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Ausland in der Aviatik noch besitzt, unter Anspannung aller Kräfte einzuholen..., zur Zeit der >Ila< (»Internationale Luftfahrtausstellung«, 1909 in Frankfurt am Main – H.A.), gab es noch keine deutsche Flugzeugindustrie. Mit einigen wenigen tastenden Versuchen, Flugzeugkonstruktionen in wirklicher Größe zu bauen, mußte sich der Besucher dieser unvergeßlichen Ausstellung begnügen.«
     Wie sehr sich dieses Bild binnen kurzer Zeit gewandelt hat, das vor allem wollen die Ausrichter der »ALA« der Öffentlichkeit demonstrieren. Ihr erklärtes Ziel ist es, wie der Reporter der »BZ am Mittag« am 3. April 1912 schreibt, »dem Volke und vor allem dem Großkapital zu zeigen, daß aus dem Flugsport eine Industrie geworden ist«. Während die »Ila« die erste Stufe, die Entwicklung vom theoretischen Versuche zum Sport, erkennen ließ, ist es der Zweck der »ALA«, die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Luftschiff- und Flugzeugbaus zu lenken.
     Programmgemäß am 3. April um 11.00 Uhr wird die »ALA« durch ihren Protektor, den Prinzen Heinrich von Preußen, eröffnet. Anwesend sind die Spitzen der staatlichen und kommunalen Behörden Großberlins, Offiziere aller Waffengattungen sowie vor allem das große Kontingent der Jünger und Freunde der Berliner Luftschiffahrt, die sich alle dessen bewußt sind und dies auch zeigen, daß hier in der Reichshauptstadt die Wiege
Hans Aschenbrenner
3. April 1912:
»ALA« – freier Eintritt für Piloten

Die Berliner sind an diesem 3. April des Jahres 1912 zufrieden, denn sie haben wieder einmal etwas, das »man gesehen haben muß«: die »ALA«. Dieses Schlagwort wird bis zum 14. April viele Tausende Besucher in die Ausstellungshallen am Zoologischen Garten locken, die erforschen wollen, was sich konkret hinter den geheimnisvollen drei Buchstaben verbirgt.
     Es ist die »Allgemeine Luftfahrzeug- Ausstellung«, gemeinsam veranstaltet vom Kaiserlichen Aeroklub, vom Kaiserlichen Automobilklub und dem Verein Deutscher Motorfahrzeug- Industrieller. Ihr erklärtes Ziel: Zeugnis abzulegen von der Schaffenskraft der deutschen Flugmaschinenbauer. Im Vorwort zum offiziellen Katalog der Ausstellung schreibt der Vorsitzende des Arbeitsausschusses und Generalsekretär des Vereins Deutscher Motorfahrzeug- Industrieller, Dr. Sperling: »Zum ersten Male tritt hier die junge deutsche Flugzeug- Industrie heraus aus ihren Stätten stiller gründlicher Arbeit, um zu beweisen, daß sie auf dem besten Wege ist, den Vorsprung, den das

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des deutschen Flugwesens steht. Während der Herzog von Ratibor noch die Eröffnungsansprache hält, kann das vor den Hallen bereits versammelte Publikum einen interessanten Flug beobachten: Über dem Ausstellungsgelände knattert der Motor der Rumpler-»Taube« des Oberingenieurs Hirth. Der bekannte Flieger war kurz nach 10.30 Uhr mit einem Passagier an Bord in Johannisthal aufgestiegen und etwa zehn Minuten später, in einer Höhe von 1 500 Metern dahinfliegend,
am Zoo eingetroffen, um der »ALA« einen Gruß aus der Luft zu entbieten. Minutenlang zieht Hirth seine Kreise und Schleifen, bevor er sich dann auf den Rückflug macht. Fast unbeweglich steht während derselben Zeit ein Freiballon, geführt von Ingenieur Gehricke, dem Sieger des jüngsten, in den USA ausgetragenen Gordon- Bennett- Rennens, über den Ausstellungshallen.
     Berliner und Fremde drängeln nach der Eröffnung in großer Zahl voller gespannter Neugier in die Ausstellung. Am besten beraten ist, wer sich schnurstracks zur Galerie begibt. Einen herrlichen Anblick bieten von hier oben die ausgestellten prächtigen »Vögel« von teilweise außerordentlicher Form-
schönheit — vor dem dunkelblauen Grunde hebt sich das helle Gelb und Weiß der Flugmaschinen überaus freundlich ab. In den beiden großen unteren Hallen sind die ersten deutschen Flugzeugfabriken neben den besten Flugzeugmotorenfabriken vertreten: Wright, Rumpler, Euler, Albatros, Grade, Flugwerke Deutschland, Jeannin, Garuda, Otto, Aviatik- Mühlhausen. Noch viele andere Namen, die in der Flugzeugindustrie einen hervorragenden Klang haben, sind präsent. Sie alle haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um ihre Leistungsfähigkeit in möglichst vorteilhaftem Licht zu zeigen.
     Unter den Flugzeugen überwiegt der Eindecker; er ist mit 17 Exemplaren zu sehen.
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Neun Zweidecker und ein Wasserdreidecker aus den Euler- Werken vervollständigen die Luftflotte der »ALA«. Der Eindecker des bekannten Fliegers Emil Jeannin weist Spuren einer Havarie auf — der Wagen, auf dem er sich über Nacht buchstäblich in Luft auflöst, beschreibt die »BZ am Mittag« am 4. April so: »Von dem Stande August Eulers ist das von uns gestern erwähnte Flugzeug- Chassis mit Maschinengewehr, an dem die Eulersche

