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14. Jahrhunderts regelmäßig mit ein. Kaiser Friedrich II. (1194–1250) hatte den Deutschen Orden 1226 mit der Ausübung herrschaftlicher Gewalt in Nordosteuropa beauftragt. Das Herzogtum Pomerellen (in Westpreußen) gewährte den Ordensrittern eilfertig und urkundlich seit 1226 jegliche Freiheit des Reise- und Botenverkehrs zur Briefbeförderung. Überliefert ist, daß dem Deutschen Orden im 13. Jahrhundert sehr an schneller Beförderung seiner Korrespondenz gelegen sein mußte. Auf ihren Wegen zwischen den weitverteilten Ordenshäusern sollten die Boten immer umsonst von Fährleuten übergesetzt werden. 1)
Die Ordensbrüder waren als Postboten überwiegend zu Fuß unterwegs, nicht etwa nur zu Pferde, wie man bei einem Ritterorden annehmen möchte. Der Orden mied zuzeiten die Nachteile, die Pferde mit sich brachten, nämlich Kosten für Futter, Unterbringung, Erkrankung etc. »Es ist darum im Zusammenhang mit Ordensbriefen, die z. B. nach Deutschland, Italien oder Ungarn gingen, so gut wie nie von Boten zu Pferd die Rede; expressis verbis bestimmen >Läufer< bzw. >Boten< das Bild der Auslandsverbindungen.« 2)
     Abbildung 1 zeigt allerdings einen »Bryffstall« (Postkontor), in dem ein bewaffneter »Bryffjonge« (Briefjunker) Kurierpost zur berittenen Beförderung erwartet. Diese Ordens-Briefboten galten als absolut verläßlich und pünktlich, »baute doch das Postsystem der Deutschritter – gleich einem mo-
Friedrich Kleinhempel
Berliner Briefboten – treu und unter Waffen

Der Fernhandel und das dazu nötige Kommunikationswesen hatten bereits in der frühen Stadtentwicklung Berlins und Cöllns an der Spree beträchtlich zugenommen.
     Land- und flußfahrende Kaufleute betätigten sich als Nachrichtenüberbringer; oder sie beauftragten eigens Boten mit der Briefbeförderung gegen Bezahlung. Stadtverwaltungen, Gilden, Zünfte, Militär, die Geistlichkeit – ihr intensiver werdender schriftlicher Informationsaustausch war in mittelalterlichen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen unabdingbar geworden. Die zunächst noch wenigen, ausschließlich Briefbotentätigkeit Verrichtenden bedurften bald kollegialer Verstärkung. Die Stadt brauchte solche und erhielt sie zunächst von den Rittern des Deutschen Ordens.
     Der Deutsche Ritterorden, gegründet 1148, der seit längerem ein eigenes, ausgefeilt organisiertes Nachrichten- Übermittlungsnetz zwischen seinem Hauptsitz Marienburg, allen Komtureien und Ordensburgen, zu Städten und Dörfern, fernen Residenzen und Handelsstädten in West- und Ostpreußen, Pommern sowie mehr und mehr europaweit betrieb, bezog Berlin gegen Ende des

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   11   Probleme/Projekte/Prozesse Berliner Briefboten  Vorige SeiteNächste Seite
dernen Fahrplan – auf gesicherte Anschlüsse auf. Für eilige und wichtige Sendungen gab es bereits einen Expreßdienst.« 3)
Zuverlässigkeit und Tempo hatten jedoch ihren Preis in hohen Portokosten, beispielsweise 20 Golddukaten für eine Briefstafette von Marienburg nahe Danzig über Thorn, Breslau, Wien, Leoben und Venedig bis nach Rom zum dortigen Ordensprokurator oder zum Papst. Zusätzliche effiziente Postverbindungen erhielt Berlin-Cölln im 14. und 15. Jahrhundert nach Nord-, West- und Süddeutschland mit dem Beitritt zur Norddeutschen Hanse sowie deren enger Verbindung zum Rheinischen Städtebund. Der Historiker Steinwasser schreibt: »Die Hanse besaß eine zusammenhängende Botenanstalt, deren Pünktlichkeit bei der Einhaltung der vorgeschriebenen Beförderungszeiten der Post für die übrigen Einrichtungen vorbildlich war. Sie konnten sich nach den festen An- und Abreiseterminen der Hanseboten richten und auf ihren abzweigenden Poststrecken eine durchgehende pünktliche Postzustellung gewährleisten.« 4)
     Als geistige Zentren pflegten die Klöster, Äbte und Bischöfe regen Postaustausch.
     Einige der Klöster hatten im 14. Jahrhun-

