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Popularisator der Leibnizschen Philosophie, stark beeinflußt. Im Jahre 1745 promovierte er zum Doktor der Rechte. Danach trat er in den preußischen Staatsdienst ein. Im Staatsarchiv angestellt, wurde er mit den Aufgaben eines Legationsrats im auswärtigen Departement betraut. Er führte verschiedene archivalische Hilfsdienste aus und lieferte für Friedrich II. brauchbare Urkunden für seine Staatsgeschäfte und historisch-literarischen Liebhabereien.
     Wenig später übernahm der ehrgeizige Hertzberg die Leitung des Staatsarchivs sowie des Geheimen Kabinettsarchivs und gewann dadurch unschätzbare Kenntnisse für die spätere diplomatische Laufbahn. Zahlreiche historische Arbeiten zur brandenburgischen Geschichte hat Hertzberg verfaßt, er belieferte die von Diderot herausgegebene Pariser Encyclopädie mit mehreren historisch-statistischen Aufsätzen über die Mark Brandenburg. Mit der Abhandlung »Über die erste Bevölkerung der Mark Brandenburg« beantwortete er eine historische Preisfrage der Preußischen Akademie der Wissenschaften, die ihm nicht nur den begehrten Preis, sondern auch noch einen Sitz als Mitglied der Akademie einbrachte.
     Als Gutsherr hat Hertzberg musterhaft gewirtschaftet. Im Jahre 1765 führte er die Trennung des Gutslandes vom Bauernland durch. Wirtschaftete er anfänglich noch im Rahmen der Dreifelderwirtschaft, so ging er Ende der 70er Jahre unter dem Einfluß
Hans-Heinrich Müller
Gutsherr, Gelehrter und Minister

Ewald Friedrich Graf von Hertzberg
(1725-1795)

Wer Schloß Britz im Stadtbezirk Neukölln besucht, gerät unversehens in eine ländliche Idylle. Britz »zählt zu den wenigen ehemals ländlichen Vororten, in denen das traditionelle Erscheinungsbild mit Dorfanger, Dorfteich, Feldsteinkirche und Kirchhof, Gutsbesitz und Schulhaus noch weitgehend erhalten geblieben ist«. 1) Das Schloß samt Wirtschaftshof, einst Mittelpunkt einer brandenburgpreußischen Gutsherrschaft, damals gelegen im Kreis Teltow, wechselte im Laufe seiner Geschichte mehrmals seine Besitzer. Einer von ihnen war Ewald Friedrich Graf von Hertzberg. Durch Heirat mit einer Tochter des preußischen Staats und Kabinettsministers Friedrich Ernst von Knyphausen (1678-1731) gelangte er 1753 in den Besitz der Britzer Gutsherrschaft.
     Hertzberg stammte aus Pommern, er wurde am 2. September 1725 in Lottin bei Neustettin geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Stettin studierte er die Rechte und Geschichte an der Universität Halle. Hier wurde er von dem Aufklärer und Philosophen Christian Wolff (1679-1754), dem


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Ansicht von Britz, um 1780
rationalistischer Anschauungen zur intensiveren Vierfelderwirtschaft über. Er beseitigte die Brache, baute Klee und Luzerne an, erhöhte die Getreideerträge und steigerte auch die Produktivität der Viehwirtschaft durch die Einführung neuer und leistungsfähiger Rinderrassen. Aus Berliner Brauereien und Brennereien kaufte er wagenweise Treber und Schlempe und fütterte damit zusätzlich das Vieh. Eine beträchtliche Steigerung des Dungaufkommens war die Folge.
     Die von Friedrich II. protegierte Seidenbaukultur (Maulbeerbaumplantagen)
machte Hertzberg auf seinen Besitzungen heimisch. Die Versuche mit dem Seidenbau fielen nach seinen Angaben so günstig aus, daß er Kleider und Möbelstoffe aus selbstgewonnener Seide anfertigen ließ. Die intensivere Beschäftigung mit der Seidenbaukultur auf seinen Gütern hatte ihn auch bewogen, das preußische Seidenbaudirektorium zu übernehmen, um die Seidenbaukultur in Preußen auszudehnen. Mit einigem Erfolg ist ihm dies in Brandenburg und in Pommern auch gelungen, ohne jedoch dieser von Friedrich II. gehätschelten Wirtschaftspflanze zur dauerhaften Gesundung

