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stieg. Der Apparat vereinte die Maischevorwärmung, Rektifikation und Dephlegmation und war gegenüber der einfachen, nur aus Blase und Kühler bestehenden Destillation ein großer Fortschritt.
     Zum Zeitpunkt seiner Erfindung und der Patenterteilung war Pistorius Kaufmann und Branntweinbrenner in Berlin. Er wohnte in der Neuen Königstraße Nr. 30, direkt an der Straße nach Weißensee. Die Neue Königstraße war um 1812 noch keineswegs bis zum Königstor hin bebaut. Wohnhäuser standen bis zur Neuen Schützenstraße/Gollnowgasse, etwa der heutigen Kreuzung Mollstraße/Otto- Braun- Straße. Zwischen der Alten Schützenstraße und der Mudrichsgasse hatte Pistorius sein Haus mit dem Geschäft. Bis hin zum Königstor prägten noch weitgehend Weinberge, Scheunen, Gärten und Baustellen das Bild der Neuen Königstraße. Am Tor stand das Königliche Wachhaus und das Einnehmerhaus. Neben Pistorius hatten fünf andere Branntweinbrenner in dieser Straße ihr Domizil.
     Johann Heinrich Leberecht Pistorius wurde am 21. Februar 1777 in Loburg bei Magdeburg als jüngstes von vier Kindern geboren. Der Vater, Christian Gottlieb Ludewig, war Servisrendant für das Domänengut in Magdeburg und legte großen Wert auf eine fundierte Ausbildung des Jungen. Aber die Zustände an der Schule in Loburg waren nicht angetan, den Bildungsstand von Leberecht Pistorius entscheidend zu heben. Ein
Regina Woesner
Schnapsbrenner und Landwirt in Weißensee

Vor 180 Jahren erhielt Heinrich Leberecht Pistorius ein wichtiges Patent

Als am 21. März 1817, gut einen Monat nach seinem 40. Geburtstag, Johann Heinrich Leberecht Pistorius in Berlin endlich ein »Patent ... über das ausdrückliche Recht zur Anwendung und Fertigung eines eigenthümlichen Brenn- Apparats« erhielt, war die technische Voraussetzung dafür gelegt, die Spiritusbrennerei rasch zu entwickeln. Das Patent wurde in ganz Preußen verkündet. Durch diese Erfindung eroberte der preußisch- deutsche Sprit den Weltmarkt, und Berlin wurde zum Hauptsitz des Spiritushandels. Große Bedeutung gewann bei diesem Verfahren als Ausgangsstoff die Kartoffel, die auf den leichten und sandigen Böden gut gedieh.
     Der verbesserte »Pistoriussche Brennapparat« fand große Verbreitung und setzte sich schnell durch. Mit einer Destillation und im kontinuierlichen Betrieb konnte nun Spiritus mit einem Alkoholgehalt von 80 Prozent erzeugt werden. Seit 1830 wurde dieser Apparat mit der Dampferzeugung kombiniert, wodurch die Ausbeute noch

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heruntergekommener Student war als Rektor tätig, und der Lehrer war ein ehemaliger Gardeunteroffizier aus Potsdam. Bis zu seinem 10. Lebensjahr lebte Pistorius in seinem Elternhaus. Gern streifte der kleine Leberecht über die Felder und Äcker, beobachtete die Natur, sammelte Vogeleier und Nester. Gelang es ihm, einen Vogel zu fangen, stopfte er ihn aus. Frühzeitig zeigte er ein starkes Interesse für die Landwirtschaft. Beim Superintendenten Koch, der seinen wissenschaftlichen Neigungen entgegenkam, erhielt er Privatunterricht. Schon nach einem Jahr konnte Pistorius den Robinson Crusoe in lateinischer Sprache lesen, eine Fähigkeit, die für den weiteren Schulbesuch von großer Bedeutung war.
