58 Berlin im Detail | »Blanke Helle« |
Eines Tages verirrte sich ein Gott treu ergebener Mönch an den See. Der alte, gebrechliche Priester nahm ihn freundlich auf und deutete sein Erscheinen als ein Zeichen von Hel, daß er bald sterben werde. Als er den Tod nahen fühlte, sprach er zum Mönch: »Ich werde nun zur Helle fahren, und du wirst fortan die Opferstätte hüten.« Der Mönch aber weigerte sich, versuchte immer wieder zu entkommen und vernachlässigte nach dem Tode des Priesters das Heiligtum. Als schließlich alle Vorräte aufgebraucht waren, flehte der Mönch, den Hungertod vor Augen, Gott um ein gnädiges Ende an. »Kaum hatte er das ausgesprochen, so schäumte das Wasser auf einmal hoch auf, und aus dem weißen Strudel stiegen die Stiere, sie sprangen von selbst in das Joch und pflügten brüllend das ganze Ufer ab, immer am Waldsee entlang. Als sie die Furche geschlossen hatten, begann der Boden, der in dem Kreise lag, sich zu senken. Ein unergründliches Loch tat sich auf, aus dem Wasser ohne Aufhören hervorquoll, und die Wirbel verschlangen Stiere und Mönch, Hütte und Opferstein ...« Noch heute zürne Hel den Menschen, heißt es. Jedes Jahr hole sich der Hellpfuhl sein Opfer - schon mancher ist in dem scheinbar harmlosen Gewässer ertrunken. »Auf der Grenze zwischen Tempelhof und Schöneberg liegt er, nur ein kleiner Tümpel noch; aber die Leute fürchten ihn und nennen ihn die Blanke Hölle.« 1) | ||||||
Hainer Weißpflug
Die »Blanke Helle« - ein sagenumwobener Tümpel Über ein »Blanke Helle« genanntes
Gewässer in Schöneberg, in den Grünanlagen des
Alboinplatzes, wird folgende Sage erzählt.
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Der Name »Blanke Helle« soll aber nicht
aus dem Begriff Hölle entstanden sein,
sondern aus der überlieferten Bezeichnung
»Hel-See« oder »Hel-Pfuhl«. Am Rande der
»Blanken Helle« steht seit den 20er Jahren eine
große Steinplastik, die nach dem Ersten
Weltkrieg von arbeitslosen Berliner Bildhauern nach einem
Entwurf von Mersmann geschaffen wurde. Sie stellt einen
mächtigen Stier mit gesenkten Hörnern dar, der offenbar auf die
Sage verweist. Die Berliner nennen ihn den »größten Ochsen
von Berlin«.
Soweit die Sage. Der 2 500 Quadratmeter große Pfuhl »Blanke Helle« liegt in einer vermutlich während der letzten Eiszeit entstandenen Senke, inmitten eines ca. 4,6 Hektar großen Parkes. Diese grüne Insel inmitten dichter Wohnbebauung und verkehrsreicher Straßen wird von den Anwohnern zur Erholung genutzt und häufig auch, um die Hunde auszuführen. Aus dem ursprünglich | von Wiesen umgebenen lichtdurchfluteten Kleinstgewässer ist »dank« menschlichem Zutun ein von Bäumen und Sträuchern umgebener Tümpel geworden. Noch in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts soll der Teich erheblich größer gewesen sein und | |||||
»Blanke Helle« auf dem Alboinplatz | ||||||
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sich inmitten von Wiesen und Feldern
befunden haben. Es wird berichtet, daß man damals in seinem Wasser noch
Sumpfschildkröten gefangen haben soll.
2) Schon als um die Jahrhundertwende die bäuerliche
Wiesennutzung eingestellt und die Böschung des Pfuhls nicht mehr zweimal im Jahr gemäht wurde, veränderte sich die ursprüngliche Vegetation. Bäume und
Sträucher, die sonst schon in der Phase des
Heranwachsens der Sense zum Opfer fielen, konnten sich nun ungehindert
ausbreiten. Untersuchungen der Bodenverhältnisse und der Vegetation verweisen außerdem darauf, daß die Hänge mit einer
starken Schicht aufgeschütteten Materials
belegt sind, Trümmer- und Bauschutt, Sande
und umgelagerter Geschiebemergel wurden bei Bohrungen festgestellt. Offenbar wurde
das Gelände in der Zeit des Baus der Wohnsiedlungen und befestigten Straßen stark
verändert und danach teilweise mit Bäumen
bepflanzt.
