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speziell für die Belange der Buchhändler eingerichtet sein müßte und das die jährlich größer werdende Zahl der Messebesucher aufnehmen konnte. 1824 hatte der alte Horvath1) erklärt, daß er sein privates Engagement für die Messe nicht mehr durchhalten könne – der Börsenverein trat an seine Stelle, von der Hoffnung begleitet, daß nun auch lange gewünschte Erleichterungen im geschäftlichen Verkehr mit vereinten Kräften durchgesetzt werden konnten. Bezeichnend jedoch war, daß die Gastgeber der Messe, Leipzigs Buchhändler, wenig Interesse für die Anliegen der Besucher zeigten. Für sie war es ja bequem, sich von ihren Geschäftspartnern in den Geschäften aufsuchen zu lassen. Was kümmerte sie das tagelange Umherlaufen ihrer Gäste, das unwürdige Warten, bis endlich ein Gespräch mit dem Handelspartner möglich wurde. Es gab an die 100 Buchhändler in Leipzig, gerade zehn von ihnen beteiligten sich an der Gründung des Börsenvereins! Duncker aber hatte rechtzeitig erkannt, daß sich die Leipziger mit ihrer eigensinnigen Haltung möglicherweise selbst schadeten. Falls das Unternehmen Börsenverein Bestand hatte, falls es gelingen würde, immer mehr Mitglieder zu gewinnen, dann würde auch dessen Macht größer, bekämen seine Beschlüsse wachsendes Gewicht. Leipzig war zweifellos Buchstadt Nummer eins in Deutschland, hier war die größte Messe, hier versammelten sich viele und bedeutende Firmen. Nun aber er-
Volker Titel
Die Buchstadt Leipzig in Berliner Hand?

Buchhändlerische Machtkämpfe im 19. Jahrhundert

Als der gerade 50 Jahre alt gewordene Berliner Buchhändler Carl Duncker Ende April des Jahres 1831 die Post in Richtung Leipzig bestieg, hatte er neben den üblichen Abrechnungsunterlagen für die Messe auch einen sorgfältig ausgearbeiteten Statutenentwurf im Gepäck, Statuten für den sechs Jahre zuvor gegründeten Börsenverein der deutschen Buchhändler, dessen Vorsteher er seit seiner Wahl im Mai 1828 war.
     Die Gründung des Vereins war notwendig geworden, da die Abwicklung der Buchhändler- Messe in Leipzig vor allem für die Auswärtigen mit zahlreichen Unzulänglichkeiten verbunden war: Es fehlte eine regelnde Instanz für die jährlichen Abrechnungsmodalitäten, es fehlte ein Forum für Usancen- Debatten nach innen und für die Interessenvertretung nach außen, zum Beispiel in Sachen einheitlicher Regelung des Urheberrechts in den deutschen Staaten. Und es fehlte in Leipzig an einem geeigneten Lokal, am besten einem eigenen Haus, das

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gab sich die Möglichkeit, den Interessen der »Auswärtigen«, wie sie von den Leipzigern bezeichnet wurden, kraft hoher und vereinter Stimmenzahl Nachdruck zu verleihen. Und in der Tat: Schon nach zwei Jahren schrieben sich mit knapp 350 Buchhändlern weit mehr als ein Drittel aller in Deutschland etablierten Firmen in die Mitgliederlisten des Vereins ein.2) Preußens Hauptstadt Berlin stellte zu diesem Zeitpunkt mit 42 Mitgliedern den mit Abstand größten Anteil einer Stadt im Verein. Zweifellos liegt hier auch ein Grund für die Wahl Dunckers, der von Beginn an dem Verein angehörte, zum Vorsteher. Wie sehr der neue Vorsteher die ihm gebotene Machtposition für seine, respektive die Interessen der Nicht- Leipziger zu nutzen verstand, das sollten die kommenden Jahre zeigen ...