Von der »ALA«:

Der Rumpler-Delphin, eine Luftlimousine.

beim Transport zur »ALA« stand, kollidierte mit einer Straßenbahn, dabei zerbrach das Höhensteuer. Albatros und Aviatik stellen im übrigen die gleichen Flugzeuge aus, die auf dem Pariser Aero-Salon ein Jahr zuvor die deutsche Flugzeugindustrie repräsentierten. Euler hat auch einen Luftschiffzerstörer mitgebracht, dem allerdings nur ein ganz kurzer Aufenthalt beschieden ist. Warum er

Zielvorrichtung angebracht ist, verschwunden. Nach dem Besuch des Prinzen Heinrich wurde der Apparat mit einem Tuche verdeckt und dann, wie es heißt, auf Wunsch der Militärbehörden weggebracht.« Ganz augenscheinlich ist also, daß man sich bei aller angestrebten Öffentlichkeit doch nun wiederum auch nicht allzusehr in die Karten sehen lassen möchte.
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     Ungeachtet dessen ist der allgemeine Tenor der ausgiebigen Berichterstattung über die »ALA«, daß deren Veranstalter es verstanden haben, mit ihrer Schau ein möglichst vollständiges Bild der Entwicklung der deutschen Luftfahrt, insbesondere der Flugzeugindustrie, zu geben. Sie bietet dem Laien wie dem Techniker viel Interessantes. Und so mancher Besucher erfährt hier überhaupt erstmals, was ein Flugzeug ausmacht und wie es konstruiert ist. Kritisch wird verschiedentlich vermerkt, daß vom (wesentlich älteren) Luftschiff verhältnismäßig wenig zu sehen ist. Auf der Galerie finden Interessierte lediglich einige Stände des Luftschiffbaus Schütte- Lanz und weniger anderer Firmen. Allgemein bedauert wird das gänzliche Fehlen des Luftschiffbaus Zeppelin.
     Neben der eigentlichen Flugzeug- und Motorenindustrie zeigt auch die »Zubehörindustrie« ihre erstaunlichen Fortschritte. Der Ausstellungskatalog verrät, welch mannigfaltige Industriezweige zusammenwirken müssen, bis so ein Riesenvogel seinen stolzen Flug durch die Lüfte antreten kann. Im Obergeschoß sind noch eine Wissenschaftliche und eine Kunsthistorische Abteilung untergebracht. Es gibt auch einen Kinomathographen, mit dessen Hilfe dem Publikum luftsportliche Veranstaltungen vorgeführt werden. Als etwas Neues und eigentümlich Berührendes empfinden manche Besucher die im Katalog enthaltene Reklame; beim
Durchblättern stößt man auf eine Seite, deren Ecke umgefalzt ist und auf diese Weise gleich in die Augen fällt. Interesse finden auch die ausgestellten Preise, besonders der Prinz- Heinrich- Wanderpreis, der für den oberrheinischen Zuverlässigkeitsflug vergeben wird, sowie ein Silberpokal, den der Verlag Ullstein und Co. als Ehrenpreis für den bevorstehenden Flug Berlin—Wien gespendet hat. Der Pokal ist vor dem in der Halle 1 befindlichen Pavillon des Verlages aufgestellt.
     In alle Winde verstreut werden nach Schluß der Ausstellung die »Exponate«: die Erzeugnisse der Zulieferindustrie, die Motoren und die Flugzeuge. Deren Zielorte sind die Flugplätze zu Johannisthal, Döberitz, Bork, Leipzig, München, Frankfurt am Main usw. Hier werden sie, nun nicht mehr bloß Schauobjekte, von Fliegeroffizieren weiter eingeflogen und den vielfältigsten Tests unterzogen. Ein Zweidecker der Albatroswerke ist auserkoren, noch einmal in Wien zur Schau zu stehen, ehe er dann in Johannisthal stationiert werden soll. Zur »ALA« hatten Piloten übrigens freien Eintritt »gegen Vorzeigung des Flugzeugführungszeugnisses« — erwirkt vom Bund Deutscher Flugzeugführer bei der Ausstellungsleitung.

Bildquellen:
»Vossische Zeitung« und »Berliner Morgenpost«, jeweils 3. April 1912

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