     1787 brachte ihn der Vater nach Magdeburg an die Domschule, wo er das Gymnasium bis zur Secunda besuchte. Der Rektor der Domschule gab dem wißbegierigen Jungen freie Wohnung und freie Kost. Als sein früherer Lehrer aus Loburg, der Superintendent Koch, nach Berlin an die Georgenkirche versetzt wurde, nahm dieser ihn mit nach Berlin. Von nun an besuchte er das Joachimsthalsche Gymnasium, das an der Spree, zwischen der Heilig- Geist- Straße 4/5 und der Burgstraße 22, gegenüber dem Berliner Schloß lag. Am 10. Oktober 1795 wurde er als »hospes« unter dem Namen »Friedrich Leberecht Pistorius, Alter 17« in die Schülerliste des Joachimsthalschen Gymnasiums eingetragen. Hospitis waren Schüler, die
außerhalb der Schule wohnten. Eigentlich war er zu diesem Zeitpunkt schon 18 Jahre alt. Laut Eintragung wohnte er in der Landsberger Straße beim Kaufmann Pistorius, wahrscheinlich der Bruder, mit dem er später gemeinsam ein Geschäft betrieb. Zuvor hatte Pistorius die Aufnahmeprüfungen in Latein, Griechisch, Deutsch und Rechnen bestanden.1)
     An diesem Gymnasium genoß Pistorius eine für die damalige Zeit hervorragende Ausbildung. Es gehörte zu den bedeutensten Bildungseinrichtungen des brandenburgisch- preußischen Staates und war als Fürstenschule 1607 im neugegründeten Joachimsthal in der Uckermark durch Kurfürst Joachim Friedrich (1546–1608) eingerichtet worden. 1636, nach Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg, kam sie über Angermünde 1647 nach Berlin und erhielt 1688 das Gebäude in der Burgstraße. Die Schule besuchten sowohl Kinder von Adligen als auch des Bürgertums.
     Rektor des Gymnasiums (von 1775–1800) war Johann Heinrich Ludwig Meierotto, von dem Pistorius noch voller Ehrfurcht im hohen Alter sprach. Die Stadt Berlin hat nach diesem bedeutenden Lehrer eine Straße in Wilmersdorf benannt.
     Ab dem zweiten Halbjahr 1796 wurde Pistorius in den Schulunterlagen als Alumnus geführt und lebte damit direkt in der Schule unter der Aufsicht der Lehrer. Seine Leistungen verbesserten sich deutlich.
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Um die Jahreswende 1796/97 muß er sich einer Prüfung unterziehen, die auf der Anordnung des Königs Friedrich Wilhelm II. (1744–1797): »Instruction über die Prüfung der cantonpflichtigen junge Leute, in Absicht ihrer Fähigkeit zum Studiren. ...« 2) beruhte. Diese Prüfungen fanden an den Gymnasien und solchen Schulen statt, die direkt auf das Studium vorbereiteten. Damit sollte verhindert werden, daß cantonpflichtige junge Männer, die eigentlich ihren Militärdienst leisten müßten, unter dem Vorwand, studieren zu wollen, nicht zum Militärdienst gingen.
     Mit dem Abschluß des Gymnasiums 1797 hatte Pistorius die Fähigkeit erworben, eine Universität zu besuchen. Jedoch entschied er sich anders und begann, als Kaufmann zu arbeiten. Doch die Wissenschaften ließen ihn nicht so schnell los. Nach eigenem Zeugnis besuchte Pistorius einige Privatvorlesungen, die damals bedeutende Gelehrte in ihren Wohnungen abhielten. Besonders erwähnte Pistorius die von Assessor Martin Heinrich Klaproth (1743–1817) in der Spandauer Straße zu Fragen der Chemie. Hier bekam er wahrscheinlich auch die Anregungen für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Branntweinherstellung. Seine Versuche reiner kaufmännischer Tätigkeit waren wahrscheinlich wenig erfolgreich, so daß er sich mehr und mehr der Branntweinbrennerei

Johann Heinrich Leberecht Pistorius

zuwandte. Um 1814 begann Pistorius mit zahlreichen Versuchen, den Destillationsvorgang technisch weiter zu verbessern und ihn
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zugleich zu verkürzen. Seine Erfindungen und Neuerungen, die Maischetrocknung und die Maischeerwärmung, wurden auch bald zum Allgemeingut vieler Brennereien. In dieser Zeit mußte man für hochprozentigen Spiritus den Destillationsvorgang mehrmals wiederholen.
