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Maria Curter
28. Februar 1892:
Rudolf Diesel erhält Patent für selbstzündenden Motor

Gerade mal sechs Jahre waren vergangen, seit Carl Benz das »Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb« vorführte, als der 34jährige Maschinenbau- Ingenieur Rudolf Diesel sich »Arbeitsverfahren und Ausführungsart für Verbrennungskraftmaschinen« (DRP 67207) am 28. Februar 1892 beim Kaiserlichen Patentamt schützen ließ – heute als Dieselmotor bekannt.
     Das »Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen ist dadurch gekennzeichnet, daß in einem Cylinder vom Arbeitskolben reine Luft oder anderes indifferentes Gas (bezw. Dampf) mit reiner Luft so stark verdichtet wird, daß die hierdurch entstandene Temperatur weit über der Entzündungstemperatur des zu benutzenden Brennstoffes liegt, worauf die Brennstoffzufuhr vom todten Punkte ab so allmälig stattfindet, daß die Verbrennung wegen des ausschiebenden Kolbens und der dadurch bewirkten Expan-

sion der verdichteten Luft (bezw. des Gases) ohne wesentliche Druck- und Temperaturerhöhung erfolgt, worauf nach Abschluß der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Arbeitscylinder befindlichen Gasmasse stattfindet.«
     Der Treibstoff wurde bei diesem Verfahren nicht mehr wie bei dem schon 1876 von Nikolaus Otto entwickelten Motor durch

Rudolf Diesel, 1883

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Rudolf Diesels Notizen zur Wärmetheorie aus dem Jahre 1879
einen Funken gezündet, sondern durch die Hitze des im Zylinder verdichteten Gasgemisches.
     Der am 18. März 1858 als Sohn deutscher Eltern in Paris geborene Rudolf Christian Karl Diesel beschloß 14jährig, Ingenieur zu werden und studierte mit Unterstützung eines Onkels ab 1875 Maschinenbau in Augsburg und München. Während dieser Zeit entstanden Notizen zur Wärmetheorie und die Idee, einen Motor für das Kleingewerbe zu entwickeln. Die Dampfmaschine
schien dafür ungeeignet und effektiver in der Großindustrie. Nach erfolgreichem Studium arbeitete er beim Kältetechniker Professor Carl von der Linde, wurde sein Geschäftsvertreter zunächst in Frankreich. Am 21. Februar 1890 traf Diesel als solcher für Deutschland in Berlin ein und wohnte am Kurfürstendamm 113. Kurz nach Erhalt des Patentes siedelte er im März 1892 in eine kleinere Wohnung in der Brückenallee 15 über. Hier entstanden grundlegende Schriften zu seinem verbrennungstechni-
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schen Verfahren, mit denen er die Öffentlichkeit zu überzeugen suchte.
     Um diesen Motor bauen zu können, wurde viel Geld gebraucht, was die finanziellen Möglichkeiten Diesels bei weitem überstieg. Er schrieb an die Maschinenfabrik in Augsburg (MAN) und an Friedrich Alfred Krupp in Essen. Im Februar und April 1893 kam es zwischen Diesel und den beiden Unternehmen zu Verträgen über die industrielle Verwertung des Patentes. Beide Firmen bildeten ein Konsortium Augsburg- Krupp, um die Versuche in einem gemeinsamen Laboratorium durchzuführen, und übernahmen zu gleichen Teilen die Kosten für den Bau eines Versuchsmotors. Rudolf Diesel leitete die Arbeiten im Laboratorium, das in Augsburg eingerichtet wurde.
     Fünf Jahre nach der Patentierung – vor 100 Jahren – war es am 17. Februar 1897 so weit. Der neue Viertaktmotor ohne Zündung und Vergaser lief mit Lampenpetroleum. Der Erfinder kümmerte sich auch weiterhin selbst um die Vermarktung. Im Februar 1898 verhandelte er – wiederum in Berlin – mit dem russischen »Petroleumkönig« Emanuel Nobel (dem Neffen von Alfred Nobel) über die Herstellung und den Vertrieb seines Motors in Rußland und unterzeichnete einen entsprechenden Vertrag.
     Der Dieselmotor, der mittlerweile mit dem billigeren Rohöl lief, wurde im Kleingewerbe zum verbreiteten Antriebsmittel und ne-
ben dem Ottomotor Grundlage für die Entwicklung des Autos im 20. Jahrhundert.
     Lizenzen gingen in viele Länder und machten den Erfinder zum Millionär. Ein amerikanischer Fabrikant zahlte ihm alleine für die Lizenz eine Million Dollar. 1912 nahm die preußisch- hessische Staatsbahn die erste Diesel- Lokomotive in Betrieb. 1934 kam der erste dieselbetriebene PKW auf den Markt. Heute ist dieser Motor aus Industrie und Verkehr nicht mehr wegzudenken. Er treibt Lokomotiven und Schiffe an, dient stationären Anlagen als Antrieb und Stromerzeuger.
     Und Rudolf Diesel selbst? Das Vermögen, das er mit seinem Motor gemacht hatte, verlor er an den Börsen von Berlin, Paris, London und New York. Finanziell war er damit ruiniert. Am 29. September 1913 verschwand er auf der Überfahrt von Antwerpen nach Harwich von Bord der »Dresden«. Die vermutliche Leiche des 55jährigen wurde am 18. Oktober 1913 am Strand von Vlissingen am Ärmelkanal gefunden. Wahrscheinlich war er ertrunken.

Bildquelle: Archiv des Autors

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