dert beträchtliche ökonomische Bedeutung erlangt – als Belieferer der Märkte mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Zisterzienser des Klosters Zinna besaßen das Monopol als alleinige Kalk-Lieferanten für das gesamte Baugeschehen in Berlin-Cölln aus ihren Rüdersdorfer Kalkbergen. Als Boten sandte man Mönche auf die dazumal langen Wege über Land und ließ ihnen eigens »Mansionen« einrichten – Herbergen für Bewirtung und Unterkunft. Auch in Berlin, der unterdessen politisch und wirtschaftlich bedeutendsten Stadt der Mittelmark, unterhielten die auswärtigen geistlichen Institutionen für ihre reisenden Kleriker und Mönche solche Absteigequartiere. Die in Zinna landsässigen Zisterzienser besaßen einen Quartier- und Wirtschaftshof unmittelbar am Stralauer Tor, das Kloster Lehnin unterhielt einen neben dem Dominikanerkloster zu Cölln an der Spree, da wo sich später das Schloß erhob.
     Mit dem Bezug des kurfürstlichen Schlosses auf der Cöllner Spreeinsel im Jahre 1451 übernahmen darin die Kanzlei und die Amtskammer die Zuständigkeit für die Korrespondenz des Hofes und der Staatsverwaltung.

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Boten standen aus dem mannigfachen Schloßpersonal zur Verfügung. Allmählich rekrutierten sich daraus die Anfänge des später streng geordneten kurfürstlichen Briefbotenwesens. Kurfürst Albrecht Achilles (1414–1486) ließ Boten mehrmals wöchentlich zwischen seinen verstreut liegenden Landesgebieten und seinen Hofhaltungen in Berlin und Ansbach/Bayreuth reiten. Nachdem Kurfürst Joachim I. (1484–1535) 1499 für ständig mit dem Hof und der brandenburgischen Regierung in die Mark Brandenburg gekommen war, hatte für die Berliner Boten eine neue Zeit begonnen. Im Gefolge des Hofes kamen Diplomaten, Unterhändler, Geistliche und Gelehrte, in beträchtlichem Maße wurde korrespondiert. Mit den freien »Ordinariboten« bildete sich späterhin folgerichtig neben den kurfürstlichen Boten des Hofes ein neuer Berufsstand mit hohen Anforderungen und in zunftähnlicher Korporation heraus. Gemäß ihrer Ordnung sollte »keiner zum Boten genommen werden, wenn er nicht ziemlich schreiben und lesen könne«. 5)
     Ab 1504 übernahm der amtsgewichtige kurfürstliche Kanzleiknecht zugleich die Funktion eines Botenmeisters. Seine Kanzleiboten mußten einen besonderen Eid schwören und sich streng anleiten und überwachen lassen. Sie durften nicht auf eigene Rechnung Botschaften mitnehmen, mußten Briefgeheimnisse zuverlässig hüten, sich nicht bestechen lassen und sollten unter-
wegs nicht saufen oder lügen. (Das ausgiebige Stillen ihres stets »gewaltigen Durstes« und ausdauerndes Erzählen ihrer Abenteuer gehörten wohl zu den teils derben Sitten der Langläufer.) Den Dienst der kurfürstlichen und Ordinariboten konnten auf Dauer nur harte, ausdauernde Männer leisten.
     Die Tour von Küstrin nach Onolzbach in Franken (ca. 510 Kilometer) zum Beispiel mußten des Kurfürsten »ordentlich bestellte Boten« in 24 Tagen (inklusive je eines Ruhetages in Beeskow, Torgau, Leipzig, Saalfeld, Coburg, Bayersdorf) zurücklegen. »Sie marschierten täglich etwa 30 km auf vorgeschriebenen Wegen, mit einem bis 60 Pfund schweren Postsack behangen.« 6)
     Die Geheimratsordnung aus dem Jahre 1580 legte die Tätigkeiten für einen »Botenmeister« fest. Sie gilt als die Bestätigung der Existenz der kurfürstlichen Botenanstalt im Schloß. Neue Vorschriften für den Kurfürstlichen Botenmeister bestimmte die »Ordnung für die Geheimen Kurfürstlichen Räte« vom Dezember 1604. Um mehr Raum zur Verfügung zu haben, zog die Botenanstalt aus dem Schloß aus. Quellen nennen dafür die Jahre 1608 und 1613. Zum neuen Domizil wurde die »Domdechanei« in Cölln an der Spree, Brüderstraße 4. Der damalige Botenmeister Christoph Frischmann erhielt sie vom Kurfürsten geschenkt. Die Post-Entwicklung vollzog sich nun rasch. Vom 20. Juni 1614 stammt die erste umfassende kurfürstliche Botenordnung. 26 Boten wurden eingestellt,
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darunter drei »Silberboten«, welche auserwählt waren, – mit besonderem Abzeichen ausgestattet – die Korrespondenz des Hofes und höchster Amtsträger befördern zu dürfen. Diese Ordnung enthielt Wege zu 44 Orten, für deren Zurücklegen feste Besoldungstarife der Boten angeordnet waren. 7)
     Zur historisch bedeutenden Figur ist Christoph Frischmann (1575–1618) geworden, einer der ersten Berliner Boten- und Postmeister. Er richtete während seiner Dienstzeit (1600–1618) neue Botenlinien ein, optimierte die Tourenplanung, veranlaßte die Anfertigung neuartiger Land und Wegekarten sowie erforderliche infrastrukturelle Einrichtungen wie Botenstationen, Postlager, Wegeausbau und Beförderungsnachweise. Der von ihm 1616 begründete Botenkurs von Berlin nach Königsberg gewann bald zentrale Bedeutung und funktionierte schnell und zuverlässig. Der Kurfürstliche Botenmeister war eine wichtige Person mit weitreichenden Vollmachten. Er zählte zum kleinen Kreis derer, die schreiben und lesen können, korrespondenzgewandt, »höflich« im Wortsinn sowie absolut verläßlich sein mußten – eine hochrangige Vertrauensstellung! Christoph Frischmann gilt auch als Berlins erster Zeitungsverleger und Chefredakteur. Er vollzog den historischen Schritt vom handgeschrie-