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verhelfen zu können. Erfolgreiche Unternehmer, Erzeuger von Rohseide, Spinnereien und Betreiber von Webereien belohnte er mit goldenen Ehrenmedaillen oder Geldpreisen. Die ausgezeichnete Bewirtschaftung des Gutes Britz fand in vielen deutschen Zeitschriften Zustimmung und Anerkennung. Selbst in England, von dem doch der revolutionäre Umschwung in der Landwirtschaft ausging, wurde der Hertzbergschen Wirtschaft große Aufmerksamkeit gezollt. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (1756 -1763) unterbrach Hertzberg in seinen gelehrten und archivalischen Tätigkeiten. Er wurde nunmehr voll vom außenpolitischen Geschehen in Anspruch genommen. Seine hauptsächliche Beschäftigung im auswärtigen Departement bestand in der Ausarbeitung von Denkschriften, die er geschickt abgefaßt hat, um die preußischen Kriegsabsichten und -angriffe zu rechtfertigen. Am Ende des Krieges ernannte ihn Friedrich II. ob seiner guten diplomatischen Fähigkeiten (z. B. Abschluß des Hubertusburger Friedens) zum Kabinetts-

minister. Von 1763 an leitete er 30 Jahre die auswärtigen Geschicke Preußens. Als Außenminister war Hertzberg der politische Interpret seines Königs. Er erwies sich hierbei ganz und gar als Exponent der herrschenden Feudalklasse, deren Politik er sich objektiv kaum entziehen konnte, wenn er auch manchmal andere Vorstellungen als sein Gebieter gehegt hat. Kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Hertzberg und Friedrich II. oder Friedrich Wilhelm II., so entzündeten sie sich an den Methoden des Vorgehens, aber kaum an den grundsätzlichen Fragen. Die von Hertzberg verfolgten Ziele waren identisch mit denen Friedrichs II.
     Im Mittelpunkt stand, die gewonnene Großmachtstellung Preußens zu behaupten, den österreichischen Einfluß zurückzudrängen, die schändliche Teilung Polens juristisch zu begründen. Es war eine Politik, die kaum mit den Zielen der Aufklärung, der auch Hertzberg in vie-


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len Fällen seine Reverenz erwies, in Einklang gebracht werden konnte.
     Im Jahre 1779 überreichte Hertzberg dem Thronfolger, der ihn 15 Jahre später wegen unterschiedlicher Meinung in Fragen einer Intervention gegen das revolutionäre Frankreich, die er ablehnte, vor die außenpolitische Tür setzte, eine Denkschrift mit dem Titel »Über das System der politischen Grundsätze, deren Beobachtung für den König von Preußen zweckmäßig ist«. 2)
     Darin finden sich recht kritische Bemerkungen über die gesellschaftlichen Zustände Preußens. Er forderte, die Bauern aus feudalrechtlichen Fesseln zu befreien, Monopole und Handelsprivilegien aufzuheben, das Werbesystem in der Armee zu beseitigen und militärische Reformen durchzuführen, um eine Nationalisierung des Heeres zu erreichen.
     Es sind fortschrittliche Gedanken, die Hertzberg entwickelte, und zweifellos waren es auch patriotische Gefühle, von denen er sich hier leiten ließ. Die Größe Preußens hatte Hertzberg vor Augen, wobei in seinem altpreußisch-patriotischen Gefühl auch echte nationale Elemente zu entdecken waren. So verteidigte er gegen Friedrich II. leidenschaftlich die deutsche Sprache, hob deren Schönheit hervor und übersetzte größere Abschnitte aus Tacitus' Werk, um seinem König zu beweisen, daß die »Germania« in deutscher Sprache ebenso zu begeistern vermag wie in der französischen Übersetzung.
Hertzberg hat dann auch an der Berliner Akademie im Jahre 1785 den Beschluß durchgesetzt, daß die in deutscher Sprache gehaltenen Vorträge in ihrer ursprünglichen Ausarbeitung und nicht in französischer Übersetzung in den Akademieabhandlungen (Mémoires) zu veröffentlichen sind.
     Die Mischung von fortschrittlicher Geisteshaltung und Verteidigung feudaler Machtpositionen, aufklärerischen Bekenntnissen und altpreußisch-patriotischen Gefühlen kam bei Hertzberg auch in den seit 1780 wiederaufgenommenen Akademievorträgen recht drastisch zum Ausdruck. Sie wurden nun alljährlich am Geburtstag Friedrichs II. oder am Tage der Thronbesteigung des neuen Königs gehalten. In den Vorträgen befaßte er sich mit historischen und statistischen Untersuchungen, mit den germanischen Wurzeln der deutschen Kultur in alter Zeit, mit Grundsatzfragen der Politik, mit den Regierungsformen der Staaten und den Quellen des Reichtums, mit den großen Gestalten der Geschichte. Am Schluß der jeweiligen Vorlesung gab Hertzberg, was ein Novum in ganz Europa war, eine Übersicht über die gesamte Finanzverwaltung des preußischen Staates in dem abgelaufenen Jahr. Was bis dahin als tiefstes Staatsgeheimnis in allen europäischen Ländern betrachtet wurde, legte nun Hertzberg der Öffentlichkeit vor; indes muß erwähnt werden, daß unter der Ägide Friedrichs II. kein Minister eine volle Einsicht in die Lage des Staatshaushalts ge