     Carl Friedrich Duncker, Sohn eines Berliner Kaufmanns, besuchte auf Geheiß seines Vaters zunächst die Handelsschule, trat dann jedoch im Jahre 1801 als Lehrling in die Verlagsbuchhandlung von Georg Voß in Leipzig ein. Neben der buchhändlerischen Arbeit lernte er so die von ihm später kritisierten Leipziger Verhältnisse aus messestädtischer Perspektive kennen. Schon vier Jahre später kehrte Duncker nach Berlin zurück, übernahm die Leitung der 1798 gegründeten Verlags- und Sortimentsbuchhandlung von Heinz Fröhlich. Da der Firmeninhaber nur wenige Wochen darauf starb, mußte Duncker mehr Verantwortung übernehmen,
als er zunächst erwartet hatte. Er führte die Buchhandlung durch die gerade für diese Branche schwierige Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts, bevor ihn die Bekanntschaft mit dem zwei Jahre älteren Peter Humblot, Sohn eines Messerschmiedes, im Jahre 1809 zu dem Entschluß führte, den Verlagsteil der Fröhlichschen Handlung zu erwerben und so gemeinsam mit seinem Freund die Firma Duncker & Humblot zu errichten. In das Verlagsprogramm wurden bevorzugt historische Schriften aufgenommen, Schlosser, Raume und vor allem Ranke zählten später zu den bedeutendsten Autoren des Verlages. Daneben verdankten Gelehrte wie Rosenkranz und Gans oder Wöhler und Riemer einen Teil ihrer Popularität der Verlagsbereitschaft von Duncker und Humblot.
     Als Duncker sich zur Vorstandstätigkeit im Börsenverein bereit erklärte, konnte er sich auf die Unterstützung namhafter Berliner Kollegen verlassen, darunter Ferdinand Dümmler, Theodor Christian Enslin, Ernst Siegfried Mittler und Georg Andreas Reimer. Auch sein Teilhaber, Peter Humblot, gehörte von Anfang an zu den Mitgliedern des Börsenvereins.
     Die Wahl Dunckers zum Vereinsvorsteher fiel denkbar knapp aus: 63 der 115 anwesenden Mitglieder votierten am 4. Mai 1828 für ihn. Noch immer gab es auch Vorbehalte nicht nur zwischen Leipzigern und Auswärtigen, sondern auch zwischen Süddeutschen und Norddeutschen. Duncker versuchte zu
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vermitteln, er nahm die Wahl an und versprach, »dem ehrenden Vertrauen seiner Collegen zu entsprechen, jedes Bestreben nur auf das Gesammtwohl des deutschen Buchhandels zu richten«.3)
     Noch im gleichen Jahr starb Peter Humblot, Duncker mußte von nun an die Leitung der Firma allein übernehmen. Dennoch hielt er an seinen Plänen als Börsenvereins- Vorsteher fest. In der bei Gründung des Vereins verabschiedeten provisorischen Börsenordnung stand als wichtigstes Ziel die Schaffung eines besseren Abrechnungslokales, ein Ziel, für dessen Erreichung bislang nichts geschehen war. Man mußte mit den Leipzigern anders umgehen, nicht bitten, sondern fordern, wenn nötig auch drohen. Seit Leipzig Mitte des 18. Jahrhunderts endgültig Frankfurt am Main als wichtigste Messestadt in Deutschland ablöste, wuchs die Macht der Pleißestädter immer mehr. Auch für Berlin war diese Entwicklung von Nutzen, lag Leipzig doch wesentlich günstiger als Frankfurt. Und die Abwicklung des Geschäftsverkehrs über einen zentralen Ort vereinfachte vieles. Nur, wenn dieser Ort Leipzig sein sollte, dann müßten für die Auswärtigen günstigere Bedingungen geschaffen werden.
