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Dieter Goltzsche: Es galt als das pädagogische Gebot, nicht umzudrucken, was also möglich ist, wenn man eine Kreidezeichnung auf einen Stein aufplättet. Nein, wir zeichneten unmittelbar auf den selbstgeschliffenen Stein, den Solnhofer Schiefer, der in Berührung mit der Kreide zu wunderbaren Momenten führt. Zugleich hat man viel Angst vor dem blanken Stein, da ist viel Spannung und Widerstand.
     1958 kamst du von Dresden nach Berlin, wurdest Meisterschüler bei Max Schwimmer. Was hat dieser Schritt für deine Arbeit bedeutet?
Dieter Goltzsche: Max Schwimmer war natürlich ein Impulsgeber, und er war selbst ein starker Improvisator. Ich war ja schon in Dresden bei Schwimmer. Es gab, wie heute, für den Absolventen eine Unsicherheit. Was macht man, wenn man draußen ist? Da war die Meisterschülerzeit eine große Chance, daß man sich da erst mal weiterentwickeln konnte. Das war ein großer Vorzug.
     Kindheit, Jugend und Studium hast du in Dresden erlebt. Wie hat Berlin in dieser Anfangszeit als Stadt auf dich gewirkt?
Dieter Goltzsche: Ich wohnte in Dresden immer an der Peripherie, in Berlin dann auch. Man war der Provinzmensch, denn Berlin war gegenüber Dresden riesengroß, und die Mauer gab es 1958 noch nicht. Plötzlich lebte man aber auch in einer ungewohnten Anonymität. Dennoch war das alles sehr realistisch, und die Stadt, die ich

»Das Metier selbst befragen«

Der Berliner Zeichner, Graphiker und Maler Dieter Goltzsche über seine Arbeit

Du bereitest gerade eine Ausstellung mit Lithographien vor, die den Zeitraum von vier Jahrzehnten erfassen. Zur Ausstellung, die ab Dezember im Potsdam und danach in Gera sowie in Leverkusen zu sehen sein wird, erscheint auch das Werkverzeichnis der Lithographien (1956-1996). Wann war deine erste Begegnung mit der Lithographie?
Dieter Goltzsche: Während des Studiums in Dresden, als Schüler von Hans Theo Richter, der selbst die Lithographie sehr pflegte. Diese Technik war ein gutes Übungsmittel, und die allerersten Blätter entstanden Mitte der fünfziger Jahre. Das Werkverzeichnis ist für mich sehr interessant, es zeigt, welchen Weg man gegangen ist. Im Grunde ist man derselbe geblieben, aber dennoch gibt es ja auch eine Entwicklung. So nutzte ich seit 1964 die Offset-Lithographie als ein zeichnerisch orientiertes Ausdrucksmittel. Erarbeitet wurde das Werkverzeichnis von der jungen Kunsthistorikerin Anke Scharnhorst, es ist jedenfalls spannend, die Entwicklung selber nachvollziehen zu können.
     Hast du anfangs unmittelbar auf den Stein gezeichnet?