     Am 18. Oktober 1816 schrieb Pistorius an das Ministerium für Finanzen. Er bittet »... um ein Patent auf 15 Jahre für die sämtlichen Provinzen der Preußischen Monarchie, zu der alleinigen Verfertigung einer von mir nach vielen darüber angestellten Versuchen, zu Stande gebrachten Maschine, die bei der Branntweinbrennerei angewendet von der größten Wichtigkeit ist, und füge deshalb die umständliche Beschreibung und Abbildung meiner erfundenen Maschine zur genauen Prüfung derselben, in den Anlagen vorsorglich bey«. 3) In vielen Versuchen war es ihm gelungen, die Entstehung des Fuselöls zu verhindern. In seinem Antrag auf Erteilung des Patents sprach er direkt von einer »Entfuselungs- Maschine«.
     Noch viele Jahre nach der Erteilung des Patents führte Pistorius einen umfangreichen Briefwechsel mit dem Ministerium, um die unberechtigte Nutzung seiner Erfindung zu unterbinden. Immer wieder wurden dabei die Kupferschmiede Gebrüder Henniger aus der Jerusalemer Straße Nr. 11 genannt, die offensichtlich im größeren Umfang den Brennapparat nachbauten und verkauften. (z. B. an den Kaufmann und Guts-
besitzer Johann Heinrich Neumann in Berlin, an den Justizcommissarius Paatzow bei Pritzwalk und den Gutsbesitzer Roloff zu Dabergotz usw.) 4)
     Bei all seinen Unternehmungen unterstützte ihn seine Schwester Sophia Wilhelmine mit ihrem Vermögen aus der Ehe mit dem Amtmann Lüdersdorff. Sie führte ihm zugleich auch die Wirtschaft, denn Pistorius blieb zeit seines Lebens unverheiratet. Erst viele Jahre später, 1821, kaufte er das Rittergut in Weißensee für 65 000 Reichstaler vom Erbherrn Asmus von Schenkendorff und zog mit der Schwester nach dorthin. Pistorius war damals 44 Jahre alt. Für ihn begann nun ein neuer Abschnitt seines Lebens als Rittergutsbesitzer und Landwirt. Mit dem Kauf des Rittergutes oblagen ihm auch dessen Rechte und Pflichten, wie die niedere Gerichtsbarkeit, das Patronat, die Polizeistrafgewalt, die Fischgerechtigkeit und das Straßenrecht. So besaß Pistorius auch zugleich die soziale Kontrolle über die übrige Dorfbevölkerung. Zudem gehörten dazu auch das Obereigentum über alle im Dorfe gelegenen und im abhängigen Verhältnis stehenden Bauern- und Kossätengüter sowie die Nutzung der von ihnen zu leistenden Dienste und Abgaben.
     Bis zu ihrem Tode am 7. August 1844 führte ihm seine Schwester die Wirtschaft und unterstützte ihn weiterhin in seinen wirtschaftlichen Unternehmungen. Etwa um diese Zeit, Anfang der 40er Jahre, ließ Pistorius
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auf dem Gemeindefriedhof von Weißensee ein Erbbegräbnis für sich und seine Familie errichten. Seine Schwester, deren Sarg später in diesem Erbbegräbnis neben dem seinen stand, wurde am 10. August 1844 in der Gruft der Kirche beigesetzt. Dieses Erbbegräbnis ging 1923 in den Besitz der Kirchengemeinde über.
     Auf großen Schlägen baute er Kartoffeln an und verarbeitete diese in seiner Brennerei mit den neuen Apparaten. Durch Kartoffelschnaps wurde das Gut berühmt. Eine Voraussetzung dafür war der allmähliche Übergang vom Fruchtwechsel zur Dreifelderwirtschaft und damit der Anbau von Blattfrüchten wie Kartoffeln und Zuckerrüben, von Klee und Ölsaaten, die den Boden besser ausnutzten. So stieg in Preußen der Anteil des mit Hackfrüchten bebauten Ackerlandes von 1816 bis 1861 von 5,2 Prozent auf 13,2 Prozent. Die Kartoffelanbaufläche vergrößerte sich dabei bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 10 Prozent des Ackerlandes.5) Als billiges Nahrungsmittel der untersten Bevölkerungsschichten auf dem Lande wie in der Stadt gewann die Kartoffel größte Bedeutung.
