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Schwarzwassers stand. Der alte slawische Kretscham verband einst Schankrecht und Gerichtsbarkeit, ob das zu Bilses Zeit noch so war, ist zweifelhaft, aber der Inhaber eines Kretschams gehörte zu den angesehenen Leuten. Gasthaus und Musik waren Verbündete; wo sollte am Sonntagabend die Dorfmusik spielen, wenn nicht im Kretscham? Wer sollte dem Wirt die Gäste ins Haus holen, wenn nicht die Musikanten? So sah es Gastwirt Bilse vielleicht gar nicht so ungern, daß sich sein Jüngster bei der Kapelle aufhielt, sich bald auf der Geige versuchte. Auch die Musik ernährt ihren Mann, aber eine ordentliche Lehre gehört zu jedem Handwerk. So wird Benjamin Bilse der Stadtmusikus Scholz als Lehrer zugeordnet. Natürlich hat Scholz auch eine eigne Kapelle, und so ist Bilses Ausbildung von Anfang an praxisverbunden. Er wird ein vorzüglicher Geiger, kann aber auch zur Bratsche oder Trompete greifen, wenn Not am Mann ist. Er hat ein feines Gehör, das falsche Töne bei den Geigern noch erhascht, wenn das Blech so laut dröhnt, daß der herabfallende Säbel eines eingeschlafenen Offiziers nicht mehr zu hören ist. Und das wichtigste: Er hatte Taktgefühl, soll heißen, er konnte zählen und den Takt halten. Mochte noch soviel synkopiert sein und der Komponist mit Wechseltakten umspringen, Bilse ließ sich nicht aus dem Takt bringen, auch nicht durch Modernisten wie Schumann oder Wagner. So durfte er bald den Taktstock
Walter Püschel
Bilse und ich

Nein, Thomas Manns Bilse ist es nicht, von dem ich erzählen will. Der hieß mit Vornamen Oswald, war Leutnant im lothringischen Forbach, schrieb den satirischen Roman »Aus einer kleinen Garnison« und mußte dafür ins Gefängnis. Das Buch hatte über dreißig Auflagen. Als Thomas Manns »Buddenbrooks« erschienen, meldete sich Bilse zu Wort und behauptete, Mann hätte einen Bilse-Roman geschrieben. Daraufhin verfaßte Thomas Mann 1906 den wunderhübschen Essay »Bilse und ich«, in dem er ein für allemal darlegte, was es mit dem Dichten auf sich hat. Mein Bilse heißt Benjamin und kam aus Schlesien nach Berlin, um in einem Konzerthaus in der Leipziger Straße fürs einfache Volk gute Musik zu machen. Das war nahe am Dönhoffplatz und da ich aus Böhmen nach Berlin gekommen war und als Jungenredakteur im Café am Dönhoffplatz in den frühfünfziger Jahren einkehrte und in der notdürftig hergerichteten Ruine des Kaufhauses Tietz noch einkaufte, das auf demselben Platz stand, wo vorher Bilses Konzerthaus gestanden hatte - sah ich mich ein bißchen um nach diesem Bilse.
     Er ist am 17. August 1816 in Liegnitz geboren, in einem Gasthaus, das »Schwarz Kretscham« hieß, weil es am Ufer des


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schwingen, und am Ende seiner Lehrzeit attestierte ihm Stadtmusikus Scholz das summa cum laude.
     Aber Bilse wußte, das hohe Lob aus Liegnitz war das höchste nicht, es gab bessere Orchester als die Stadtmusikanten von Liegnitz, und obwohl er als Preuße eigentlich hätte nach Berlin gehen müssen, ging er nach Wien, weil er wußte, daß dort die Musik spielte. Es sind die 40er Jahre in ihrem Anfang, als politisch noch alles offen ist, und in Wien geht er natürlich nicht zum Schmiedel, sondern zum Schmied, und der hieß Johann Strauß. Die Kapelle des Vaters war vollzählig, aber Sohn Johann war dabei, ein eigenes Orchester zusammenzustellen. So pilgerte Bilse zum Lokal »Stadt Belgrad«, wo sich die stellungssuchenden Musiker zu treffen pflegten, spielte vor und wurde angenommen. Bilse erlebte in Dommayers Casino jenen Triumph mit, von dem es in einer