Aber noch existiert der Pfuhl im Gegensatz zu vielen anderen seiner Art und bietet so mancher Tier- und Pflanzenart Lebensraum. Wasserpflanzen, verschiedene Röhrichtarten im Uferbereich, halbruderale Wiesengesellschaften auf den Hangbereichen und überwiegend angepflanzte Gehölze bilden die Vegetation des seit dem 18. Dezember 1952 als Flächennaturdenkmal unter Schutz gestellten Pfuhls und seiner Umgebung. Immerhin wiesen Forschungsgruppen | 1988/89 165 verschiedene Farn- und
Blütenpflanzen nach, wovon 12 als gefährdet in
den Berliner Roten Listen stehen.
Der Boden des flachen Gewässers ist nach Untersuchung von Experten mit einer starken Schlammschicht bedeckt. Wie viele andere Gewässer dieser Art weist die »Blanke Helle« einen schon stark eingeschränkten Artenbestand auf. Zwei Fischarten nur wurden beispielsweise nachgewiesen, Moderlieschen und Karausche. Von den Wasservögeln wurde bei einer entsprechenden Erhebung nur ein Brutpaar der Teichralle mit drei Jungvögeln angetroffen. Teich- und Bleßhühner, Zwergtaucher oder Drosselrohrsänger, die normalerweise an solchen Kleinstgewässern brüten, fehlen hier. In dem alten Baumbestand haben sich Blaumeise, Kleiber, Star und Feldsperling eingenistet. Eine große Zahl von Nistkästen unterstützt den recht guten Besatz des Gebiets mit diesen Höhlenbrütern. Bodenbrütende Vögel, die eigentlich Pfuhle mit ihrer Umgebung bevorzugen, wurden nicht festgestellt. Was sicherlich auf häufige Spaziergänger, Hunde und die Pflegemaßnahmen seitens der Grünflächenämter zurückzuführen ist. Alles in allem ist die als Flächennaturdenkmal geschützte »Blanke Helle« ein relativ intaktes und gepflegtes Stückchen Grün. Leider hat sie nicht mehr jene artenreiche Vegetation und Tierwelt, die für Kleinstgewässer dieser Art typisch ist. Und es ist auch nicht möglich, durch Rückbebauung (wie anderen | |||||
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orts) den ursprünglichen Zustand
wieder herstellen zu wollen. Dazu ist das Gebiet
zu klein, der Pfuhl zu sehr verstädtert.
Aber natürlich kann man diesen Eiszeitzeugen und seine unmittelbare Umgebung so erhalten, wie er jetzt ist. Die faunistische Arbeitsgruppe Berlin hat im Ergebnis einer Untersuchung 1990 empfohlen, die »Blanke Helle« als Parkgewässer mit den angrenzenden Wiesenbereichen zu erhalten, z. B. durch zweischürige Mahd der Hochstauden und ruderalen Wiesengesellschaften (Juni/Juli und September/Oktober), Rodung eines Teils der angepflanzten Bäume und Sträucher, um bessere Belichtung und Belüftung zu gewährleisten, Verzicht auf Chemikalien am Pfuhl und in der Umgebung und Einstellung der Trinkwassereinleitung zur Regulierung des Wasserstandes. Pfuhle sind in der Regel ab- und zuflußlose Wasserbecken, deren Wasserstand von der Niederschlagstätigkeit, von Sonneneinstrahlung und Temperaturen abhängt. Manche von ihnen werden im Sommer ganz trocken oder weisen, wie die »Blanke Helle«, starke Schwankungen auf. Die Arbeitsgruppe empfiehlt deshalb, wenn schon Wasser aufgefüllt werden muß, dieses nicht im Sommer, sondern im Winter zu tun. Also entsprechend dem natürlichen Prozeß zu verfahren. In einem anderen Gutachten wird empfohlen, das von den Gebäuden im Umfeld des Pfuhls abfließende Regenwasser zu sammeln und dem Pfuhl nach einer gewissen Reini | gung durch Versickerung im Uferbereich
zuzuführen. Das würde für den
Wasserhaushalt des Pfuhls bedeuten, den vor der Bebauung vorhandenen Zustand
annähernd wieder herzustellen. Solange der Pfuhl
von offenen Bodenflächen umgeben war, konnte das Regenwasser direkt oder über
Versickerung in den Pfuhl gelangen und seinen Wasserstand heben.
Von solchen Maßnahmen und von der Vernunft der Besucher hängt ab, ob die sagenumwobene »Blanke Helle« uns künftig erhalten bleibt. Quellen:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/1996
www.berlinische-monatsschrift.de