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das »Phenylhydrazin«, das später eine
bedeutende Rolle bei der Identifizierung von Zuckern spielte. Mit 30 Jahren (1882) wurde er ordentlicher Professor in Erlangen und war anschließend in Würzburg tätig.
Hier begann er die Arbeiten über die
Synthesen der Kohlehydrate, die ihn bald zu einem
der führenden deutschen Chemiker werden ließen. Mit 41 Jahren, schon in seiner
Berliner Zeit, wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
In Berlin hatte Emil Fischer 1890 mit einem Vortrag über die Ergebnisse seiner Zuckerforschungen vor der Deutschen Chemischen Gesellschaft einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Nach dem Tod von August Wilhelm Hofmann (1818-1892), der 1865 an die Berliner Universität berufen worden war, suchte man an der Universität nach einem würdigen Nachfolger und entschied sich für Emil Fischer, der dann 1892 zum Direktor des Chemischen Instituts der Berliner Universität berufen wurde. Sein Vorgänger, August Wilhelm Hofmann, hatte am 15. Mai 1869 in der Georgenstraße dieses Chemische Institut für 70, später 85 Studenten eröffnet. Das große Interesse an der neuen Fachrichtung erforderte schon bald zusätzliche Laboratorien. Ein II. Chemisches Labor entstand in der Bunsenstraße. Hofmanns Institut wurde schnell zu einer national anerkannten Lehr- und Forschungsstätte. Seine Schüler gelangten in leitende Stellungen bei Bayer in Hoechst und bei | ||||||
Gisela Eggert
Ideale Stätte für Forschung und Ausbildung Das I. Chemische Institut in der Hessischen Straße unter seinem Direktor Emil Fischer Als am 14. Juli 1900 das neue Chemische Institut der Berliner Universität eröffnet wurde, war Berlin längst ein Weltzentrum der organischen Chemie. Diesen Ruf verdankte die Stadt sorgfältiger wissenschaftlicher Forschung und der schnellen Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die industrielle Produktion. Es waren keine unbedeutenden Wissenschaftler, die hier wirkten oder nach Berlin berufen wurden. Auch der Direktor des neuen Chemischen Instituts in der Hessischen Straße - Emil Fischer - vom Jahrgang 1852 gehörte zu denen, die auf ihrem Spezialgebiet absolut anerkannt waren. 22 Jahre war er alt, als er sein Chemiestudium in Bonn und Straßburg mit der Promotion (Arbeit über organische Farbstoffe) abschloß. Anschließend arbeitete er als Unterrichtsassistent bei Adolf von Bayer (1835-1917), seinem Doktorvater. Bei dieser Tätigkeit gelang ihm seine erste große Entdeckung: Er fand | ||||||
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Jahre hin. Althoff sah die Gründe
Fischers zwar ein und war zusätzlich durch ein Versprechen gebunden, aber die
öffentlichen Kassen waren leer. Er kam Fischer schon so weit wie möglich entgegen. Der
Institutsetat wurde zu Beginn des Wintersemesters 1892/93 von 15 000 auf 20 000 Mark
erhöht und zusätzliche Assistentenstellen
geschaffen worden. Umgehend legte Fischer nun seine Wünsche und Vorstellungen für
den zugesagten Institutsneubau vor. Nachdem seine Bedingungen wiederum nicht
akzeptiert wurden, wollte er 1896 Berlin verlassen und nach Bonn gehen. Da setzten
sich Industrielle für Fischers Projekt ein, die auf die Ausbildung hochqualifizierter Chemiker für ihre Betriebe drängten.
Insbesondere der »Verein zur Förderung der
Chemischen Industrie« unterstützte
Fischers Anliegen massiv.
