6   Probleme/Projekte/Prozesse Förderer der Astronomie  Nächste Seite
ehren. Diese Beispiele ließen sich bis in die jüngere Vergangenheit fortführen.
So wurden z. B. dereinst bei dem Berliner Sternwartendirektor Wilhelm Foerster einige Herren der höchsten Generalität vorstellig mit dem Ansinnen, Foerster möge sich für die Umbenennung der Kassiopeia (das sogenannte »Himmels-W«) in Wilhelms-Sternbild zu Ehren des deutschen Kaisers einsetzen.
     Von ganz anderer Art ist das Mäzenatentum von Wilhelm Beer, der am 9. Januar 1797 in Berlin geboren wurde und dessen Name in den Annalen der Astronomiegeschichte bis heute mit Achtung genannt wird. Die besondere Rolle von Wilhelm Beer ergab sich durch eine freundschaftliche Beziehung zu dem drei Jahre älteren Johann Heinrich Mädler (1794–1874). 1)
Mädler war ursprünglich Volksschullehrer und betrieb in Berlin bereits als 25jähriger eine Privatschule zur Unterrichtung von Kindern wenig bemittelter Eltern.
Daneben besserte er seine Einkünfte noch durch Privatunterricht auf. Seit dem Erscheinen des großen Kometen von 1811 war in ihm eine große Begeisterung für Astronomie erwacht, der er jedoch aufgrund seiner mißlichen familiären und finanziellen Lage nicht nachgehen konnte. Astronomische Vorlesungen an der Berliner Universität hörte er bei Johann Franz Encke (1791–1865) und Johann Elert Bode (1747–1826) nur als Gasthörer.
Dieter B. Herrmann
Ein Berliner Bankier als Förderer der Astronomie

Wilhelm Beer zum 200. Geburtstag

Private Förderer wissenschaftlicher Projekte spielen in der Geschichte der Forschung eine nicht geringe Rolle. Gerade auf dem Gebiet der Himmelskunde hat das Mäzenatentum eine beachtliche Tradition. In früheren Jahrhunderten waren Sternwarten sehr häufig an den Höfen von Kaisern und Königen angesiedelt, die ihren Ruhm durch möglichst aufsehenerregende Entdeckungen zu mehren trachteten. An der ernsthaften Forschung der Sternkundigen waren sie jedoch selten interessiert. Eher schon erblickten sie in ihnen »Schicksalsverkünder«, sachkundige Deuter einer vermeintlichen »Sternensprache« in astrologischem Sinn.
     Da kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, kam es nicht selten vor, daß Forscher sich der Gunst ihrer Mäzene durch Sternbilder zu versichern suchten, die sie neu erfanden und ihnen widmeten. Schon Galilei hatte die von ihm entdeckten vier hellen Jupitermonde als »Mediceische Gestirne« bezeichnet, um damit den Großherzog Cosimo I. Medici zu