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   47   Porträt Graf von Hertzberg  Voriges BlattArtikelanfang
winnen konnte. Nach dem Tode Friedrichs II. wurde Hertzberg zum Kurator der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Er begnügte sich nicht mit repräsentativen Pflichten, sondern fühlte sich als Akademiepräsident und war gewillt, die Akademie zu regieren. Er hat sie auch bis ins kleinste Detail hinein verwaltet, er »versuchte sie durch seinen humanen Absolutismus zu beglücken«. 3) Hertzberg versäumte kaum eine Sitzung und trug den Geist der Politik durch seine Vorträge in die Akademie. Er hat die Preußische Akademie, an der der deutsche Geist unter Friedrich II. nur geduldet war, in eine deutsche verwandelt - und darin besteht sein großes Verdienst. Aber letztlich war das, was er der Akademie zuführte, bereits farblos geworden, nicht mehr lebenskräftig. Nicht die großen deutschen Philosophen und klassischen Dichter, die Deutschlands Hoffnungen verkörperten, sondern die Berliner Aufklärer waren seine Sterne. Nicht Goethe, Herder, Kant oder Wieland, zu deren Verständnis er nicht vordringen konnte, sondern Nicolai, Biester, Engel, Ramler, Castillon, Teller und andere wurden von der Akademie als ordentliche Mitglieder aufgenommen - zu einer Zeit, da ihre Bedeutung für die Aufklärung bereits im Schwinden war. So festigte Hertzberg an der Akademie mehr einen platten Rationalismus als einen machtvollen Aufschwung deutschen Geisteslebens. Immerhin betrieb die Akademie un ter Hertzberg Leibnizens Vorhaben der Pflege der deutschen Sprache, aber Bedeutendes wurde nicht geleistet.
     Ewald Friedrich Graf von Hertzberg, »der bedeutendste und erfahrenste Minister in Friedrichs Spätzeit«, 4) aber wohl auch der gebildetste Minister, den das spätfeudale Preußen aufzuweisen hatte, starb am 27. Mai 1795 in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Gruft der Britzer Feldsteinkirche.

Anmerkungen:
1 D. Schulz: Verborgener Schatz im Grünen, In: »Berlinische Monatsschrift«, H. 2/1995, S. 65
2 R. Krauel: Graf Hertzberg als Minister Friedrich Wilhelms II., Berlin 1899, S. 20
3 A. Harnack: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 1, Berlin 1900, S. 498
4 F. Mehring: Historische Aufsätze zur PreußischDeutschen Geschichte, Berlin 1946, S. 77

Bildquelle:
Kulturstiftung Schloß Britz, Neukölln


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/1996
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