benen regelmäßigen Mitteilungsblatt zur ersten gedruckten Berliner Wochenzeitung.
     Die achtseitige, noch titellose Ausgabe Nr. 36 von August/ September 1617 dieser »Frischmannzeitung« ist noch erhalten.8) Das Wochenblatt brachte, wie sein handgeschriebener Vorgänger, nur auswärtige Nachrichten, die die Boten dem Postmeister von unterwegs mitbrachten und die er auf Grund seiner guten Beziehungen zu auswärtigen Diplomaten erhielt. Nach seinem Tode übernahm sein Bruder Veit Frischmann den Posten.
     Der Bedarf an rascher Briefbeförderung wuchs stetig, vor allem außerhalb des kurfürstlichen Hofes. Nach Leipzig und Hamburg beispielsweise schickte Frischmann 1618 zusätzliche Boten, zunächst privat und auf eigene Rechnung, später ließ er Pferde anmieten und Boten reiten, um das Beförderungstempo zu erhöhen.
     Während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) richteten Schweden gut organisierte Postkurse in Deutschland ein, die ab 1630 auch über Berlin führten. Schwedische Dragoner beförderten als Feldpostkuriere Befehle und andere militärische Korrespondenz, aber auch Privatpost. »Postschwede« wurde damals zur volkstümlichen Bezeichnung für Postboten. Für politisch- militärische Verbindungen wurde 1634 die erste regelmäßig reitende Post zwischen