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allmählich kennenlernte, war eine große Herausforderung.
     Neu waren in Berlin auch die Möwen, ein Motiv, das dich sehr beeindruckt hat. Kann man bei deinen Möwen-Blättern von einem Ankunftsmotiv sprechen?
Dieter Goltzsche: Ja, ich denke, das ist richtig gesehen. Das war ja keine ornithologische Darstellung. Ich kam im November hier an und lief von der Friedrichstraße in Richtung Unter den Linden, die Spree entlang, und da saß immer diese Möwe, die, bevor man sie erreichte, schnell wegflog. Und sie hatte dieses geduckte Dasitzen, immer gegen den Wind, dieses Aufgeplusterte, weil es kühl war. Das war für mich die Metapher, die aber nicht gesucht war, sie war mein Erlebnispunkt.
     Eine Metapher, die vieles mit einschloß?
Dieter Goltzsche: Ja, sicher, denn die Stadt war ja noch immer zerstört, es gab viele Ruinen, und da hat dies sich für mich einfach so ergeben.
     Zum Erlebnis der äußeren kam auch das Erlebnis der inneren Stadt. Theater, die Caféhäuser, Interieurs. Hat dieses »innere« Berlin deine zeichnerische Ausdrucks- und Formenwelt geprägt?
Dieter Goltzsche: Indirekt schon. Es gab ja auch noch die alte Markthalle am Alex, wo lebendes Geflügel verkauft wurde und alles sehr sinnlich war. Es war noch ein Rest von alter Welt. Dazu gehörten auch die rauchgeschwärzten Kneipen. Ende der 60er, Anfang
der 70er Jahre verschwand das alles. Oder es gab noch das Riesenrestaurant »Franziskaner« in der Friedrichstraße. Das alles war für mich unbedingt Berlin, für einen Zeichner genug zum Sehen.
     Und aus solchen Erfahrungen, die auch andere Maler sammelten, entstand ein Begriff wie die »Berliner Schule«?
Dieter Goltzsche: Ja, mit diesen Titeln ist das immer so eine Sache. Da lebte ein bißchen die Cézanne-Idee, vornehmlich bei den Malern Böttcher und Metzkes. Das wurde dann eines Tages als Berliner Schule apostrophiert. Eine Art Ostvariante, wie man diese gewünschten, verkehrten Aufträge, die einem nahegelegt wurden, umgehen kann. Wir wollten kein Brigadebild oder sowas, und da mußte man das Metier selbst befragen. Das Metier Bild, was kann das tragen. Ja, und da kam man auf Cézanne, denn es kam darauf an, daß jeder seine eigene Anschauung von Natur in sein Bildwerk bringen mußte und nicht eine anempfohlene Thematik.
     Du hast dich aber weniger als ein Gefolgsmann Cézannes verstanden. Die Urväter deines zeichnerischen Herkommens waren doch eher Goya oder Toulouse-Lautrec?
Dieter Goltzsche: Ja, Toulouse-Lautrec, das war mal wirklich eine ganz spannende Sache.
     Dann stand in Berlin eines Tages die Mauer. Hat das Konsequenzen auf dein Denken und Arbeiten gehabt? Wie erinnerst du dich daran?

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Blick zum Potsdamer Platz, Lithographie

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Dieter Goltzsche: Zuerst, als die Stadt noch offen war, ging das so: Ich fuhr von Köpenick am Vormittag nach dem Pariser Platz in das Atelier der Akademie. Dort arbeitete ich, und wenn mir nichts mehr einfiel, ging ich ins Kino, fuhr in den Westen, sah einen amerikanischen Film. Oder es ging hinaus nach Potsdam. Das gehörte alles zu diesem großen Erlebnisraum Stadt. Mit der Mauer kam natürlich sofort eine gewaltsame Einengung. Ich will aber auch sagen: Der Westen war auch schon früher der Westen, wenn ich an die luxuriösen Viertel um den Ku'damm denke. Und schroff dagegengesetzt zum Beispiel Rummelsburg oder die vielen instabilen Häuser in Mahlsdorf, das war der Osten. Früher wie heute. Durch die Mauer gab es nur noch das eine, ein spürbar eingeschränkter Großstadtcharakter. Und wo noch diese alten Kneipen waren, wurden bald reizvolle Räume wegrationalisiert. Denn der Staat im Osten befürchtete wohl, daß sich da Leute träfen und womöglich zu viel trinken oder etwas auskochen könnten gegen den Staat. Später entstanden diese halbgewalkten und ziemlich spießigen Lokalitäten. Das alles war die Entwicklung.
     Der Blick in die weite Welt gelang dir aber noch vor der Mauer. Deine erste Italien-Reise war schon in den 50er Jahren?
Dieter Goltzsche: Ja, diese Italien-Reise war leider sehr kurz, aber es war alles ganz enorm, romantisch gedacht, und damals wollte man es auch nur romantisch sehen.
Wir haben ja als Studenten Ludwig Richter gelesen und Goethes Italien-Reise. Die Fahrt nach Italien war noch während des Studiums, und es durfte auf gar keinen Fall herauskommen, daß man solche Ausflüge unternommen hatte.
     Quasi eine geheime Reise?
Dieter Goltzsche: Ja, eine geheime Reise. Man gab den Paß ab in München auf der Polizei, bekam einen anderen dafür. Das war ja schon fast wie Hochverrat. Aber diese Reise war ein großes, prägendes Erlebnis. Das Romantische war noch alles zu sehen, was ich dann später so nicht mehr vorgefunden habe. Unentwegt sah ich Bäckerjungen auf dem Fahrrad mit den großen Körben, die vorn auf der Lenkstange aufgetürmt waren. Die Burschen mußten während der Fahrt seitwärts ausschauen. Und ich sah die Mönche mit dem Damenfahrrad, die Nonne im Mercedes. Na, das sieht man auch heute noch. Aber das Maultier, den Esel, das alles gibt es heute schon nicht mehr.
     Du bist immer gern gereist. Was hat das Reisen für deine Arbeit bedeutet?
Dieter Goltzsche: Also im innersten ist man ja doch eigentlich nicht zu berühren. Viele Reisen hätten nur früher sein müssen. Und diese Art von längeren Aufenthalten wie bei Werner Gilles oder Hans Purrmann, oft jahrelang auf Ischia zum Beispiel, das ist nicht erreichbar. Heute ist es manchmal schon fast ein touristisches Reisen, doch es