     Bis etwa 1818 wurde auch in Weißensee die Dreifelderwirtschaft betrieben. Die gesamte Feldmark um Weißensee war in drei gewaltige Hufenschläge eingeteilt: das Mühlenfeld, das Malchower Feld und das Berliner Feld. Im jährlichen Wechsel wurden diese Felder als Winterfeld bzw. Sommerfeld
bestellt oder zur Brache erklärt. Jeder Bauer hatte sich dieser Bestimmung zu unterwerfen. Der Acker- und Landbesitz der einzelnen Höfe wie auch des Rittergutes lag mit den anderen jeweils im Gemenge dieser Felder. Die Neugliederung der Dorfflur wurde zur Beseitigung der bäuerlichen Abhängigkeit von den Feudalherren notwendig, denn die Landentschädigung der Bauern setzte in vielen Fällen eine Separation von Guts- und Bauernland voraus. Die Weißenseer Feldmark umfaßte laut Rezeß von 1821 ein Gesamtgebiet von 2 957 Morgen und 76 Ruten, darin eingeschlossen die zahlreichen größeren und kleineren Seen. Das reine Ackerland in der Weißenseer Feldmark betrug 2 844 Morgen und 149 Ruten.
     Die entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Pistorius zum Rittergutsbesitzer war jedoch die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit in Preußen 1807 im Rahmen der preußischen Agrarreformen und die Befreiung der Bauern von den feudalen Lasten im Verlaufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit dem Edikt vom 9. Oktober 1807 hörte alle Gutsuntertänigkeit zu Martini 1810 (11. November) auf; die Bauern wurden persönlich frei.
     Die Durchsetzung der preußischen Agrarreformen verlief in Weißensee nur sehr langsam. Die Anträge auf Aufhebung aller örtlichen und gutsherrlichen Verhältnisse und die damit verbundene Spezial- Land- Separation waren am 10. Dezember 1813
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beim Königlichen Generalkommissariat für die Kurmark und für ehemals sächsische, jetzt preußische Gebiete eingereicht worden.
     Mehrfach beschwerten sich die Bauern beim königlichen Landrat des niederbarnimschen Kreises über die schleppende Bearbeitung ihrer berechtigten Forderungen. Offensichtlich ist der Separationsprozeß mit Ablauf des Jahres 1819 in Gang gekommen. Am 29. Mai 1820 führte endlich der Kreis- Justiz- und Ökonomie- Commissarius Mezner den Vergleich durch. Das eigentliche Vollzugsdatum ist der 26. März 1823, obwohl bereits seit dem 1. Januar 1821 nach diesem Rezeß verfahren wurde.
     So ganz zufällig, wie es Heinrich Joachim (Gehlsen) in seiner kulturhistorischen Skizze: »Weißensee und seine Umgebungen« darstellt, war der Kauf des Rittergutes Weißensee für Pistorius wohl nicht. Denn schon am 1. April 1820 wurde Pistorius als Spezialbevollmächtigter des Rittergutsbesitzers und Erbherrn von Weißensee, Leutnant Carl Asmus von Schenkendorff, für die Separationsverhandlungen genannt. Innerhalb dieser hatte Pistorius sicher schon Interesse für dieses Rittergut gezeigt , und sein Mitwirken überhaupt ist sicher schon mit der Möglichkeit des späteren Kaufs verbunden gewesen. Pistorius folgte damit einem Trend der Zeit, in der häufig die Besitzer der Rittergüter wechselten. So kauften damals viele Kaufleute, Bankiers, Steuereinnehmer, Finanz- und Justizräte, Rechtsanwälte, Ärzte
und vor allem Domänepächter die adligen Güter. Mitte des Jahrhunderts überwogen, sicher durch die Nähe zu Berlin, im Niederbarnim und Teltow sogar die bürgerlichen Güter.
     Innerhalb der Separation wurden die Bauernwirtschaften neu geordnet und die Zersplitterung der Ackeranteile reduziert. Mit dem Vertrag vom 26. März 1823, den Johann Heinrich Leberecht Pistorius als Gutsbesitzer und Bevollmächtigter des Erbherrn unterzeichnete, verzichtete das Gut auf die Dienste und Leistungen der Bauern und übereignete ihnen das uneingeschränkte Besitzrecht an ihren Höfen als freies Eigentum. Dafür erhielt das Gut als Entschädigung 1/3 des Landbesitzes eines jeden Bauern (mit Ausschluß der Gärten). Das waren insgesamt 370 Morgen und 78 Ruten Land.