Pressekritik hieß: »Gute Nacht, Lanner! Guten Abend, Strauß Vater! Guten Morgen, Strauß Sohn!« Der Schriftsteller Moritz Gottlieb Saphir, der auch das Berliner Publikum amüsiert hatte, schrieb in seiner Zeitschrift »Der Humorist«: »Vater Strauß soll Walzertränen geweint haben, Mutter Strauß soll bis zum Galopp gerührt gewesen sein und Sohn Strauß außer sich vor Freude.« Die Bekanntschaft mit Strauß sollte Bilse bei seiner Karriere hilfreich sein. Aber vorerst hieß es, zurück ins preußische Liegnitz. Dort zahlte sich das Wiener Praktikum aus, er bekam das Amt als gewählter Stadtmusikus. Sein Gehalt war kärglich, und er mußte seine Einkünfte durch Stundengeben aufbessern. Aber seine Musiker spürten, daß da ein Talent am Werke war, das selbst einen neuen Wirkungskreis suchte und dazu eine Kapelle brauchte.


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So unterwarfen sie sich seinen an Besessenheit grenzenden Forderungen nach Disziplin und Exaktheit, vom pünktlichen Probenbeginn bis zum einheitlichen Bogenstrich. Die Musikwelt nahm es zur Kenntnis, es gab Lob für die anspruchsvollen Programme und die vorzügliche Ausführung. Waren aber die Programme zu anspruchsvoll, blieb das Publikum weg und die vorzüglichste Ausführung war für die Katz. »Alles für die Katzbach!«, wie Bilse zu sagen pflegte, weil die Katzbach durch Liegnitz floß und weil Blücher da vor einigen Jahren die Franzosen aufs Haupt geschlagen hatte.
     Ohne Gönner war die schwere Zeit nicht durchzustehen. Nicht ohne die Unterstützung des Bürgermeisters Jochmann, der später Oberbürgermeister von Görlitz wurde, nicht ohne die Hilfe des wackeren Stadtrats Schwarz, des unermüdlichen Förderers alles Guten und Schönen, gedacht soll seiner werden! Auch des Kantors Tschirch von der Peterund-Pauls-Kirche, eines anerkannten Komponisten, der einem Ruf nach Gera folgte. In dieser Zeit fing auch Bilse zu komponieren an, Märsche und Tänze, Gebrauchsware für die Kapelle. Um es vorwegzunehmen: Berühmt ist er damit nicht geworden. Wenn Karl Gutzkow in seinen »Berliner Erinnerungen und Erlebnissen« berichtet, beim Wachaufzug Unter den Linden habe die Kapelle einen Marsch von »Piefke oder Bilse« gespielt, so ist das ad hoc keine Verhohnepipelung; denn Gottfried
Piefke war ein bekannter Komponist, volkstümlich geworden mit seinem Marsch »Preußens Gloria«, zu dem die Berliner sangen: »Der Hauptmann sprach in seinem Bett zu seiner Frau Elisabeth ...« Was der Hauptmann sprach, darüber wollen wir diskret hinweggehen und nur feststellen, daß Herr Bilse neben Herrn Piefke keine schlechte Figur machte, obwohl er den Berliner Volkswitz nicht zu so kessen Texten inspirierte. Wie das so ist, wenn ein Dirigent komponiert, tanzt er auf zwei Hochzeiten, wie ein Redakteur, der schreibt. Um Anerkennung bemüht, hatte Bilse mit Liegnitz die Aufführung eines schlesischen Madrigals für Anfang 1865 vereinbart. Daraufhin erhielt er den Titel »Königlicher Musikdirektor«. Vielleicht trug der Titel zur Einladung nach Warschau bei; wie dem auch sei, das Bilse-Orchester wurde zu einem Gastspiel nach Warschau eingeladen und einer der Zuhörer war Zar Alexander II. Ihm gefiel die Bilse-Musik und er sagte: »Du spielst noch einmal für mich und ich lade dich ein nach St. Petersburg und in meinen Sommersitz, Zarskoje-Selo.« Bilse bat um eine Terminverschiebung für das Liegnitzer Konzert. Aber die Stadtväter hatten kein Einsehen, sie beharrten auf Einhaltung des Vertrags. Das hätte für Bilse Finanzeinbußen in Warschau bedeutet und wäre einem Affront gegenüber dem Zaren gleichgekommen. Vor allem den konnte er sich nicht leisten; denn St. Petersburg war einer der lukrativsten Konzertplät