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ist immer eine gewisse Anregung, wenn man mal woanders ist und einen Abstand zum Vertrauten bekommt.
     Dann gibt es die inneren Reisen, geistig-literarische. Du bist ein leidenschaftlicher Leser von Literatur, besonders Lyrik hat als Anregung für dich eine beachtliche Rolle gespielt ...
     Dieter Goltzsche: Lyrik hat für mich immer eine Rolle gespielt. Vielleicht auch
die Vorliebe für diese kurze Form, obwohl ich zumeist große durchgeführte Blätter machte, doch gab es immer auch diese japanistisch kurzgeschriebenen Sachen bei mir. Sprachbilder, Metaphern, die ich dann betreibe, mit dem Stift oder mit der Zeichnung.
     Gibt es für dich Themen aus der frühen oder mittleren Lebenszeit, die dich auch heute noch erregen?

Landschaft mit Kind, Tuschlithographie, 1987


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Dieter Goltzsche: Ja, es gibt das Abgelegte und es gibt auch die Vorstellung, das eine oder andere besser zu machen. Aber auf einer anderen Etage. Also auf einer anderen Ebene, mit einem veränderten Bildverständnis.
     Schon als Student wurde dir von deinen Lehrern bescheinigt, dein Pensum nach kurzer Zeit glanzvoll absolviert zu haben. Kanntest du so etwas wie Furcht vor sich einstellender Brillanz?
Dieter Goltzsche: Also, in der ganzen Kunstgeschichte gibt es ja immer diese perfektionistischen Leute. Sie fanden den Beifall vom Publikum, die darin eine artistische oder eine Glanzleistung sahen, eine Vorstellung von Vollendung. Aber die Vollendung ist eben schnell auch wieder verbraucht, besonders dann, wenn die Form nicht von innen heraus entwickelt worden ist, wenn die Form erborgt wurde. Dann ist auch eine Vollendung nicht möglich. Während der Arbeit begegnet man beiden Strömen in sich, weil man ja auch eine Vollkommenheit wiederum erreichen will.
     In Köpenick hast du viele Jahre unweit des Schlosses auf einem sehr idyllischen Grundstück gelebt. Ursprünglich ein Anwesen der Fischer, man konnte dort noch Pfähle für Netze sehen, Stangen lagen im Garten, ein Ort, der nachlebte von der Prägung der Fischer. Aus diesen Erlebnissen erwuchs 1964 die Mappe »Fischer Ranke«, das war ein wichtiger Punkt für deine Arbeit.
Dieter Goltzsche: Diese Fischerblätter, das war eine Folge. Ich hatte die Idee, was ich erlebe irgendwie in eine Bildhaftigkeit zu bringen. Und nun wohnte ich damals bei den Fischern, bin auch mit ihnen rausgefahren. Und es gab da den alten Ranke, daraus entstanden dann wieder Porträt-Geschichten. Ich habe immer das Naheliegende oder das erlebte Motiv noch einmal realisieren wollen. So einfach das heute vielleicht klingen mag.
     Gern hast du aber auch in Mappen verschiedene Techniken vorgestellt. In »Der Puma ist mein Lieblingstier« (1984) im Hallischen Bilderbuch gab es neben einer Zeichnung fünf Lithographien, eine Handschrift und drei Kaltnadelradierungen. Eine wunderbare Zusammenstellung, die ich gern in die Hand nehme. Allein der Titel ist ja schon erregendpittoresk ...
