90   Geschichte und Geschichten   
April, April...

Wir funken unseren Lesern künftig den Inhalt des Blattes als erste deutsche Zeitung ins Haus. Mit dieser Schlagzeile kündigte »Der Berliner Bär« in einer Mitteilung am 1. April 1930 eine neue technische Großtat an — den Bildfunk.
     Vorbei sollte es künftig sein mit dem Warten auf die Botenfrau und den Briefträger. Punkt 6.30 Uhr sollte »Der Berliner Bär« den Weg über den Äther nehmen, ausgerüstet mit den letzten Neuigkeiten der Spät- Abendblätter, um als fertige Zeitung auf dem Tisch der Leser erscheinen zu können. Das dazu erforderliche technische Empfangsgerät sollte völlig gratis und frei ins Haus geliefert werden.
     Als besondere Probe auf die technische Umstellung des Sende- und Empfangsverfahrens wurde nachts um 11.59 Uhr auf Radiowelle 419 eine Sendung angekündigt. Empfänger ohne das »neue« Gerät sollten die Sendung akustisch empfangen können, die Empfänger, die das »neue« Gerät besitzen würden, sollten eine »Sonderausgabe« des Blattes gedruckt erhalten.
     Das »neue« Gerät, das die Form eines Koffergrammophons hätte, arbeite, so hieß es, nach dem System Karolus- Magnus. Bei Sendungsbeginn sollte ein Klingelsignal ertönen, danach sollte sich eine Papierrolle einschalten. Die ankommenden Stromstöße

wurden durch eine Neonlampe in Lichtwerte umgewandelt, die dann auf der Papierrolle als Druckzeichen umgesetzt werden. Das »belichtete Papier« durchlaufe danach Behälter mit Entwickler- und Fixierflüssigkeiten. Aus einem Schlitz des Gerätes würde dann die fertige Zeitung herauskommen.
     Dieser Bildfunkdienst sollte ausgebaut werden, damit das Blatt dreimal täglich erscheinen könne.
     Ein Aprilscherz des Jahres 1930, der aber à la Jules Verne die Visionen der Bildübertragung, der Lichtsatztechnik, des BTX- Verfahrens und der Satellitentechnik, moderne Techniken unserer Zeit, beschreibt.

© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de