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ze Europas. So nahm Bilse die Aufkündigung seines Vertrages in Kauf, war enttäuscht darüber, daß sich seine Heimatstadt so leicht von ihm trennte, nach 23 Jahren Schinderei, die Liegnitz immerhin den Ruf einer Musikstadt eingebracht hatte.
     Mit dem Amt des Stadtmusikanten gab er auch das eines Musiklehrers auf, verstand es aber, die besten Schüler für sein Orchester zu gewinnen. Mit diesem Orchester ging er auf Reisen, und da er die Welt erobern wollte, fuhr er mit ihm nach Paris, wo vom 1. April bis zum 31. Oktober 1867 die Weltausstellung stattfand. Auch Johann Strauß junior wollte nach Wien auch die Welt erobern, also ging er nach Paris. Sein Orchester ließ er aber in Wien. Das dirigierten derweil seine Brüder Joseph und Eduard, das waren sichere Einnahmen. Was Paris bringen würde, war ungewiß. Daß man aber ein gutes Orchester für die Strauß-Walzer brauchte, das war gewiß. Und Schani Strauß fiel ein, daß der Benny Bilse eigentlich einen ganz flotten Strich drauf hatte, und Bilse war so frei, daran zu erinnern, was er in den 40er Jahren bei Strauß in Wien alles gelernt hatte. Sogar den synchronen Bogenstrich, obwohl das doch eigentlich ein Dressurelement der Mannheimer Schule war, den Musikern eingebleut von den böhmischen Zuchtmeistern Stamitz und Benda.
     Man einigte sich auf zwei Konzerte pro Tag, Bilse sollte den klassischen Teil dirigieren, Johann Strauß die Unterhaltungsmusik,
vor allem natürlich seine eigene. Beim ersten Konzert im Botschaftspalais erschienen Kaiser Napoleon III. und Kaiserin Eugénie, der Prinz von Wales, der Kronprinz von Italien und andere Hoheiten. Trotz der erlauchten Häupter blieb der Sensationserfolg aus, mit dem Bilse und Strauß gerechnet hatten. Ursache: Auch die höchsten gekrönten Häupter waren keine Multiplikatoren, es fehlte die Presse. Die Änderung zum Guten brachte ein Zufall: Der Chefredakteur des »Figaro«, M. H. de Villemessant, hörte aus der »Cercle international« Walzermelodien und betrat den Straußschen Konzertsaal. Die Musik gefiel ihm, er lobte sie in seiner Zeitung, und was der »Figaro« sagte, beteten andere nach, und das Publikum begann zu strömen. Villemessant veranstaltete in den Redaktionsräumen des »Figaro« ein Sonderkonzert, zu dem die Kunstprominenz eingeladen war. Es kamen Dumas, Vater und Sohn, Gautier, Flaubert, Turgenjew und viele andere. Strauß komponierte eine Figaro-Polka, und einige Tage später setzte er auf das Programm seines Konzerts jenen Walzer, der in Wien durchgefallen war: »An der schönen blauen Donau«. Es wurde ein Riesenerfolg. Wenn man von den Attraktionen sprach, die man auf der Weltausstellung erlebt haben mußte, rechnete die im »Cercle international« vom Bilse-Orchester unter dem Dirigat von Johann Strauß gespielte »Schöne blaue Donau« dazu.
     Klar, daß der Pariser Ruhm auch für Bilse