     Während der ersten Generalversammlung des Börsenvereins unter seinem Vorsitz, am 17. Mai 1829, entschuldigte Duncker sein noch nicht sehr aktives Vorgehen mit dem schmerzlichen Verlust seines Freundes und
langjährigen Associés. In Zukunft aber wolle er sich besondern der immer drängender werdenden Lokalfrage annehmen. Da auch in diesem Jahr von den Leipzigern kein entsprechender Vorschlag unterbreitet wurde, verfaßte Duncker einen Brief 4) an die Deputation der Messestädter, der augenscheinlich den Charakter einer Kampfschrift trug. In Absprache mit den drei weiteren Vorstandsmitgliedern des Börsenvereins, dem Nürnberger Schrag, dem Weimarer Voigt und dem Königsberger Unzer, forderte er die Leipziger auf, endlich mehr Kollegialität zu zeigen. Andernfalls sei es nicht auszuschließen, daß die Auswärtigen einen anderen Ort für die Abhaltung der Messe wählten. Deutlicher konnte man nicht werden, hier ging es an die Existenz des ganzen Standortes. Namentlich brachte Duncker die Städte Naumburg und Halle ins Spiel. Als Vertreter des preußischen Staates könne er versichern, »daß der preußischen Regierung die Meßverlegung in ihren Staat höchst erwünscht seyn würde, und daß man Alles zu erwarten hätte, was man unter einer guten Aufnahme und Erleichterungen jeder Art wünschen könne«. Auch die Konsequenzen hielt er den Leipzigern vor Augen: »... es liegt am Tage, daß der Leipziger Buchhandel größtentheils aufhören muß zu existieren, wenn Leipzig nicht mehr Meß- und Lagerort des allgemeinen Buchhandels ist.« Und: »Im Namen des gesammtem Buchhandels fordere ich Sie daher zunächst zur Mitwirkung
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für die Erlangung einer angemessenern, geräumigern Börse auf.«
     Keine Frage, die Leipziger mußten reagieren. Wie ernsthaft wirklich eine Verlegung der Messe erwogen wurde, bleibt fraglich. Duncker hat aber pointiert die momentane Machtkonstellation ausgespielt und die Position der Auswärtigen mit den Berlinern an der Spitze gestärkt. In keiner Stadt wuchs die Zahl der Buchhandlungen derart schnell wie in Berlin, es war dies auch eine gute Chance dafür, den Berliner Einfluß in Leipzig zu vergrößern. Ging es jetzt um ein besseres Abrechnungslokal, in Zukunft würden vermehrt auch Fragen des Urheberrechts oder Debatten um Rabatt, Remittenden oder Ladenpreise auf die Tagesordnung gelangen.
     Wie aber verhielten sich die Leipziger? In der Lokalfrage wurde zunächst nur ein Nebenraum zu dem bisher genutzten Hörsaal der Universität dazugemietet. Ansonsten geschah scheinbar wenig, der Dunckersche Brief wurde immerhin mit der Zusage erwidert, für die Zukunft eine Lösung zu suchen.
     Die Postfahrt nach Leipzig im April 1831 war für Duncker die letzte als Börsenvereins- Vorsteher, das Statut sah nur drei aufeinanderfolgende Amtsjahre vor. Noch vor dem Termin der Generalversammlung wollte er den Leipziger Oberbürgermeister aufsuchen, um auch hier die Wünsche der Auswärtigen anzubringen. Auf der Versamm-
lung selbst sollte ein Aufruf an die Leipziger verabschiedet werden, sie mögen ab sofort zum Zwecke der Abrechnung auch das gemeinsame Lokal aufsuchen. Wichtigster Punkt aber war die Annahme einer neuen Börsenordnung. Schon Ende des Jahres 1830 wurde deutlich, daß die Leipziger ihre Position gegenüber dem Börsenverein geändert hatten. Es wurde ihnen klar, daß der Verein nicht zu ignorieren war. Immer mehr Messestädter traten also dem Börsenverein bei, und zur bevorstehenden Statutendiskussion verfaßten sie einen eigenen Entwurf. Da der Börsenverein seinen Sitz in Leipzig habe, solle auch der Vorstand mehrheitlich aus Leipzigern bestehen. Zugleich sollen dessen Vollmachten gestärkt werden, etwa durch die Funktion eines Friedensgerichtes bei Streitigkeiten. Es war ein Skandal, erst kümmerten sich die Leipziger überhaupt nicht um den Börsenverein, und nun wollten sie dessen Herrschaft übernehmen. Der seit zwei Jahren zum Börsenvorstand gehörende Wilhelm Perthes aus Gotha reagierte auf diesen Vorstoß mit dem Vorschlag, den Leipzigern per Statut ein für allemal jegliche Vorstandstätigkeit zu verwehren. Dies ging Duncker zu weit, denn wenn man in Leipzig Verbesserungen erreichen wollte, so ging das nur mit den dortigen Buchhändlern. Eher erschien es ihm ratsam, solche Leipziger in den Vorstand einzubeziehen, die schon lange den Forderungen der Auswärtigen aufgeschlossen gegenüberstanden.
