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gungen, Standort, Temperaturverhältnisse, Wasserdargebot, Nährstoffangebot usw. bei jedem Baum anders sind, kann man Gewißheit über das Alter des Baumes letztlich nur auf diese Weise erhalten. Aber ein solches Verfahren schließt sich natürlich von selbst aus. Die Experten behelfen sich daher mit einer vergleichenden Jahresringanalyse, wobei in der Nähe stehende abgestorbene Eichen vermessen wurden, um daraus auf das Alter der »Humboldteiche« zu schließen. Zusammen mit der »Pollenanalyse« (ein Verfahren, bei dem man mit Bohrungen Bodenproben aus unterschiedlichen Tiefen gewinnt, die auf Pollen untersucht werden, die wiederum Aufschluß über die Vegetation in längst vergangenen Zeiten geben) und der Analyse historischer Quellen ergibt sich eine recht zuverlässige Altersbestimmung. Die »Humboldteiche« hat danach ein Alter von ca. 400–500 Jahren. Die Vermutung einer Berliner Zeitung1), daß die Eiche vom Vater der Humboldtbrüder, Alexander Georg von Humboldt (1720–1779), gepflanzt worden sei, hält also keiner Prüfung stand, denn dann wäre sie heute maximal 250 Jahre alt. Vielmehr stammt die Eiche aus dem Mittelalter, als die Laubmischwälder des Gebietes um Berlin durch Waldauflichtung und Weidewirtschaft verändert wurden. Im Gebiet um den Tegeler See traten Wacholder und Heidekraut stärker hervor, kleinwüchsiger Trockenrasen entwickelte sich auf freien Sandflächen.
Hainer Weißpflug
Die »Humboldteiche« im Schloßpark Tegel

Versteckt hinter den Mauern des Schlosses Tegel, eingerahmt von einer Lindenallee im Süden und von dem inzwischen immer mehr verwildernden Park im Norden, steht auf einer großen Wiese eine wunderschöne alte Eiche – die »Humboldteiche«.
     Mit einem Stammumfang von sechseinhalb Metern, einem Durchmesser von 2,10 Metern und einer Höhe von ca. 25–30 Metern prägt diese als »Humboldteiche« bekannte Stieleiche (Quercus robur) das Gelände hinter dem Schloß Tegel. Seit 1939 ist sie als Naturdenkmal geschützt und heute nach der »Verordnung zum Schutz von Naturdenkmalen in Berlin vom 2. März 1993« als NDM XX-25/B registriert. 1970 wurde die Eiche, die schon deutliche Spuren ihres hohen Alters zeigte – Astbrüche, starker Anteil abgestorbener Äste und Befall durch den Schwefelporling – für 6 000 Mark gründlich saniert. Bruchschäden und abgestorbenes Holz sind beseitigt, und der hohle Stamm ist mit Eisenstreben gesichert worden. Exakte Messungen des Alters dieser Bäume kann man nicht durchführen, weil das bedeuten würde, den Baum zu fällen, um die Jahresringe zu zählen. Da unterschiedliche Wachstumsbedin-

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Freistehend aufwachsende Bäume prägten das Landschaftsbild. Die »Humboldteiche« und die »Dicke Marie« sind als Relikte des mittelalterlichen Landschafts- und Waldbildes zu betrachten. Interessant ist die in der Literatur vertretene These, daß diese Bäume als Grenzbäume zwischen den Gemarkungen Tegel und Heiligensee fungiert haben sollen und deshalb