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zu Buche schlug; denn der »Figaro« wurde auch in Berlin gelesen. So kam es, daß er das neue Konzerthaus in Berlin übernehmen konnte, das am 21. Dezember 1867 eröffnet worden war. Es stand in der Leipziger Straße, vis-àvis vom Dönhoffplatz. Seine Räume waren prunkvoll ausgestattet, mit mächtigen Kronleuchtern, die Wände in mildem Grün, mit goldener Ornamentik, großen Spiegeln, welche die Pracht vervielfältigten. Aber die Preise waren zivil, denn das Konzerthaus sollte ein Unterhaltungs- und Bildungszentrum für die minderbemittelten Klassen werden. Bilse erarbeitete dafür eine künstlerische Konzeption, die Johann Strauß ebenso einbezog wie Beethoven und Richard Wagner.
     Er führte eine Konzertreihe ein mit berühmten Virtuosen, die man montags im Abonnement zu Billigpreisen hören konnte. Gerhart Hauptmann schreibt in seinen Erinnerungen »Die Abenteuer meiner Jugend«: »Wir besuchten die Bilse-Konzerte. Dort saßen die Männer hinter Bierseideln, die Frauen hinter Strickstrumpf und Kaffeetasse, Mütter brachten die Kinder mit. Aber Bilse, ehemals Militärkapellmeister, hatte ein von ihm gut geschultes Orchester in der Hand. Er hatte im Reich den besten Namen. Die Banalität hörte auf, sobald der Meister den Taktstock erhob, um das Mittelstandspublikum des geräumigen Vergnügungsetablissements mit großer Musik zu speisen. Während die Klänge rauschten, wurde der
Wirtschaftsbetrieb nicht abgestellt, nur daß die Kellner, wenn sie Bier oder Speisen brachten, auf leisen Sohlen einherschritten und sich mit den Gästen nur pantomimisch verständigten. Es lagerte sich gleichsam eine zuckende Sinaiwolke über die Banalitätsschicht des Mittelstandes, und da wir die Konzerte nie versäumten, die in kurzen Abständen stattfanden, machten wir einen unvergeßlichen musikalischen Kursus durch, der einen großen Gewinn für uns alle brachte. Durch den befrackten, ordenbesternten Militärkapellmeister, der sogar den Bogenstrich seiner Geiger exakt und einheitlich regelte, haben wir Haydn, Mozart, Gluck, Beethoven, Schubert, Weber, Wagner und Brahms kennengelernt. Und manche der Sinfonien, Ouvertüren und sonstigen Musikstücke konnten wir wieder und wieder genießen, bis sie uns vertraut waren.« Vermerkt werden muß noch das Kuriosum, daß Bilse immer mit dem Gesicht zum Publikum dirigierte, dem Orchester also den Rücken zuwandte. Zumindest die Kontrolle des einheitlichen Bogenstrichs dürfte ihm da schwergefallen sein, sagten Spötter. Damit hatte er natürlich seinen Primgeiger beauftragt.
     Ein Zitat aus den Jugenderinnerungen Felix Philippis wirft ein zusätzliches Licht auf die Bilse-Konzerte: »Das Konzerthaus galt als das größte und zuverlässigste Heiratsvermittlungsbüro Berlins, und es verdiente diesen Ruf. Die Mütter der heiratsfä

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higen Töchter waren alle abonniert und frequentierten das Konzerthaus mit Vorliebe. Da saßen sie an zahllosen Tischen und schienen den musikalischen Wunderdingen zu lauschen und die Töchter mußten, um ihre hausfraulichen Talente und Tugenden auch dem zweifelnden Jüngling gegenüber zu betonen, an einer äußerst komplizierten Stickerei arbeiten, die - so hab ichs wenigstens gehört - meist fix und fertig aus den Tapisseriegeschäften von Sommerfeld oder Lehmann stammten.« bei seinem Warschau-Besuch eingeladen worden war. Es gab Gastspiele in Holland und Belgien, 1872 lud ihn der sächsische König Johann und 1876 König Albert nach Pillnitz zum Schloßkonzert ein.
     Die lebhaftige Gastspieltätigkeit entsprang natürlich nicht allein musikalischer Ruhmsucht, sie hatte auch materielle Gründe. Das Konzerthaus befand sich im Besitz des Geschäftsmanns Franz Medding, er bekam weder von der Stadt Berlin noch vom Staat Preußen irgendwelche Zuschüsse, es mußte
Während der Sommermonate, in denen das Konzerthaus geschlossen blieb, ging Bilse mit seinem Orchester auf Gastspielreisen. Er war allein viermal in St. Petersburg, und 1874 kam es zu dem Konzert vor der kaiserlichen Familie in Zarskoje-Selo, zu dem Bilse vom Zaren Alexander II.