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Keinesfalls aber konnte der Leipziger Entwurf akzeptiert werden, dafür wollte Duncker seine Autorität einsetzen, dafür auch hatte er einen eigenen Entwurf ausgearbeitet. Die Mehrheitsverhältnisse im Börsenverein konnten ihm Sicherheit geben, und als hätte es zuvor keine Diskussionen gegeben, erklärte er den versammelten Mitgliedern: »Was ich Ihnen als Entwurf einer Börsenordnung zur Befestigung und inneren Haltung unseres Vereins vorgelegt habe, hat nicht nur keinen Widerspruch, sondern von allen Seiten so viel Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden, dass ich es eine allgemeine Beistimmung nennen kann.«5) Mit großer Mehrheit wurde der Dunckersche Entwurf angenommen, die Leipziger hatten keine Chance.
     Dann die Wahl des neuen Vorstehers. Perthes verwies auf die Verdienste Dunckers und auf die Sympathien, die auf seiner Person lägen. Zwar seien drei Jahre Amtszeit verstrichen, die Versammlung habe es aber in der Hand, den Vorsteher ein weiteres Jahr zu berufen. Einmütig wurde der Vorschlag begrüßt, das Wort nahm nun Carl Duncker: »Ich bin, meine Herren, nicht unempfindlich für so viel Liebe und Wohlwollen, und doch darf ich mich davon nicht hinreißen lassen (...) Ich kenne die ganze Größe von dem, was Sie mir hier angedeihen lassen, aber dennoch kann ich Ihrem erneuten Ruf nicht folgen.«6) Es gäbe, so Duncker, zahlreiche würdige Buchhändler, die dieses
Amt ausführen könnten, und es sei nur angemessen, wenn man aus diesen einen neuen Vorsteher wählen würde. Gewählt wurde durch Stimmenmehrheit ein Leipziger, der seit 1827 dem Verein angehörende Wilhelm Ambrosius Barth. Barth gehörte zu jenen, die seit mehreren Jahren die Forderungen der Auswärtigen unterstützte. Der Verzicht Dunckers dürfte nicht zuletzt durch die Möglichkeit dieser Wahl eines »wohlwollenden« Leipzigers motiviert worden sein.
     Die Machtkämpfe im Börsenverein waren damit jedoch nicht beendet. Im Gegenteil, noch waren die Berliner stärkste »Fraktion«, Stellvertreter des Vorstehers wurde Georg Reimer, und das Problem eines geeigneten Lokales stand nach wie vor. Indessen, die Leipziger wurden aktiv. Immer mehr traten dem Verein bei, und um die eigenen Belange besser abstimmen zu können, etablierten sie zudem einen lokalen Leipziger Buchhändlerverein. Interessanterweise beschlossen die Leipziger nun von sich aus – ohne die ständig erneuerten Forderungen der Auswärtigen auch nur zu erwähnen – den Bau eines buchhändlerischen Börsenhauses. Von Berlin aus konnte man dieser Entwicklung nur erstaunt zusehen. Es schien jetzt Taktik der Leipziger zu sein, am Börsenverein vorbei solche Aktivitäten zu beginnen, die ihre Position dennoch auch im Börsenverein stärkten.
