83   Porträt Ehrenbürger Streckfuß  Nächste Seite
Gerda Faust
Lyriker und Politiker

Der Ehrenbürger Adolph Streckfuß
(1779–1844)

Am 12. Februar 1820 befahl Friedrich Wilhelm III. per Kabinettsordre die Bildung einer Kommission zur schleunigen Ausarbeitung einer Kommunalordnung. Zu ihrem Mitglied wurde Adolph Friedrich Carl Streckfuß berufen. Wenngleich die Kommission an der Aufgabe einer Reformierung der feudalen Verwaltung des flachen Landes scheiterte, in bezug auf die Städteordnung vermochte sie Vorschläge zu entwickeln, die von den kommunalen Selbstverwaltungsorganen der Städte in der Regel als Beseitigung einiger Mängel der Steinschen Städteordnung empfunden wurden. Auf den Bereich dieser Kommissionsarbeit nahm Streckfuß entscheidenden Einfluß. So forderte die Kommission unter anderem für jede Stadt das Recht, mit Genehmigung des Staates ein Ortsstatut zu vereinbaren. Von entscheidender Bedeutung für den Erwerb des Bürgerrechts war der Kommissionsvorschlag, daß mit der Einführung der Gewerbefreiheit die wirtschaftliche Bedeutung des Bürgerrechts hinfällig geworden und das einzig verbliebene Recht des Bürgers die Teilnahme an der kommunalen Selbstverwaltung sei.

Den Notabeln unter den Schutzverwandten, den Staatsdienern, Geistlichen und Gelehrten sollte der Erwerb dieses Rechtes erleichtert werden. Dies hätte für die Zukunft einen beträchtlichen Anstieg der wahlberechtigten Bürger Berlins zur Folge gehabt. Zum Verhältnis Stadtverordnetenversammlung und Magistrat setzte sich Streckfuß in der Kommission mit seinem Standpunkt durch, wonach die Stadträte, also der Magistrat, besoldete Diener der Bürgerschaft seien und deshalb in der Regel die Beschlüsse der Stadtverordneten auszuführen waren, mit Ausnahme solcher Beschlüsse, die Anleihen, Veräußerung von Gemeingütern betrafen oder ungesetzliche Zumutungen der Stadtverordneten beinhalteten. Wenngleich die Bestrebungen der Kommission in vielen Bereichen am Widerstand der Konservativen scheiterten oder doch zumindest behindert wurden, trugen ihre Bemühungen zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung bei. Dabei kam Streckfuß eine Schlüsselstellung zu. Zum einen erfreute er sich aufgrund seines Wissens und Fleißes, aber auch seiner Loyalität gegenüber dem preußischen König höchster Anerkennung bei seinen Vorgesetzten. Sie zeichneten ihn als »Ritter des Roten Adlerordens dritter und zweiter Klasse mit Eichenlaub« aus. Zum anderen erwarb er sich in seiner ministeriellen Tätigkeit bei der weiteren Entwicklung und Durchsetzung der auf Selbstverwaltung beruhenden Städteord-
SeitenanfangNächste Seite


   84   Porträt Ehrenbürger Streckfuß  Vorige SeiteAnfang
nung vom 19. November 1808 nach den Ideen des Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein auch das Vertrauen und die Dankbarkeit der Städte, insbesondere Berlins. Als Adolph Streckfuß am 9. März 1843 aus dem Staatsdienst ausschied, verliehen ihm die Kommunalbehörden in Würdigung seiner Verdienste um die kommunale Selbstverwaltung die Berliner Ehrenbürgerschaft.
     Obgleich sein Wirken mit Preußen und Berlin verbunden war, stammte Streckfuß aus dem Thüringischen. Als Sohn eines Buchhalters am 20. September 1779 in Gera geboren, besuchte er das Stiftsgymnasium in Zeitz, wo er das Reifezeugnis zum Studium der Wissenschaften erwarb. Danach studierte er von 1797 bis 1800 an der Leipziger Universität Jura und begann seine Laufbahn im Justizamt Dresden. 1801 bis 1803 arbeitete er in Triest bei seinem Onkel als Hofmeister und beschäftigte sich gründlich mit der italienischen Literatur und Sprache. Von Triest übersiedelte er nach Wien und begann in der österreichischen Hauptstadt frei literarisch zu arbeiten. Er schrieb lyrische Gedichte, Romane und Sonette mit romantischem Einschlag, die jedoch von der zeitgenössischen Kritik sehr unterschiedlich bewertet wurden. Im Jahre 1806 kehrte er nach Sachsen zurück. Hier wurde er zunächst Advokat, dann Gerichtsaktuar, später Sekretär bei der Stiftsregierung in Zeitz. Im Jahre 1812 als Geheimer Regierungssekretär nach Dresden versetzt und 1813 zum Gehei-
men Referendar befördert, berief ihn das provisorische – erst russische, dann preußische – Gouvernement in die Finanzabteilung. Nach der Teilung des Königreichs Sachsen im Jahre 1815 arbeitete Streckfuß als Geheimer Finanzrat und Erster Regierungsrat in Merseburg. Im Jahre 1819 wurde er nach Berlin berufen und wirkte im Ministerium des Innern als Geheimer Regierungs- und Vortragender Rat und ab 1823 als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat. 1840 berief man ihn zum Mitglied des Preußischen Staatsrates. Am 9. März 1843 schied er 64jährig aus dem Staatsdienst aus und übersiedelte zurück nach Zeitz. Noch einmal nach Berlin gereist, ist Adolph Streckfuß hier am 26. Juli 1844 verstorben.
SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de