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bürgerlichen Kreisen als unschicklich gilt. Männer wie Alfred Lesser setzen sich gegen diese Vorurteile durch und stoßen vor allem bei der Jugend auf Interesse. »TeBe« beispielsweise — rasch hat der Verein Tennis Borussia im lakonischen Berlinisch seinen Spitznamen weg — verstärkt seine Nachwuchs- Mannschaften durch Schüler des Gymnasiums »Zum Grauen Kloster« und beginnt, sich in dem Dschungel der Fußball- Ligen ganz allmählich hochzuarbeiten und einen Namen zu machen. Ein Auf und Ab nimmt seinen Anfang, dieses ständige Streben ins jeweilige Oberhaus des deutschen Fußballs, wie immer es auch heißt. Manchmal schaffen es die Charlottenburger (erstmals 1910, vorerst letztmals 1975/76), manchmal nicht.
     Doch schon früh ist die Einsicht da: Nur unter professionellen Bedingungen sind herausragende Leistungen möglich. Gern wird in TeBe- Kreisen noch Jahrzehnte später die Anekdote über den ersten Versuch, den Amateurstatus zu umgehen, erzählt. Nach heftigen Diskussionen im Vorstand wird in den 20er Jahren den Spielern der 1. Mannschaft nach einem Spiel ein Essen — zwei Eier im Glas und ein Butterbrot — bewilligt.
     Doch zurück zu den Anfängen. Im Jahre 1913 wird TeBe »selbständig«. Das Berliner Polizeipräsidium sendet am 9. April besagten Jahres dem Königlichen Amtsgericht Berlin- Wedding Unterlagen zurück, aus denen hervorgeht, daß gegen die Eintragung in das
Klaus M. Fiedler
9. April 1902:
TeBe – Fußballklub mit Ping-Pong- Wurzel

An der Wiege eines der populärsten Berliner Fußball- Vereine, Tennis Borussia, stehen interessanterweise keine Fußballer. Zwölf junge Burschen treffen sich am Mittwoch, dem 9. April 1902, in der Konditorei »An der Spandauer Brücke«. Sie wollen ihre kleinen Vereine, den Berliner Tennis- Verein und die Ping-Pong- Gesellschaft Borussia, zusammenschließen. Ein Name ist schnell gefunden; man kombiniert einfach die ursprünglichen Titel zu: Berliner Tennis- und PingPong- Gesellschaft Borussia. Nichts vom Fußball also. Doch nur Monate später wird das Ping-Pong- Spiel, für das sich kaum jemand interessiert, aufgegeben und damit auch der Name in Berliner Tennis- Club Borussia geändert. Alfred Lesser aber, der damalige 1. Vorsitzende, will es nicht bei der reinen Sommersportart Tennis belassen. Für 50 Pfennig wird die Lizenz für den Anschluß der kleinen Fußballvereinigung Neu- Seeland »gekauft«. Eine Sportart wird aufgenommen, die noch in den Kinderschuhen steckt, erstmals 1903 einen deutschen Meister ermittelt (VfB Leipzig) und vor allem in

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Vereinsregister kein Einspruch erhoben werde. Im »Öffentlichen Anzeiger Nr. 5« vom 26. April 1913 heißt es dazu: »In das Vereinsregister des unterzeichneten Gerichts ist heute unter Nr. 1620 der Verein >Berliner Tennis- Klub Borussia< mit dem Sitze in Berlin eingetragen worden.« Kurios dabei: Der Verein muß bis auf den heutigen Tag mit den Folgen eines Tippfehlers leben. In dem Antrag auf Eintragung ins Vereinsregister ist das Wort »Club« versehentlich mit »K« geschrieben worden. Die Behörde übernahm natürlich dieses »K«; und die Ästheten des Vereins, der sich gern in der gehobenen Gesellschaft angesiedelt sieht, runzeln die Stirn. Und da man offiziell nichts ändern kann, tut man es inoffiziell: Man benutzt das »C« für Club, als hätte es den Behördeneintrag nicht gegeben.
     Auch mit einem anderen festgeschriebenen Fakt gehen die Fußballer von TeBe seit Jahrzehnten lax um, mit den Farben ihrer Spielkleidung. Man nennt sie gern die »Veilchen«; die Farbe Lila findet sich auf den Trikots und auf der Clubnadel. In der ersten, bei Gericht niedergelegten Satzung des Vereins aber steht unter Paragraph 2 zu lesen: »Die Farben des Vereins sind schwarzweiß, sein Symbol ein schwarzer Adler in weißem Felde.« Das preußische Schwarz- Weiß (weißes Hemd, schwarze Hose) bestimmt dann auch in den ersten Jahren die Spielkleidung. Irgendwann wird daraus lilaweiß; zu viele Mannschaften verneigen sich vor den preus-
sischen Farben, und optische Unterscheidungen sind auf den Plätzen kaum möglich. Mit Lila aber hebt sich TeBe hervor. Und so soll es bleiben. Auch künftig.
     Spätestens im Jahre 2002 soll alles geschafft sein; spätestens dann will Tennis Borussia Berlin in der Eliteklasse des deutschen Fußballs, der 1. Bundesliga, spielen. Wenn am 9. April 2002 der traditionsreiche Charlottenburger Verein seinen 100. Geburtstag feiert, möchte man dieses Fest natürlich nicht als unscheinbarer Drittligist begehen. Das Mittelmaß des Jahres 1997 »tut weh«, gesteht TeBe- Vorsitzender Kuno Konrad gegenüber einer Berliner Tageszeitung. Wer aber aus diesem Mittelmaß, das Regionalliga heißt, heraus will, der braucht nach Konrads Meinung »sehr viel Geld«. Und da dieses Geld dank des Engagements eines potenten Sponsors aus der Finanzbranche (»Göttinger Gruppe«) vorhanden ist, wird im Umfeld des Mommsenstadions, seit Ende der 40er Jahre Spielstätte von Tennis Borussia, an Aufstiegsplänen, die bis ins nächste Jahrtausend reichen, gebastelt. Und dann, wenn das Erhoffte eingetreten sein sollte, könnte man in Ruhe auf den 100. Geburtstag anstoßen und zurückschauen auf jene Jahre, als alles begann.
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