     Dunckers Engagement ging auch nach der
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Wahl eines neuen Vorstehers weiter. Es wurde ein Ausschuß gebildet, der gemeinsam mit dem Leipziger Verein die Angelegenheit des Börsenbaus regeln sollte. Diesem Ausschuß und darin besonders auch der Arbeit Dunckers ist es zuzuschreiben, daß es dem Börsenverein gelang, das 1836 fertiggestellte Haus in den Besitz des Vereins zu bringen. Die Leipziger wollten das Haus ursprünglich nur mietweise den Auswärtigen überlassen. Dieser Streit war noch ein Erfolg gegenüber Leipzig, ähnlich wie bei der Herausgabe eines buchhändlerischen Branchenblattes. Obwohl eine solche Zeitschrift durch einen entsprechenden Beschluß des Börsenvereins bereits vorbereitet wurde, gaben die Leipziger ab 1834 ein eigenes »Börsenblatt« heraus. Erneut mußte der Börsenverein intervenieren, erneut mußten die Leipziger nachgeben: »Wir achten die freundlichen und vertraulichen Verhältnisse zwischen uns und unsern auswärtigen Herren Kollegen zu hoch, um nicht in einem Konflikte der Meinungen gern zurücktreten zu wollen.«7)
     Inzwischen aber war der Gegensatz zwischen Börsenverein und den Leipziger Interessen immer mehr geschwunden. Nahezu alle dortigen Buchhändler gehörten ihm an, so daß Mitte der 30er Jahre Leipzig den größten Mitgliederanteil einer Stadt stellte. Hinzu kam die personelle Präsenz von Leipzigern in wichtigen Positionen, die sich aus dem Sitz des Börsenvereins ergab. Zwar beteuerten die Leipziger und mit ihnen der
Börsenverein und sein Organ, das Börsenblatt, immer wieder ihre Unparteilichkeit. Dennoch machte sich unter den Auswärtigen Enttäuschung breit: Schien es zunächst so, als ob der Börsenverein wirklich auch die Interessen der Allgemeinheit vertreten könnte, so glaubte man sich nun betrogen. Die geschäftliche Zusammenarbeit hielt die meisten von einem Austritt aus dem Verein ab, nach und nach entstanden aber lokale regionale Spezialvereine, um die eigenen Interessen – auch gegenüber dem Börsenverein – vertreten zu können.
     Die Berliner Hoffnungen auf verstärkten Einfluß in Leipzig, die während der Amtszeit von Carl Duncker entstanden waren, währten also nicht lange. Noch im Jahre 1834 sahen sich die Berliner Buchhändler veranlaßt, eine eigene Zeitschrift herauszugeben, das »Organ des Buchhandels«, redigiert von Heinrich Burchhardt. Immer wieder drückt sich in diesem Blatt die Verbitterung über die erneute Eigenmächtigkeit der wiedererstarkten Leipziger aus. Mit Bezug auf die für Leipzig parteiische Tendenz des Börsenvereins- Blattes heißt es: »Wer gab den Deputierten zu Leipzig das Recht, ein Blatt, welches dem ganzen deutschen Buchhandel angehören soll und von ihm erhalten wird, ihrer Privat- Censur zu unterwerfen und mit Beeinträchtigung des allgemeinen Interesses durch ihre einseitige Scheere nach Gefallen zu beschneiden?«8) Nach mehreren lokalen Vereinsgrün-
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dungen vorwiegend im süddeutschen Raum gründeten im Jahre 1848 auch die Buchhändler der preußischen Hauptstadt ihre »Corporation«. Erster Vorsteher: Georg Reimer. Carl Duncker, der, inzwischen 67jährig, noch immer allein seiner Firma vorstand, konnte sich nicht zu einer Mitgliedschaft in der Berliner Korporation entschließen. Seit Ende der 30er Jahre hatte er mehrmals Funktionen im Vorstand des Börsenvereins in Leipzig übernommen, um so die Idee einer überregionalen Branchenorganisation deutscher Buchhändler aufrecht zu erhalten.

Anmerkungen und Quellen:
1     Carl Christian Horvath (1752–1837), Verlagsbuchhändler aus Potsdam, hatte seit 1797 jährlich auf private Initiative für die Messe- Abrechnungen einen Hörsaal der Universität Leipzig angemietet.
2     Die Mitgliederlisten des Börsenvereins haben sich erhalten, sie befinden sich im Bestand des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig, BdB Nr. 562-571.
3     Protokoll der Generalversammlung des Börsenvereins 1828, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, BdB 376
4     Brief Dunckers an die Leipziger Deputation vom 30. November 1829, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, BdB 383
5     Protokoll der Generalversammlung des Börsenvereins 1831, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, BdB 376

6     Ebenda
7     Schreiben des Leipziger Vereins an den Börsenvorstand vom 22. April 1834, Sächsisches Staatsarchiv, BdB 383
8     Organ des Buchhandels, Berlin, 3. September 1836, S. 273
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