     In den 37 Jahren seines Lebens in Weißensee machte sich Pistorius besonders um den rationellen Betrieb der Landwirtschaft verdient. In dieser Zeit baute er seine Wirtschaft weiter aus, und am Ende seines Lebens besaß das Gut 11 Wohn- und 15 Wirtschaftsgebäude, einschließlich einer Brennerei. Hier hatte er seine Erfindung im großen Maßstab verwirklicht. Seine Brennerei war vorbildlich und wurde in beschreibenden Darstellungen immer wieder hervorgehoben. Auf äußeren Wohlstand hat Pistorius wenig Wert gelegt. Er bewohnte das einfache einstöckige Wohnhaus. Der Park am See und um das Haus herum mußte aber
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schon damals auf die Besucher als sehr reizvoll gewirkt haben, denn in Beschreibungen wird er oft erwähnt. Pistorius hatte die Gewohnheit, sommers schon sehr früh auf den Beinen zu sein. Während andere noch schliefen, wanderte er schon über die Äcker und Wiesen. In den späteren Jahren konnte man sein langes weißes Haar schon um 4 und 5 Uhr morgens über irgend einen Feldschlag herüberblitzen sehen. Oftmals trat er seine Morgenparade nur in Schlafrock und Pantoffeln an, ohne Rücksicht darauf, daß seine Fußbekleidung vom Morgentau durchnäßt wurde. Er hatte guten Kontakt zu den Arbeitern und Handwerkern seines Gutes und suchte oft das Gespräch mit diesen. Bis ins hohe Alter war Pistorius technischen Neuerungen für die landwirtschaftliche Produktion sehr zugetan. So ließ er sich Mitte der 40er Jahre aus England und den USA einige Pflüge kommen, die er ihres leichten Ganges und der vorzüglichen Arbeit wegen auf seinem Gute einführen wollte. Die englischen und amerikanischen Schwingpflüge, die ein wesentlich tieferes und besseres Pflügen ermöglichten, mußten aber den hiesigen Verhältnissen der leichten Böden angepaßt werden. Damit beauftragte Pistorius den jungen Schlossermeister Heinrich Ferdinand Eckert in der Landsberger Straße 55 in Berlin. Diesem jungen Schlossermeister hatte er schon Aufträge für seine Branntweinbrennerei erteilt.
     Am Mittwoch, dem 27. Oktober 1858, mor-
gens um halb neun Uhr, vollendete sich das Leben von Johann Heinrich Leberecht Pistorius. Am Sonnabend, dem 30. Oktober, wurde er im Erbbegräbnis auf dem Dorffriedhof zu Weißensee beigesetzt.
     Nach seinem Tode erbte sein Neffe, der Geheime Regierungsrat Dr. Lüdersdorff, das Rittergut Weißensee. Er ließ das Gutshaus 1859 durch einen Schloßbau ersetzen und den Park gründlich umgestalten. Im Januar 1872 verkaufte Lüdersdorff das Gut, und die Siedlung Neu- Weißensee entstand. Mit der Gründung wurde auch eine der Hauptstraßen nach dem Rittergutsbesitzer Johann Heinrich Leberecht Pistorius benannt.

Quellen:
1     BLHA, Rep. 32, Joachimsthalsche Gymnasium, Nr. 429, Bl. 513
2     BLHA, Rep. 32, Joachimsthalsche Gymnasium, Nr. 356, Bl. 3
3     GStA PK, I. HA, Rep. 120, Ministerium für Handel und Gewerbe, D XVI Fach 1, Nr. 4
4     GSTA PK, I. HA, Rep. 120, Ministerium für Handel und Gewerbe, D XVI, Fach 1, Nr. 4
5     Vgl.: Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, Verlag C. H. Beck, 4. Auflage, München 1987, S. 152/153

Bildquelle: Weißensee und seine Umgebungen. Eine kulturhistorische Skizze von H. Joachim, 1873. Charlottenburg, bei Ad. Fritze

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