     Dieter Goltzsche: Ich glaube, daß ich nur ein paar gute Blätter zusammenbringen wollte. Ich bin sehr literarisch interessiert, habe aber darum kein Anliegen, etwa literarische Bildkunst zu machen. Dazu kam das Zitat von Gottfried Benn, Benn war für mich sehr wichtig, als ein Dennoch, also dennoch die Schwerter halten, das war für viele Künstler die Dennoch-Hilfe. Und so habe ich dieses Zitat gesehen. Ich habe da in ein kleines Format Blätter zusammengebracht, wovon ich annahm, gerade auf der Höhe meiner Möglichkeiten zu sein.
     Als letzte größere Mappe entstand Ende 1991

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eine Folge großformatiger Lithographien, »Elefanten-Träume« betitelt. Sehr elementare Blätter, waren sie für dich noch einmal ein Versuch, zu den vertrauten Anfängen der faszinierenden Technik der Lithographie zurückzukehren?
Dieter Goltzsche: Ja, also, bei dieser Mappe hatte ich ein großes freiheitliches Gefühl, die Sache zu machen. Bei dem hervorragenden Drucker Peter Stephan in Dresden war das eine herrliche Arbeit. Der Stein wie auch die Graphik überhaupt, das war für mich immer so eine Art Schwarz-Weiß-Grau-Orchester. Erstaunlich die Entdeckung, was man mit Kreide und Stein machen kann, das Wunder gewisser Strukturen, phantastisch.
     Trotz Werkverzeichnis geht es also mit der Lithographie weiter?
Dieter Goltzsche: Ja, es geht weiter. Leider ist ja die Graphik in Mißkredit geraten. Hundertwasser druckte zum Beispiel von einem Blatt 12 000 Exemplare und hat alle als Originale signiert. Dadurch ist der Sammler verschreckt, und der Unmut richtet sich gegen das ganze Metier. Das wirkt heute immer noch nach, und man sieht selten eine Graphikausstellung. Vervielfältigungen habe ich nie gemacht, immer nur kleine, oft ganz kleine Auflagen. Und beim Heraussuchen, beim Tauchen nach den frühen Lithographien für das Werkverzeichnis habe ich zu meiner Überraschung einige unausgepackte Kleinaufla
gen gefunden. Aus Zeiten, wo ich nur Lust verspürte, den Stein mit der Kreide, mit der Tusche zu berühren.
     Warst du anfangs zögerlich, wenn es darum ging, deine Arbeiten zu zeigen?
Dieter Goltzsche: Manchmal hat man eine Arbeit zeigen können. Das war aber selten und nie ganz einfach, auch mit Ausstellungen war es schwierig, das glaubt ja heute niemand. Meine erste Ausstellung habe ich 1964 im Kunstkabinett Weißensee gehabt, im »Klassenzimmer« von Lothar Lang. Dann folgten 1968 und 1969 in Berlin kleine Ausstellungen, auch in der Galerie im Turm.
     Es gab nicht nur Schwierigkeiten, gab es auch regelrechte Boshaftigkeiten?
Dieter Goltzsche: Erst mit dem Anerkennungsstreben der DDR, etwa seit 1970, war es möglich, auch in größeren Ausstellungen zu erscheinen. Vorher war es so streng, daß man einfach ausjuriert wurde. Was ich machte, diente nicht dem Parteikonzept. Politische Gründe waren das, die aber niemals genannt wurden. Und es wurden meine und die Arbeiten anderer Kollegen ausrangiert, für nutzlos erklärt. Nutzlos im Sinne der Ideologie.
     Fielen damals tatsächlich solche Worte wie »nutzlos«?
Dieter Goltzsche: Ja, es kamen tolle Vokabeln. Ich bekomme die nicht mehr zusammen. Also der ehemalige SA-Mann Hans Kies sagte einmal, wir können euch, wenn