Im Bilse-Konzert


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sich rechnen, wie man heute sagt. Dazu waren die Einnahmen aus den Gastspielen dringend nötig. Das Orchester wurde dabei bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit gefordert. 1882 gab es zwischen Bilse und seinen Musikern einen ernsthaften Konflikt, der seine Ursache sowohl in ihrer Überbelastung als auch in ihrer schlechten Bezahlung hatte. Da auch das Konzerthaus in einer finanziellen Krise war, kam es zu einer Rebellion der Orchestermitglieder, die zur Folge hatte, daß 54 von ihnen entlassen wurden. Diese Männer wußten, ihr Pfund, mit dem sie wuchern konnten, war ihr exzellentes Können. Sie vertrauten darauf, ihr Glück gemeinsam zu machen, und gründeten ein neues Orchester unter Leitung des Geigers Ludwig von Brenner. Am 17. Oktober 1882 fand in dem später als »Philharmonie« bezeichneten Haus der ehemaligen Rollschuhbahn ihr erstes Konzert statt. Sie nannten sich »Philharmonisches Orchester, vormals Bilse'sche Kapelle«. Ein Jahr zuvor hatte ein Herr Hermann Wolff die erste Berliner Konzertdirektion eröffnet. Der nahm sich der Musiker an, gründete die »Philharmonische Gesellschaft«, machte Reklame an allen Litfaßsäulen und sorgte dafür, daß die Philharmoniker zum Tagesgespräch wurden.
     Als Hans von Bülow in der Rollschuhbahn mit seinem Meininger Orchester sich für zwei junge Komponisten einsetzte, Richard Strauss und Felix Weingartner, da sprang der Funke über. Die Philharmoniker hatten
ihren Dirigenten gefunden. Er leitete das Orchester von 1887 bis 1893, machte den Weg frei für Arthur Nikisch und eine Phalanx von Großdirigenten bis hin zu Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan.
     Benjamin Bilse mußte sich mit dem Rest seiner Kapelle ein neues Orchester aufbauen. Rücksichtslos gegen sich selbst und mit großer Strenge gegenüber seinen Musikern schaffte er es, am 12. Dezember 1882 das Jubiläum seines dreitausendsten Konzerts und des 15jährigen Bestehens des Konzerthauses zu feiern. Auf dem Programm standen die Ouvertüre zu »Tannhäuser« von Richard Wagner, ferner Werke von Beethoven, Sarasate, Rubinstein, Paganini und Liszt, den Abschluß bildete eine Komposition von Bilse. Im Alter von fast 70 Jahren kündigte Bilse seinen Vertrag mit dem Konzerthaus. Sein Abschiedskonzert war das 3 566., das er in diesem Haus dirigierte. Das war am 30. April 1885. Sein Nachfolger wurde Musikdirektor Hermann Mannsfeld aus Dresden. Bilse kehrte in seine Heimatstadt Liegnitz zurück, wo er am 13. Juli 1902 verstarb. Im Konzerthaus wurde am 1. April 1895 der 80. Geburtstag des Altreichskanzlers Otto von Bismarck festlich begangen. Fünf Jahre später wurde das Haus abgerissen. An seiner Stelle errichtete die Firma Hermann Tietz ein Warenhaus, bekannt unter dem Namen Hertie.

Bildquelle: Archiv Werner Meidow


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/1996
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