65 Berlin im Detail | Die »Heilandsweide« |
Hainer Weißpflug
Namensgeber war ein Naturdenkmal Der Stadtarchitekt Kuno Becker, ein Mitstreiter von Hugo Conwentz (1885-1922),
des ersten Naturschutzkommissars in Preußen, veröffentlichte 1932 eine kleine
Broschüre mit dem Titel »Berliner
Naturschutzgebiete«. Darin berichtet er im Abschnitt
»Geschützte Bäume« über eine riesige Silberweide,
genannt »Heilandsweide«, am Königsgraben
in Berlin-Marienfelde. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1620-1688) ließ diesen
Entwässerungsgraben anlegen, von dem heute, an der Stelle, wo die Weide stand,
nichts mehr zu sehen ist. Nach Becker hatte die Weide damals schon das für eine
Silberweide auffallend hohe Alter von etwa 200 Jahren, wovon auch Wilhelm Tessendorf
(Aus dem Berliner Sagenschatz) und Paul Wollschläger (Der Bezirk Tempelhof. Eine
Chronik in Geschichten und Bildern. Berlin, 1964) ausgehen.
| einhalb Meter. Vier Erwachsene waren
notwendig, um den Baum mit ausgestreckten Armen zu umspannen, wie die
Zeichnung, nach einem Foto aus der oben
erwähnten Broschüre Kuno Beckers angefertigt, zeigt.
Das hohe Alter des Baumes forderte seinen Tribut. Vor allem in den 50er Jahren wurde der Stamm immer morscher, Äste brachen ab, und es wurde gefährlich, an ihm vorüberzugehen. Die Verantwortlichen im Bezirksamt und die Naturschützer unternah- | |||||
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men alles Mögliche, um den Baum zu
erhalten. Die entstandenen Höhlungen wurden mit Ziegelsteinen, Mörtel und Beton
verfüllt, der Stamm mit Eisenbändern umspannt,
um ihn zusammenzuhalten. Bordsteine und Straßenpflaster wurden weiträumig um
die Weide herumgeführt, damit Wasser und Luft an die Wurzeln gelangen konnten. Aber
im Jahre 1956 mußte sie doch gefällt werden.
Bereits im Jahre 1953 war der Straße 37 der Name »An der Heilandsweide« gegeben worden, weil der Baum seine Umgebung prägte. Nur dieser Straßenname ist von dem Naturdenkmal geblieben. Geht man heute dort entlang, sucht man allerdings vergeblich nach einem Hinweis auf die alte Weide. Nur Insider kennen das Geheimnis des Straßennamens und wissen, daß 1952 eine neue, junge Weide in der Nähe des Standortes der alten »Heilandsweide« in Erinnerung an sie gepflanzt wurde. Der Name der Silberweide und damit der Straße geht auf eine Berliner Sage zurück. In dem kleinen Dörfchen Marienfelde soll in grauer Vorzeit ein frommer Schafhirt gelebt haben. Er lebte stets gottgefällig, befolgte die Lehren Jesu, trat würdevoll auf, trug langes Haar und einen prächtigen Vollbart. Wegen seines frommen Lebenswandels und seiner äußeren Erscheinung war er unter dem Namen »Heiland« bekannt. Der Schäfer trieb seine Herde häufig auf feuchte Wiesen, die in einen Bruch übergingen, zu dessen Ent- | wässerung später der Königsgraben
angelegt wurde.
Als sich eines Tages ein Schaf im nahen Moor verirrte und an einer grundlosen Stelle versank, eilte der Schäfer ihm zu Hilfe und versank selbst im Morast. Als die Marienfelder nach ihm suchten, fanden sie nur seinen Hirtenstab, der aus dem Sumpf herausragte. Dieser Weidenstock soll im darauffolgenden Frühjahr ausgeschlagen haben und nach Jahren zu jener stattlichen Weide herangewachsen sein. Die Leute gaben ihr den Namen »Heilandsweide«. Zeichnung: Autor | |||||
© Edition Luisenstadt, 1997
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