SeitenanfangNächste Seite


   7   Probleme/Projekte/Prozesse Förderer der Astronomie  Vorige SeiteNächste Seite
Eines Tages, im Jahre 1824, tauchte aber bei Mädler der 27jährige Wilhelm Beer auf, um sich in Mathematik und Astronomie unterrichten zu lassen. Beer entstammte einer kunst- und wissenschaftsfreundlichen Familie jüdischer Herkunft. Wilhelm Beers Bruder war der als Komponist später zu Weltruhm gelangte Giacomo Meyerbeer, ein anderer Bruder, Michael Beer, hatte sich einen Namen als Dichter erworben. Im Elternhaus Beers verkehrten führende Persönlichkeiten des geistigen Lebens Berlins; Beers Vater, Begründer des Bankhauses »Jacob Herz Beer«, unterstützte mehrfach gemeinnützige Unternehmen wie das »Königstädtische Theater« und das »Louisenstift für arme Knaben«. Wilhelm Beer führte zum Zeitpunkt seiner Bekanntschaft mit Mädler das von seinem Vater gegründete Bankgeschäft, dem auch eine Zuckersiederei angeschlossen war.
     Die Bekanntschaft zwischen Beer und dem astronomiebegeisterten Mädler blieb nicht ohne Folgen: Beer beschloß, eine Sternwarte einzurichten und als Amateur astronomische Beobachtungen durchzuführen. Unter der Anleitung Mädlers und mit Unterstützung des Berliner Sternwartendirektors Encke nahm das Vorhaben rasch Gestalt an. Der Ort der Privatsternwarte war die Beersche Villa im Tiergarten (siehe unser Titelbild) an der nordwestlichen Ecke des heutigen Platzes der Republik unweit des Brandenburger Tores. 2)
Bei dem Instrument dieser Sternwarte, das unter einer auf dem Dach der Villa errichteten Kuppel aufgestellt war, handelte es sich um einen Refraktor aus der Werkstatt Joseph Fraunhofers von 4 1/2 Fuß (knapp 1,4 Meter) Brennweite und einem Objektivdurchmesser von etwa 10 cm.
     Nun begann eine gemeinsame Beobachtertätigkeit von Beer und Mädler, die einige Ergebnisse von durchaus astronomiegeschichtlicher Bedeutung zeitigte. Gegenstand der Beobachtungen waren vor allem die großen Planeten des Sonnensystems und der Erdmond. Den Hauptteil der Beobachtungen erledigte im Hinblick auf die berufliche Belastung Beers zwar Mädler, doch viele Arbeiten wurden zweifellos gemeinsam durchgeführt.
     Von wissenschaftlichem Wert waren insbesondere die Mars- und Mondbeobachtungen. Aus der sorgfältigen Beobachtung der Oberflächengebilde des Mars im Jahre 1830, aber auch während nachfolgender besonders günstiger Beobachtungsbedingungen bei sogenannten Marsoppositionen (besonders geringer Abstand Erde–Mars) in den Jahren 1832, 1834, 1837 und 1839 leitete Mädler eine Rotationsperiode des Planeten von 24 Stunden 37 Minuten 23,7 Sekunden ab. Der heute gültige Wert unterscheidet sich nur um 1,1 Sekunde von Mädlers Resultat!
     Beer und Mädler erstellten aus ihren Marsbeobachtungen auch die erste Karte der Oberfläche des Planeten Mars. Die Schluß-
SeitenanfangNächste Seite


   8   Probleme/Projekte/Prozesse Förderer der Astronomie  Vorige SeiteNächste Seite
folgerung Mädlers, daß es sich bei Mars um einen der Erde »sehr ähnlichen Weltkörper« handelt, wurde ein ganzes Jahrhundert hindurch als zutreffend akzeptiert. Erst der Einsatz von Raumsonden brachte in dieser Hinsicht wesentliche Korrekturen.
     Beer und Mädler beobachteten auch die Planeten Venus, Merkur sowie Jupiter und Saturn. Rasch bemerkte Mädler z. B. bei der Beobachtung von Details der Oberfläche des Riesenplaneten Jupiter, daß es sich hierbei offensichtlich um atmosphärische Phänomene handelte. Dadurch erschienen sie zur Ableitung einer Rotationsperiode ungeeignet. Heute wissen wir, daß Jupiter überhaupt keine feste Oberfläche besitzt und die atmosphärische Rotation in den verschiedenen Zonen unterschiedlich ausfällt. Ein Vergleich der Beobachtungen von Beer und Mädler mit modernen Werten für die Rotation der Wolkenbänder zeigt jedoch die außerordentliche Präzision der Sternforschung vom Tiergarten: Auch hier weichen die Resultate nur um Sekunden von den modernen Werten ab.
     Selbstverständlich waren auch außergewöhnliche Phänomene wie einige Mondfinsternisse Gegenstand des Interesses von Beer und Mädler. Dabei verfolgten sie das Ziel, die optisch vergrößernde Wirkung des Erdschattens aus den Beobachtungen abzuleiten. Auch zahlreiche Bedeckungen von Fixsternen durch den Mond wurden sorgfältig analysiert. Daß es sich hierbei stets um
durch ernsthafte wissenschaftliche Fragen motivierte Arbeit und keineswegs nur um die Schaulust zweier Enthusiasten gehandelt hat, belegen die Veröffentlichungen in der renommierten Fachzeitschrift »Astronomische Nachrichten«, die damals das bedeutendste internationale Publikationsorgan der astronomischen Forschung gewesen sind. Sorgfältig wurde bei den Veröffentlichungen auch die Miturheberschaft Beers gewürdigt, dessen Name in den einschlägigen Aufsätzen stets genannt wird.
     Die zweifellos bedeutendste Arbeit, die Beer und Mädler in den Jahren ihrer gemeinsamen Beobachtertätigkeit vorlegten, war ein umfassendes Werk zur Topographie des natürlichen Trabanten unseres Heimatplaneten, des Erdmondes. Gleich zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit stellte Mädler fest, daß man mit dem Instrument der Beerschen Sternwarte auf dem Monde mehr Einzelheiten erkennen könne, als die bis dahin besten Mondkarten verzeichneten.
Außerdem war die von Wilhelm Gotthelf Lohrmann (1780–1840) gezeichnete und erst 1878 erschienene Mondkarte unvollständig geblieben. Grund genug, mit systematischen Mondbeobachtungen zu beginnen. In etwa 600 Nächten während der Jahre 1830 bis 1832 entstanden insgesamt 104 Blätter im Format 28 x 20,5 cm.
Die daraus zusammengefügte Karte des Mondes ergab ein Gesamtbild von 192 cm Durchmesser.
SeitenanfangNächste Seite