bei den mittelalterlichen Waldrodungen verschont wurden. Noch gibt es aber dafür keine schlüssigen Beweise. Das Alter der Eiche fällt zusammen mit den ältesten verbrieften Nachrichten über das Gut Tegel. Es ist wohl entstanden in der Regierungszeit von Joachim II. (1505–1571; Kfst. 1535). Als im Jahre 1558 das Spandauer Nonnenkloster aufgelöst wurde und aller Besitz an den Kurfürsten fiel, wurde das Gebiet nordwestlich der Großen Malche als Tegeler Gut einschließlich der Tegeler Mühle dem Amt Niederschönhausen zugeteilt. 1578 wird der Kurfürstliche Sekretär Hans Bredtschneider als Besitzer des Gutes Tegel genannt. Aus der wechselvollen Geschichte des Gutes ragen zwei Perioden besonders hervor. Zum einen sind das die unter Friedrich II. (1712–1786; Kg. 1740) unternommenen Versuche der Maulbeerbaum- und Seidenraupenzucht. Pächter wie Christian Ludwig Möhring, Arnold Alexander Imbert und Johann Friedrich Struwe bemühten sich vergeblich, die mit dem Pachtvertrag verbundenen Auflagen zur Anpflanzung von Maulbeerbäumen zu realisieren. Zeitweise sollten 6 000 Bäume auf dem Gut stehen. Friedrich II. äußerte in einem Brief an den Kriegs- und Domänenrat von Rademacher

Die »Humboldteiche« im Schloßpark Tegel
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seinen Unmut über die Nichterfüllung seiner Auflagen: »Es gehet nun diese Etablissement jetzo schon in die fünfte Hand, ohne daß der Verbindlichkeit der Erbverschreibung genügt worden, nach welcher excl. der Hecken und Baumschule 6 000 Stück 6 bis 7jähriger Maulbeerbäume angesetzt und diese Plantage in drei Jahren in den Stand gebracht werden soll ...«2) Das Gut war zu dieser Zeit im Besitz der Brüder von Holwede. Als der letzte der Brüder – Friedrich Ernst von Holwede – 1756 verstarb und dessen Witwe sich ein Jahr später erneut vermählte, beginnt die zweite bedeutsame Periode in der Geschichte des Gutes Tegel. Holwedes Witwe heiratet den Königl. Kammerherrn und Obrist- Wachtmeister der Kavallerie Alexander Georg von Humboldt. Es begann damit eine Zeit, in der Gut und Schloß Tegel Herberge berühmter Persönlichkeiten war. Der Kammerherr Alexander Georg von Humboldt war bekannt und beliebt, was zur Folge hatte, daß höchste Berliner Kreise, u. a. der Prinz von Preußen, auf Schloß Tegel weilten. Goethe besuchte 1778 in Begleitung des Herzoges Karl August von Sachsen Schloß Tegel. Schloß und Gut Tegel wurden damit zu einer bekannten Adresse in Berlin und Preußen.
     Zugleich bemühte sich der Vater der Humboldtbrüder um die Gestaltung des Gutes selbst. Neben der Arbeit zur Verbesserung der Erträge aus Landwirtschaft und Seidenraupenzucht widmete er sich auch
der unmittelbaren Umgebung des Schlosses. Er nahm wesentlichen Einfluß auf das Entstehen des Parkes. So ließ er eine Allee mit 146 Linden pflanzen, die vom Schloß in Richtung Tegeler See führt. Es ist jene oben erwähnte Allee, die bis in jüngste Zeit als Naturdenkmal geschützt war. Erst in der »Verordnung zum Schutz von Naturdenkmalen in Berlin vom 2. März 1993« wird sie nicht mehr als Naturdenkmal ausgewiesen. Aber auch sonst ließ Alexander Georg von Humboldt viele Bäume im Schloßpark pflanzen. Unterstützt wurde er dabei vom Erzieher der Humboldtbrüder und späteren Staatsrat Gottlieb Christian Kunth, der als Pflanzenliebhaber und Gärtner Anregungen gab und selbst manchen Baum im Park pflanzte. Diese besondere Liebe der Humboldts zu alten Baumbeständen und seltenen Pflanzen und wohl auch die Tatsache, daß die Söhne Alexander und Wilhelm von Humboldt im Schloßpark ihre Kindheit verbrachten, ist wohl als Grund für den Namen »Humboldteiche« anzusehen. Neben der Familiengrabstätte am Ende des Parkes erinnert sie an jene für Schloß und Park Tegel so bedeutsame Periode, als die Humboldts hier lebten.

Quellen:
1     »Berliner Morgenpost« vom 9. April 1986
2     August Wietholz: Das Rittergut und Schloß Tegel. Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 48. Jahrgang 1931, Heft 3

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