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Cölln an der Spree und Crossen (später bis Glogau) eingerichtet, gleichen Zweck verfolgte ab 1635 eine tägliche Botenpost von Berlin über Spandau und Rathenow nach Tangermünde. Berühmt wurde das Flugblatt mit dem legendären »Freud- und Friedenbringenden Postreuter«, das anläßlich der Unterzeichnung der Hauptverträge zum Kriegsende zwischen Schweden und dem Kaiser in den Gesandten- Quartieren in Mün- ster und Osnabrück am 25. Oktober 1648 erschien.
     Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) vom Nutzen eines straff organisierten, landesweit verzweigten, einheitlichen Postsystems überzeugt. Pläne zur staatlichen Übernahme und Vereinigung des gesamten Botenpostwesens entstanden. Nicht mehr nur Hofkorrespondenz war durch die neue Post zu vermitteln. »Weil zuvörderst dem Kauf- und Handelsmanne hoch und viel daran gelegen« sei, ordnete der Große Kurfürst den durchgehenden öffentlichen preußischen Postkurs von Memel im Osten über Königsberg und Berlin bis hin nach Bielefeld und Cleve im Westen an. Entsprechendes General-Postpatent erhielt der Postmeister am 30. Juli 1649.
Dieser 1 500-Kilometer- Fernpostkurs war die erste größere Maßnahme auf dem Weg zu neuartiger Postorganisation. Endgültig hob der Große Kurfürst 1651 sein Postwesen in den Rang einer Staatspost: Mit seinem eigenen Postregal setzte er sich über habsburgisch- kaiserliche Postreservatsrechte hinweg und verbot dem berühmtberüchtigten kaiserlichen Generalpostmeister von Thurn und Taxis jede postalische Aktivität im Kurfürstentum.
Unterwegs mit Botenschild, Botentasche, Spieß und einem Hund als schützendem Begleiter
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Der »Freud- und Friedenbringende Postreuter« verkündet das Ende des Dreißigjährigen Krieges.
Im 15. und 16. Jahrhundert galten Postboten als wohlbestallte, respektgebietende Personen. Zumeist fest angestellt und oft sehr anstrengenden Dienst verrichtend, wurden sie gut entlohnt. Mancher verstand es, sich unterwegs mit privaten Boten- Gefälligkeiten obendrein schadlos zu halten. Ihre dekorative Kleidung zeigte sie als besser- gestellte Bürger. Aus dem Rentamt erhielten die kurfürstlichen Boten jedes Jahr einen Überrock mit silbernem Brustschild sowie vierteljährlich einen Geldbetrag: die Kanzleiboten einen, die Silberboten vier Gulden. Die eigentlichen Botenlöhne wurden, bezogen auf das jeweilige Reiseziel, die Jahreszeit und die Lebenshaltungskosten, unter-
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wegs gesondert berechnet und ausgezahlt, sofern sie nicht per Ordnung festgelegt waren. Für einen Botenweg von Berlin nach Köln oder Emmerich am Rhein gab es ab 1614 gemäß »Des Churfürsten Johann Sigismunds Post- und Boten-Ordnung« zehn Taler Botenlohn und bis zu fünf Groschen Wartegeld pro Tag. Für Dienstverstöße konnte ein Bote mit Strafgeld belegt werden, das er an seine Dienstkollegen zum Vertrinken zu geben hatte.
     Mit wasserdichter Botentasche, hölzernem Brieffaß, metallener Briefbüchse zu Fuß, mit prallgefülltem Mantelsack oder Felleisen zu Pferde, mitunter noch mit einem Hund als schützendem Begleiter, durcheilten die Postboten ihre Wegstrecken zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter, im Kriege und im Frieden. Mit silbernem Botenschild auf der Brust, mit Spieß oder Schwert bewaffnet, verkörperten sie Macht und Ansehen ihrer jeweiligen Obrigkeiten, Auftraggeber und Herren. Ihnen hatten sie mit schwerwiegenden Eiden Treue, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zu loben –
Arbeits- und Diensthaltungen, die auch späterhin über sehr lange Zeit das Postbeamtentum in Deutschland chakterisierten.
Quellen:
1      Vgl. Horst-Günter Benkmann: Königsberg (Pr.) und seine Post, Schild-Verlag GmbH, München 1981, S.14
2      Ekkehart Rotter: Die Organisation des Briefverkehrs beim Deutschen Orden, In: Wolfgang Lotz (Hrsg.): Deutsche POST Geschichte, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin 1989, S.29
3      Fritz Steinwasser: Berliner Post, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1988, S.18
4      Ebenda, S.17
5      Ref. bei Fritz Steinwasser, a. a. O., S.19
6      Ebenda, S.20
7      Vgl. Walter Kruschel: Klassische Berliner Postgeschichte, Verlag Walter Kruschel, Berlin 1987, S.52
8      Vgl. Walter Kruschel, a. a. O., S.72

Bildquellen: Fritz Steinwasser, a. a. O., S.18; Michael Geistbeck: Der Weltverkehr, Herdersche Verlagshandlung, Freiburg im Breisgau 1895, S. 375; Fritz Steinwasser, a. a. O., S. 20; Postgeschichte in Westfalen, Postgeschichtsblätter der Bezirksgruppe Münster der Gesellschaft für deutsche Postgeschichte e. V., Nummer 10, Münster 1992, S. 273

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