   9   Probleme/Projekte/Prozesse Förderer der Astronomie  Vorige SeiteAnfang
Das Werk erschien unter dem Titel »Mappa Selenographica« bei Schropp in Berlin in den Jahren 1834–1836. Die Karte gilt als ein ausgesprochener Klassiker der Mondliteratur.
Eine kleinere Generalkarte mit 31 cm Durchmesser ist stets aufs neue bei Schropp aufgelegt worden und diente noch bis in die jüngere Vergangenheit Generationen von Amateurastronomen als willkommenes Hilfsmittel ihrer eigenen Beobachtungen.
Die Fortführung der Mondforschungen mit dem Ziel, die »Mappa Selenographica« zu verbessern, zu berichtigen und zu erweitern, führte schließlich im Jahre 1837 zur Veröffentlichung des umfangreichen Bandes »Der Mond nach seinen kosmischen und individuellen Verhältnissen oder allgemeine vergleichende Selenographie mit besonderer Berücksichtigung auf die von den Verfassern herausgegebene Mappa Selenographica«. Auch dieses Werk verzeichnet Beer und Mädler als gemeinsame Autoren und erschien wiederum bei Schropp, der traditionsreichen Berliner Landkartenanstalt und Fachbuchhandlung.
     Während seiner Tätigkeit auf der Privatsternwarte von Wilhelm Beer hatte sich für Mädler auch eine immer engere Zusammenarbeit mit der Berliner Universitätssternwarte angebahnt. Deren Direktor, Encke, wartete förmlich auf den Abschluß des Mondkartenwerks in der Hoffnung, daß Mädler dann mehr Zeit für seine Mitarbeit bei ihm zur Verfügung hätte. So kam es dann
auch. Mädler wurde rasch ein »Profi«, der aber dennoch der Stadt Berlin nicht mehr lange erhalten blieb. Eine Berufung aus Dorpat (heute: Tartu/Estland) führte zu seinem Weggang aus Berlin schon im Jahre 1840. Beim Abschied von der Familie Beer lernte die frisch vermählte Ehefrau Mädlers noch den soeben aus Paris eingetroffenen Bruder Wilhelm Beers, den Komponisten Meyerbeer, kennen.
     Während Mädler in Dorpat ein umfangreiches wissenschaftliches Werk schuf, das ihn zu einem der bedeutenden Astronomen des 19. Jahrhunderts aufsteigen ließ, beschäftigte sich Wilhelm Beer künftig nicht mehr mit astronomischen Fragen. Seine Domäne wurde die Politik. Aus den Jahren 1845 bis 1849 datieren einige ökonomische und politische Schriften aus seiner Feder. Nach seinem frühen Tod am 27. März 1850 wurden die Beobachtungsinstrumente seiner Sternwarte abgegeben, das Beobachtungslokal jedoch weiterhin noch eine Zeitlang für die astronomische Forschung genutzt.

Quellen:
1     Heino Eelsalu/Dieter B. Herrmann: Johann Heinrich Mädler (1794–1874). Eine dokumentarische Biographie. Hrsg. H. Stiller/ H.-J. Treder, Berlin 1985 (Über die Zusammenarbeit zwischen Beer und Mädler, vgl. insbes. S. 12–33)
2     Edgar Mädlow: Die Privatsternwarte des Bankiers Wilhelm Beer zu Berlin, In: Die Sterne 72 (1996) S. 295 ff.

SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de