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Harry Nehls
Mann ohne Gesicht?

Ein wiederentdecktes Porträt von Giuseppe Passalacqua (1797–1865)

Am 7. Juli 1828 schrieb der damalige preußische Kultusminister Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein (1770–1840) an Giuseppe Passalacqua: »Des Königs Majestät haben auf den Bericht des Ministeriums Ihre Anstellung als Aufseher der ägyptischen Sammlung – welche nach erfolgter Einrichtung des Königlichen Kunstmuseums der archäologischen Abtheilung desselben beigeordnet wird – mit einem Gehalte von 1 000 Thaler und einer persönlichen Zulage von 600 Thaler jährlich vom 1ten Juli d. J. an, zu genehmigen geruhet. Das Ministerium eröffnet Ihnen diese allerhöchste Bestimmung mit der Bemerkung, daß Sie hinsichtlich Ihrer förmlichen Dienst- Instruction und Ihrer Beeidigung das Weitere zu erwarten haben und zweifelt nicht, daß Sie bis dahin die vorkommenden Geschäfte bei der ägyptischen Sammlung mit demselben Eifer besorgen werden, den Sie bisher für diese Angelegenheiten bewiesen haben.
     Zugleich haben des Königs Majestät Ihnen eine angemessene Vergütung für Ihren verlängerten hiesigen Aufenthalt, seit der durch

Sie bewirkten Aufstellung der ägyptischen Sammlung bis zum 1ten d. M. zu bewilligen geruhet. Das Ministerium fordert Sie hierdurch auf, sich über den angemessenen Betrag dieser Vergütigung näher zu erklären und hierauf das Weitere zu bestimmen und will Ihnen inzwischen in Bezug hierauf 1 000 Thaler zahlen lassen, welche Sie, so wie das für die bestimmte Gehalt in vierteljährigen Raten praenumerando bei der General Casse des Ministeriums Leipziger Straße No. 19 gegen Ihre Quittung erheben können.«1)
     Leider ist es bisher nicht gelungen, von Giuseppe alias Joseph Passalacqua (siehe BM 1/96), dem ersten Direktor des seinerzeit noch im Lustschloß Monbijou untergebrachten Ägyptischen Museums in Berlin, ein Porträt ausfindig zu machen. Laut den Memoiren des Berliner Ägyptologen Heinrich Brugsch wurde er »in allen Salons der damaligen Berliner Gesellschaft gern gesehen, verkehrte mit der besten Gesellschaft und zeigte sich an jedem Nachmittage auf der Promenade Unter den Linden, wo sein ausdrucksvolles Gesicht mit dem bräunlichen Teint eines Südländers unwillkürlich die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zog«.2) Demzufolge hätte man wohl mit einem Passalacqua- Porträt seitens eines namhaften, zeitgenössischen Berliner Malers, wie z. B. Franz Krüger (1797–1857) oder Wilhelm Hensel (1794–1861), rechnen können. Doch weit gefehlt. Trotz hervorragender Verdien-
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Blick auf Monbijou. Zeichnung von H. Lüders, 1882
ste um die damals noch in den Kinderschuhen steckende Ägyptologie – so beliebt, wie uns Brugsch in seiner 1894 erschienenen Autobiographie glauben machen möchte, war der archäologische Autodidakt Passalacqua denn doch nicht. Seine Grabstätte auf dem katholischen St.-Hedwig- Friedhof an der Liesenstraße, wo er am 21. April 1865 in aller Stille beigesetzt worden war, ist längst verschwunden, und in den damals gängigen Berliner Tageszeitungen fand sich kein einziger Nachruf. Auch Fachkollegen wie Georg Ebers (1837–1898) oder Adolf Erman (1854–1937) hatten nicht gerade eine sonderlich hohe Meinung von ihm. Erman urteilte ungerechterweise, daß Passalacqua nur ein
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halb gebildeter und verschrobener Mann gewesen sei, der von Ägyptologie gar nichts verstanden habe.3)
     Wie schnell das Wissen über Passalacqua in Vergessenheit geriet, bezeugt die irrige Äußerung des mit Theodor Fontane befreundeten Schriftstellers Emil Dominik (1844–1896), er sei »ein portugisischer Kaufmann« gewesen.4)
     Um so erfreulicher ist es, daß nun doch noch ein Porträt Passalacquas – und zwar ein rundplastisches – nachgewiesen werden kann. Es handelt sich dabei um eine Büste, die der Berliner Bildhauer Julius Simony (1785–1835), ein Schüler Gottfried Schadows, 1832 schuf. Sie wurde im selben Jahr auf der Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin ausgestellt.5) Leider wissen wir weder etwas über den Verbleib der Büste noch ob sie aus Gips oder Marmor war, und bedauerlicherweise ist das bildhauerische Oeuvre von Simony nicht in Abbildungen erhalten. Somit bleibt Passalacqua nach wie vor der Mann ohne Gesicht. Dennoch: Daß das Suchen nach Porträts – auch in schwierigen Fällen, und Passalacqua ist ein solcher – durchaus erfolgreich sein kann, hat der Verfasser dieser Zeilen schon zweimal unter Beweis gestellt.6)

Anmerkungen
1     Der Originalbrief befindet sich im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Sign. I/ÄM 78.

2     H. Brugsch, Mein Leben und mein Wandern. Berlin 1894, S. 28 f.
3     Vgl. A. Erman, Mein Werden und mein Wirken. Berlin 1929, S. 192 Anm. 1.
4     Vgl. E. Dominik, in: Der Bär 8 (1882), S. 420.
5     Vgl. Die Kataloge der Berliner Akademie- Ausstellungen 1786–1850, bearb. von H. Börsch- Supan. Bd. 2. Berlin (West) 1971, s.v. 1832 Nr. 859. – Ausführlich zu Simony: J.v. Simson, in: Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914. Ausstellungskatalog. Berlin 1990, S. 300 ff. – Für den freundlichen Hinweis auf die Passalacqua- Büste danke ich Frau Dr. H. Bohne und Frau Dr. R. Grumach.
6     Vgl. H. Nehls, Ein wiederentdecktes Porträt des Berliner Bildhauers Alexander Gille (1823–1880), in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 40, 1989, S. 156 ff. sowie H. Nehls, Derselbe, gesehen von vorn. Ein neuentdecktes Porträt Wilhelm Dorows (1790–1845), in: Das Rheinische Landesmuseum Bonn. Berichte aus der Arbeit des Museums 4, 1989, S. 54 ff.

Bildquelle
Der Bär 8 (1882), S. 421

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