Im Spätherbst 1897 wurde endlich mit dem Neubau des Chemischen Instituts auf dem Gelände des alten Charitéfriedhofes in der Hessischen Straße begonnen. Seit dem 24. April 1900 konnten in drei Hörsälen Vorlesungen in anorganischer und organischer Experimentalchemie, in technischer und physikalischer Chemie gehalten werden. Außerdem gab es vier Unterrichtssäle, in denen jeweils ein Leiter für die Betreuung der Studierenden verantwortlich war. Die Zahl der wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter wurde erhöht. Stolz berichtete Fischer in seiner Festansprache, | daß die neue Einrichtung »an
Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit der
Arbeitsmittel von keinem ähnlichen Institut der
Welt übertroffen« werde. Damit hatte Fischer alle Voraussetzungen geschaffen, die chemische Forschung und Ausbildung auf
der Höhe seiner Zeit zu betreiben.
Die von seinem Vorgänger Hofmann begründeten Forschungen zur organischen Chemie wurden durch Fischer erfolgreich weitergeführt. Für seine Arbeiten über die Konstitution der Zucker und die synthetischen Arbeiten auf dem Gebiet der Purine erhielt er 1902 den Nobelpreis für Chemie. Unter seinen sonstigen Forschungen sind die Arbeiten über Aminosäuren, Peptide und über Gerbstoffe besonders hervorzuheben. Fischer erschloß die Grenzgebiete zwischen Chemie und Biologie und entschlüsselte mit seinen Eiweißuntersuchungen ein Geheimnis unseres Lebens. Neben dem eigenen Forschungsgebiet förderte er aber auch die anorganische Chemie und verschaffte ihr in seinem Institut wieder mehr Geltung. Seine Assistenten Otto Ruff (1871-1939) und Alfred Stock (1876-1946), später auch Franz Fischer (1877-1947), der führend an der Entwicklung der Fischer-Tropsch-Synthese (Verfahren zur Synthese von Kohlenwasserstoffen, wie Benzin, Dieselöl, Paraffine, aus Synthesegas) beteiligt war, wandten sich verstärkt diesen Forschungsaufgaben | |||||
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Zweiten Weltkrieg zerstörten
Marmorstatue eine Replik als Bronzedenkmal nach
Restaurierungsarbeiten wieder an seinem angestammten Platz aufgestellt worden.
Die Gebäude des Chemischen Instituts, durch Bombenangriffe auf Berlin während des Zweiten Weltkrieges zerstört, wurden nach 1945 wieder aufgebaut; im Januar 1953 konnte auch der große Hörsaal des Instituts als »Emil-Fischer-Hörsaal« seiner Bestimmung übergeben werden. Noch heute sind sie eine Ausbildungs- und Forschungsstätte für Chemie an der Humboldt-Universität Berlin. Quellen:
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zu. Zu den Verdiensten von Emil Fischer gehört nicht zuletzt, daß er junge,
begabte Wissenschaftler an sein Institut geholt hat.
Otto Hahn (1879-1968) erhielt ab 1906 Gelegenheit, sich mit Untersuchungen radioaktiver Stoffe zu befassen. Für diese Arbeiten, die zu der bahnbrechenden Entdeckung der Kernspaltung beitrugen, erhielt er den Nobelpreis des Jahres 1944. Hahns Arbeitsstätte war die ehemalige Holzwerkstatt im Erdgeschoß des Hauses. 1907 begann hier die fruchtbare Zusammenarbeit mit Lise Meitner (1878-1968). Damals war die Mitarbeit einer Frau in einem wissenschaftlichen Institut noch Neuland und nicht ohne Probleme. Fischer genehmigte die Zusammenarbeit unter bestimmten Bedingungen. Lise Meitner mußte das Institut durch einen Nebeneingang betreten und hatte keinen Zutritt zu Räumen, in denen sich Studenten aufhielten. Eine Gedenktafel am Eingang zum großen Hörsaal des Instituts in der Hannoverschen Straße erinnert an die beiden Forscher Otto Hahn und Lise Meitner. Drei Jahre nach seinem Tode wurde Emil Fischer in der Nähe seiner alten Wirkungsstätte, auf dem Robert-Koch-Platz, ein Denkmal gesetzt. Die Berliner ehrten ihn damit als bedeutenden Forscher und Hochschullehrer, unter dessen Leitung das Chemische Institut hohes internationales Ansehen erlangte. Am 19. Mai 1995 ist anstelle der im | |||||||||||||||
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/1996
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