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Gerda Faust
Der Kriegsminister als Ehrenbürger

Johann Georg Gustav von Rauch (1774–1841)

Am 6. April 1840 verlieh die Stadt Berlin dem preußischen Kriegsminister Johann Georg Gustav von Rauch anläßlich seines 50jährigen Dienstjubiläums die Ehrenbürgerschaft. Mit Rauch erhielt ein preußischer Militär die Auszeichnung, der bis zu seinem Tode ein Anhänger der Steinschen Armee-Reformen blieb. Bereits 1810, als Scharnhorst ein Konskriptionsgesetz (Aushebungsgesetz) vorlegte, wonach mit seiner Einführung jeder ohne Ansehen seiner Person zum Wehrdienst verpflichtet werden kann, stritt Rauch an seiner Seite gemeinsam mit Hermann von Boyen (1771–1848) und Albrecht Georg Ernst Karl von Hake (1768–1835) für die damit verbundenen Grundgedanken einer modernen Heeresverfassung, insbesondere den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Diesem Prinzip wurde im Frühjahr 1813, zumindest während der Befreiungskriege, Geltung verschafft. Jedermann konnte jetzt zur Armee, zur Landwehr und zum Landsturm eingezogen werden. Für Berlin hatte dies unter anderem zur Folge,

daß die bis dahin bestehende Befreiung der Stadt von der Aushebung von Rekruten (Kantonsfreiheit) aufgehoben wurde. Die patriotisch empfindenden Berliner des Jahres 1813 ehrten dafür Propst Conrad Gottlieb Ribbeck (1757–1836) mit der Ehrenbürgerwürde. Schon 1814, als Boyen die Wehrpflicht auch in Friedenszeiten gesetzlich verankerte, war die Freude der Berliner ob der großen Belastungen in Folge der nunmehr auch für Berlin geltenden Wehrpflicht durchaus getrübt. Allerdings wurde die Durchsetzung einer Einstellung aller Wehrfähigen in Friedenszeiten durch den Finanzhaushalt und die festgelegte Truppenstärke begrenzt.
     Mit dem seit den 30er Jahren in Preußen wieder aufflammenden Streit, ob überhaupt und mit welchen Mitteln eine allgemeine Wehrpflicht durchzusetzen sei, war von Rauch seiner 1837 erfolgten Ernennung zum preußischen Kriegsminister jetzt unmittelbar und an verantwortlicher Stelle konfrontiert. Begleitet war dieser Vorgang von einer breiten und aufmerksamen Rezeption der von Carl von Clausewitz (1780–1831) nachgelassenen Schrift »Vom Kriege«. Doch von Rauch war offensichtlich schon zu alt, um die anstehenden Reformen der Kriegsverwaltung mit genügender Tatkraft vorzunehmen.
     Der aus einer Offiziersfamilie stammende Rauch besuchte in den Jahren 1788 bis 1790 die Potsdamer Ecole d'Ingenieur und diente
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danach als Ingenieur-Leutnant bei der Landaufnahme und beim Befestigungsbau. 1794 beteiligte er sich am Krieg zur 3. polnischen Teilung und arbeitete an der Befestigung von Petriekau und Czenstochau mit. Zwei Jahre später kam er als Adjutant des Generalquartiermeisters, Chefs des Ingenieurkorps und Generalinspekteur der Festungen nach Berlin.
     Seit 1802 im Generalstab tätig, nahm er 1805 an der Mobilmachung und 1806/07 am Krieg gegen Frankreich teil, wo er als Stabschef im russisch-preußischen Korps diente. Nach Friedensschluß im königlichen Gefolge, wurde er Scharnhorst zugeteilt und war an der Neubildung des Heerwesens und der Einrichtung von Kriegsschulen beteiligt.
     In den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 diente der inzwischen zum Generalmajor beförderte Rauch zunächst als Generalstabschef bei Yorck (1759–1830) und Blücher (1742–1819), ehe er nach dem Tode von Scharnhorst zum Chef des Ingenieur-Korps ernannt wurde. Darüber hinaus wurde er Chef des Allgemeinen Kriegs- und Militärökonomiedepartements und Generalinspekteur der Festungen.
     Vor allem in dieser Funktion setzte er sich für neue Festungsbauten ein und genoß auf diesem Gebiet einen solchen Ruf, daß er auf Wunsch des russischen Zaren in den Jahren 1822 bzw. 1825 russische und polnische Festungen inspizierte. 1830 zum General der
Infanterie befördert, wurde er 1831 in den Staatsrat berufen und 1837 Kriegsminister.
     Diese Funktion legte er Anfang 1841 aus gesundheitlichen Gründen nieder. Nur wenige Wochen später starb er am 2. April in Berlin.
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