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wir wollen, vom Tisch fegen. Das war so um 1965, und das wirkte noch lange nach.
     Hat in dieser Zeit für dich die Freundschaft mit den Maler-Kollegen eine große Rolle gespielt?
Dieter Goltzsche: Die Freundschaft unter uns spielte eine ganz große Rolle, da man in einem Boot saß, war das sozusagen eine moralische Stützung. Unter den damals jüngeren Leuten waren das Manfred Böttcher, Harald Metzkes, Werner Stötzer, Lothar Böhme, Hans Vent, Servais, Leber und später Klaus Roenspieß. Das war für unser gemeinsames Durchhalten eine wichtige Sache, und alle versuchten, das Ihre zu machen. Das war sehr wichtig.
     Auch unsere Lehrer und ältere Kollegen gehörten mit dazu. Zum Beispiel in Berlin der Graphiker Herbert Tucholski und das Haus von Lis Bertram-Ehmsen, der Witwe von Heinrich Ehmsen, eine Verwandte übrigens von Friedrich Engels. Bei ihr gab es wahrscheinlich den einzigen Salon im Osten der Stadt. Ein anregender Treffpunkt war das, ich lernte dort auch Ernst Busch und die Langhoffs kennen, Horst Zickelbein und den Bildhauer Waldemar Grzimek. Das war schon eine Stärkung, und es waren ja linke Leute, die alle ganz auf der Seite der Enttäuschten waren. Auch die wunderbare Charlotte E. Pauly muß noch erwähnt werden.
     Dann, vor sechs Jahren, war plötzlich alles ganz anders. Du hattest schon 1978 einen Lehr
auftrag in Weißensee, eine Dozentur seit 1980 und 1992 die Berufung zum Professor an der Kunsthochschule Weißensee. Also eine gute Wende für deine Arbeit?
Dieter Goltzsche: Ja, Gott sei Dank. Man kann seine eigenen Sachen machen und fühlt sich dabei nicht gestört. Freischaffend zu sein, vor allem, wenn man was Besseres machen will, ist einfach schwierig. Aufträge in der Art, machen Sie mal was Hübsches, das behindert. Oder diese Trendgeschichten, die ich leider nun heute schon bei den Studenten beobachte. Sie beobachten scharf modische Strömungen, wissen jedoch angeblich nicht, was sie imitieren. Das ist ja schon die erste Art der Korruption. Man muß das erkennen, dabei ruhig bleiben gegen diese ganzen hochphilosophischen Texte, die für den neuen Zeitstil geschrieben werden. Das ist problematisch, und der Künstler darf sich nicht danach richten.
     Aber die Arbeit mit den Studenten, sehr international, gibt die dir etwas?
Dieter Goltzsche: Es macht mir Spaß, und ich habe intelligente, begabte Studenten, und das ist eine Zwiesprache, von der ich hoffe, daß ich etwas abgeben kann. Und ich gewinne gleichzeitig auch etwas dabei.
     Das Gespräch führte Helmut Hirsch

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/1996
www.berlinische-monatsschrift.de