92   Novitäten Aufhebung der Bilderzensur  
Hans Wiener
28. Mai 1842:
Aufhebung der Bilderzensur

Es geschah zweifellos im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV., der bemüht war, seinen Ruf als aufgeklärter, kulturfördernder Monarch zu festigen, wenn der preußische Minister des Innern und der Polizei, von Rochow, unter dem Datum des 28. Mai 1842 an die Oberpräsidenten aller Provinzen ein »Cireular betreffend die Aufhebung der Bildercensur« richtete. Bisher, so der Minister, sei »angenommen worden, daß Bilder, welche durch Lithographie, Kupferstich oder sonst zur Vervielfältigung und zum Verkauf bestimmt« wären, »der Polizeicensur unterworfen« seien. Man habe sich jedoch »überzeugt«, daß »aus allen bestehenden Gesetzen sogar die älteren nicht ausgenommen«, sich keine solche »präventive Beschränkung des Verkehrs mit Bildern herleiten« lasse und »mithin die Bildercensur der gesetzlichen Grundlage entbehrt«. In erster Linie war dabei an Karikaturen und lustige Vignetten gedacht. Von Friedrich Wilhelm IV. ist bekannt, daß er an solcher Art Bildchen (wie auch an Witzen und Bonmots) sein Vergnügen fand und sie gelegentlich sogar selbst zeichnete.

Allerdings beschränkte sich seine bzw. Herrn von Rochows Erlaubnis auf Bilder ohne Worte. Es verstehe sich »von selbst«, hieß es im Zirkularschreiben des Innenministers, daß »jede auf einem Bild angebrachte Schrift der vorgängigen Erlaubnis des Censors« unterliege. Die neue Teilfreiheit wurde weidlich genutzt. »Die Einfälle fielen gleichsam aus der Luft, die Zeichner wuchsen aus dem Boden«, berichtet Robert Prutz in seiner 1850 herausgekommenen »Geschichte der neuesten Zeit«.
     Aber die Zeichner wagten sich auch »an höhere und bedenklichere Gegenstände«. Eine Karikatur, die zeigte, wie Friedrich Wilhelm »immer daneben« tritt (neben die großen Fußspuren Friedrichs 11.), soll das Faß schließlich zum Überlaufen gebracht haben. »Ich habe mit Unwillen wahrgenommen, bis zu welchem hohen Grade in der letzten Zeit der Unfug gestiegen ist, durch bildliche Darstellungen die Religion und den Staat herabzuwürdigen«, hieß es jedenfalls in der Kabinettsorder vom 3. Februar 1843. In ihr bestimmte der König, daß ab sofort die Veröffentlichung von »bildliehen Darstellungen, durch welche die Sittlichkeit gröblich verletzt wird«, verboten ist. Alle anderen »Karikaturen, Zerr? oder Spottbilder jeder Art« dürften erst nach vorheriger Genehmigung durch die Polizeibehörde veröffentlicht werden. Die Aufhebung der Bilderzensur war also eine recht kurze. (Vgl. auch BM 5/1993)
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/1997
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