleur Siegmund Schütz«, »Der Schatzfund von Müncheberg«.
     1995 Sonderausstellung »Europäische Medaillenkunst von der Renaissance bis zur Gegenwart« in Bonn, Gotha und Nürnberg.

Bildquelle:
J. C. C. Oelrichs: Erläutertes Chur- Brandenburgisches Medaillencabinet, Berlin 1778

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© Edition Luisenstadt, 1997
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